Die Personalsituation in gleich zwei Behindertenwohnheimen der Lebenshilfe in Gemünden ist weiterhin angespannt bis dramatisch. Grund ist die durch Coronafälle mit Omikron-Verdacht angeordnete häusliche Quarantäne von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Den zwei noch einsetzbaren Mitarbeitern des kleinen Wohnheims im Grautal mit neun Bewohnern ist mittlerweile der Abteilungsleiter zur Seite gesprungen, sagt Gabriele Hofstetter, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Main-Spessart. Sie habe am Freitagmorgen einen "Brandbrief" ans Gesundheitsamt geschickt. "Wir brauchen Hände, Hände, Hände."

"Die Mitarbeiter arbeiten weiterhin rund um die Uhr und brauchen unbedingt einen freien Tag zum Durchschnaufen." Die beiden und der Abteilungsleiter würden sich im Grautal mit Zehn-Stunden-Schichten abwechseln. Hofstetter: "Eine Entspannung ist momentan nicht erkennbar." Bei den Bewohnern im Grautal seien die Behinderungsarten zum Glück nicht so extrem wie bei den Bewohnern des größeren Wohnheims in der Gartenstraße. Aber wenn irgendetwas passiere, etwa ein Bewohner ins Krankenhaus müsse, könnten die Mitarbeiter das momentan nicht leisten. Eine Mitarbeiterin, die mehrfach negativ getestet ist, aber Erkältungssymptome habe, wolle schauen, ob sie am Montag wieder arbeiten dürfe.
Eine Werkstatt lässt sich schließen, ein Wohnheim nicht
Auch beim Wohnheim in der Gartenstraße mit 26 Plätzen in drei Wohngruppen gebe es durch Quarantäne gerade "extrem wenig Personal". "Ich will gar nicht darüber nachdenken, was ist, wenn jetzt einer krank wird", sagt Gabriele Hofstetter. Am Freitagmorgen hatte ihr zufolge nur eine geringe Anzahl von Mitarbeitern eine Ausnahmegenehmigung, mit der sie trotz häuslicher Quarantäne auf die Arbeit gehen durften. Die Lebenshilfe wollte sich um weitere Ausnahmen bemühen. "Die Mitarbeiter sind auch bereit dazu", sagt Hofstetter. Eine Werkstatt, wie sie in Gemünden von Quarantäne betroffen ist, lasse sich schließen, ein Wohnheim nicht.
"Wir brauchen Hände, Hände, Hände."
Gabriele Hofstetter, Geschäftsführerin der Lebenshilfe
Die Bewohner des Heims in der Gartenstraße seien hilfsbedürftiger, hätten beispielsweise Inkontinenz oder Demenz, wofür es geschultes und ausreichend Personal brauche. "Da braucht man Leute, die sich mit diesen Menschen auskennen, um nicht noch mehr Verwirrung zu stiften." Bisher seien auch keine Mitarbeiter positiv getestet worden. Aktuell gebe es auch bei der "vulnerablen Gruppe" der Bewohner keine Symptome und Krankheitsfälle.
Zunächst muss intern nach Personal gesucht werden
Dorothea Fischer, Pressesprecherin des Landratsamts, sagt zum Thema "Brandbrief", dass der Lebenshilfe geraten worden sei, in einer Mail zu schreiben, warum sie dringend Personal brauche, weswegen sie die Bezeichnung nicht verwenden würde. Am Donnerstag habe es von einem Bereichsleiter noch geheißen, die Lebenshilfe werde zunächst intern schauen, ob sich Personal verlagern lasse. Diese Option muss laut Fischer geprüft werden, bevor weitere Hilfe, etwa durch die Bundeswehr, beantragt werden könne.
Dennoch habe die Führungsgruppe Katastrophenschutz am Landratsamt gestern schon eine Anzeige für die Lebenshilfe im "Pflegepool Bayern" geschaltet, wo Unterstützung angefordert werden kann, wenn aufgrund der Corona-Pandemie "personell nicht vertretbare Engpässe" bestehen und "die Unterstützung durch Freiwillige aus dem Pflegepool unabdingbar" sei, wie es auf der Seite des Pflegepools heißt. Dort können sich Fachkräfte anmelden, die eine Ausbildung im Pflege- und Gesundheitsbereich absolviert haben, derzeit jedoch nicht in ihrem Ausbildungsberuf tätig sind. Interessierte können sich direkt bei der Lebenshilfe melden.
Eine Ausnahmegenehmigung, trotz Quarantäne zur Arbeit zu gehen, sogenannte Pendel-Quarantäne, gehe nur für Personal, das keine Symptome habe, sagt Pressesprecherin Fischer. Am Freitag sollte durch das Gesundheitsamt und die Heimaufsicht eine Hygieneberatung in den beiden Wohnheimen stattfinden.