Entlassungen, Umbesetzungen, Kürzungen bei Lohn und Sozialleistungen: Dr. Bernd Scheifele, seit Februar Vorstandsvorsitzender der HeidelbergCement AG, Heidelberg, wirbelt reichlich Staub auf. Nachdem der viertgrößte Zementhersteller der Welt im vergangenen Jahr 333 Millionen Euro Verluste geschrieben hatte, war Scheifele in diesem Februar vom Aufsichtsrat an die Spitze des Konzernvorstands gewechselt. Mit einem harten Sparkurs, der den bezeichnenden Titel "win" (Gewinn) trägt, will er zementierte Strukturen aufbrechen und den Konzern wettbewerbsfähig machen, wie er verlauten ließ. Europaweit sollen 1100 Stellen gestrichen werden, 220 davon in Deutschland. 50 Millionen Euro möchte Scheifele einsparen, der in der "Optimierung der Produktivität unserer Werke . . . noch erhebliche Potenziale" sieht.
Wie Wilhelm Schwerdhöfer, Europa-Betriebsratsvorsitzender (Werk Lengfurt), auf Anfrage der MAIN-POST erklärte, will der Konzern im ersten Schritt seine Länderverwaltungen an jeweils einem Standort konzentrieren, für Deutschland in Heidelberg.
Für das Zementwerk in Lengfurt, das zehn Verwaltungsangestellte beschäftigt, bedeutet das, dass zwei nach Heidelberg wechseln oder gehen müssen. Der Haken an der neuen Zentralverwaltung: Sie wird als Shared Service Center (gemeinsame Verwaltung) in eine neue Gesellschaft überführt, in der nicht die bisher übliche Tarifbindung besteht. "Damit will sich der Vorstand aus dem Tarifvertrag stehlen", lautet der Vorwurf des Betriebsratsvorsitzenden. Das heißt, dass sich die Betroffenen zunächst um die neuen Stellen im SSC bewerben müssen, aber nicht zwingend übernommen werden, so Schwerdhöfer. Wer dann angestellt wird, verdient deutlich weniger - von 20 Prozent Einbußen bei Lohn- und Sozialleistungen ist die Rede.
"Bei der Optimierung der Produktivität gibt es noch erhebliche Potenziale"
Dr. Bernd Scheifele Vorstandsvorsitzender
Doch damit will es Scheifele nicht bewenden lassen. Den nächsten Sprengsatz zündet er bei den Arbeitern: Er will die Belegschaften reduzieren. Als Beispiel nennt Schwerdhöfer wieder das Lengfurter Werk. Derzeit sind dort insgesamt 140 Mitarbeiter beschäftigt. Auch in ihren Reihen ist mit vereinzelten Kündigungen zu rechnen. Wie viele, das kann Schwerdhöfer noch nicht sagen. Sicher ist ihm zufolge nur: "Die anderen sollen die Arbeit dann mitmachen, aber ohne Lohnausgleich." Arbeitsflexibilisierung heißt das Schlagwort dafür. Das bedeutet laut Schwerdhöfer "mehr Arbeit für weniger Lohn".
Und schließlich werde auch an den Sozialleistungen gekürzt, "die die Betriebsräte in vielen Jahren erkämpft haben", wie Schwerdhöfer aus langjähriger Erfahrung weiß. Er zählt auf, was wegfiel oder gekürzt wurde: Fahrtkostenrückerstattung, Geburts-/Heiratsbeihilfen, Jubiläumsgelder. Umgesetzt werden sollen die Strukturreformen von November 2005 bis Ende 2007.
Doch noch wollen sich die Beschäftigten nicht mit der von oben verordneten Rosskur abfinden. Am Freitagnachmittag machten sich 700 Mitarbeiter aus ganz Deutschland auf den Weg zur Konzernzentrale in Heidelberg, um gegen die Sparpläne zu demonstrieren.
Stichwort
HeidelbergCement AG
Rund 42 700 Mitarbeiter an 1500 Standorten in 50 Ländern beschäf- tigt die HeidelbergCement AG und ist damit einer der größten Bau- stoffkonzerne der Welt. Der Jahresumsatz betrug im Jahr 2004 rund 6,9 Milliarden Euro. In Zentraleuropa-West (hauptsächlich Deutschland) erreichte der Umsatz 846 Millionen Euro. Zum Konzern gehört das Zementwerk in Leng- furt mit rund 140 Mitarbeitern.