Für den Wernfelder Andreas Hartmann waren die Schafe erst nur ein Hobby. Der 55-Jährige kommt nicht aus der Landwirtschaft, arbeitete als Werkstattleiter bei den Mainfränkischen Werkstätten. Mittlerweile ist der Quereinsteiger Vollzeitlandwirt, hat drei gemischte Herden mit Schafen und Ziegen und zehn Galloway-Mutterkühe. "Wenn man die andere Seite kennt, die Wohlstandsrundumversorgung, ist das hier schwierig", sagt er. Seit 2016 habe er keinen Urlaub und und nur wenige freie Wochenenden gehabt.
Dass Sohn Yannik, 27, auch in die Landwirtschaft geht, war genauso wenig klar. Er wollte nach dem Abi eigentlich Bauingenieurwesen studieren. Jetzt ist auch er voll Landwirt, hat 30 Mutterkühe und macht Bioackerbau. Geplant war eigentlich, dass sie in Wernfeld einen größeren Stall bauen, aber die väterliche Landwirtschaft wäre auch dann zu klein gewesen, als dass Yannik Hartmann dort hätte einsteigen können. Doch dann waren es die Schafe und der Zufall, die einen anderen Weg bereiteten.
Der Ausbruch der Schafherde brachte die Hartmanns nach Obereschenbach
2018 brach die Schafherde in Obereschenbach (Lkr. Bad Kissingen) aus und tat sich an einem Acker mit Wintergerste gütlich. Familie Hartmann ging zu dem Bauern, der eine Bullenmast betrieb, um die Sache zu lösen. "Ich habe keine Lust mehr. Ihr könnt den ganzen Hof kaufen", habe der überraschenderweise gesagt. "Dass der Hof schon da war, war die günstigere Alternative", sagt Andreas Hartmann. "Über Nacht" seien sie dadurch so groß geworden, dass sich Yannik entschied, auch in die Landwirtschaft einzusteigen.

Auf dem Hof ist es Mitte November kalt und matschig. In den Hofplatz müssen sie erst noch Geld stecken. Siloballen liegen vor dem Rinderstall. Ein Aggregat läuft, weil der Hof keinen Stromanschluss hat. Die Hütehunde bellen, Kühe muhen. Hartmanns zweite Frau Tea und der kleine Sohn Leo versorgen das Gelb- und Fleckvieh mit Wasser. Nebenan am Hang weiden Schafe und Ziegen. Die sind erstaunlich zutraulich und umringen die Hartmanns, den Reporter und den Fotografen neugierig, knabbern an Kleidung und Taschen. In der Nacht ist ein Wildschwein durch den Elektrozaun gebrochen und hat ein Loch hineingerissen. "Den Schaden bezahlt uns keiner", sagt Hartmann. Zum Glück ist die Herde diesmal dringeblieben.
Für Andreas Hartmann ist es ein ganz anderes Leben als früher als Werkstattleiter
Früher habe er mit Kennzahlen, Auftragsakquise und Qualitätsmanagement zu tun gehabt, saß am PC, erzählt Hartmann. Jetzt ist der 55-Jährige ganzjährig draußen, erlebt die Natur. "Am Benediktusberg die Abendstimmung mitzukriegen... Es ist ein ganz anderes Leben." Sein bequemes Leben als Werkstattleiter nahm 2016 ein Ende. Nach einem Wechsel in der Geschäftsführung habe die Chemie nicht mehr gepasst, sagt er. Er nahm die Abfindung und kaufte sich davon Maschinen.
Bis dahin war die Landwirtschaft ein "Nebenerwerbsbetrieble, zum Leben viel zu klein". Wie sollte er davon leben können? Der Landschaftspflegeverband, der damit zu kämpfen hat, dass es immer weniger Schafhalter gibt, habe ihm gut zugeredet. " Jetzt zählen die Landschaftspflegeverbände Main-Spessart und Bad Kissingen, die Unteren Naturschutzbehörden sowie einige Kommunen zu den Hauptauftraggebern. Die Zusammenarbeit laufe gut, so Hartmann. Die Schafe und Ziegen sind auf drei Herden, eine im Landkreis Bad Kissingen, zwei in Main-Spessart, aufgeteilt. Das bedeutet für ihn weite Wege. Zwischen Euerdorf und Güntersleben beweiden die Tiere Trockenrasenflächen und Naturschutzgebiete.
Er mache nur Koppelhaltung, was arbeitsintensiv sei, weil dadurch weniger Flächen als bei der Hütehaltung bewirtschaftet werden. Zugleich bedeute weniger Fläche aber auch weniger Einnahmen. Als Quereinsteiger, so Hartmann, sei es schwierig, an neue Flächen zu kommen. "Alles zäh", sagt er. Wenn nur die Arbeit ein bisschen besser entlohnt würde. Zum Glück habe er eine tüchtige Frau. 80 Hektar bewirtschaftet er, sein Sohn etwa 60.
Resozialisierung von Jugendlichen war zweites Standbein
Bis vor Kurzem arbeitete Hartmann als zweites Standbein mit schwer traumatisierten Jugendlichen, die resozialisiert werden sollten. Jeden Tag mit zu den Tieren zu müssen, in der Natur zu sein und die Bewegung habe den Jugendlichen gutgetan. Die Jugendlichen wohnten mit ihm, seiner Frau und seinem Sohn in der Heckmühle bei Wartmannsroth. Aber er und seine Familie habe auch viele nicht so schöne Dinge erlebt, auch Straftaten und aggressives Verhalten.

Vor ein paar Jahren hat Hartmann auch die Sippachsmühle bei Wartmannsroth, die bis 2022 ein Pfadfinderheim war, gekauft. Sie wollten ein Kinder- und Jugendheim daraus machen. Jedoch denkt die Familie gerade auch über eine mögliche Alternativnutzung oder auch einen Wiederverkauf nach.
Vater und Sohn machen ihr eigenes Ding, teilen sich aber manche Aufgaben und den Stall
Für die Arbeit mit den Jugendlichen hat Hartmann extra eine Erzieherausbildung gemacht. Sohn Yannik hat deshalb nach dem Abi ein Jahr lang allein den Hof gemacht. Als sie den Hof in Obereschenbach kauften, machte er eine verkürzte Ausbildung zum Landwirt. Inzwischen hat er auch seinen Meistertitel. Er ist Betriebsleiter am Stall in Obereschenbach, den Betrieb teilt er sich mit seinem Vater. Er macht alle Arbeiten in der Außenwirtschaft, also vor allem mit dem Schlepper, während sein Vater sich um die Galloways und die Schafe und Ziegen kümmert.
Yannik, der meist bei seiner Freundin in Mittelsinn wohnt, lebt vom Fleisch- und Getreideverkauf, von maschineller Landschaftspflege und vor allem von Subventionen, die er eher "Pflegeentgelt" nennen würde. Er bezahle sich monatlich einen kleinen Lohn aus, die restlichen Einnahmen werden wieder in den Betrieb und peu à peu in den Hof gesteckt. Er schätzt das selbstständige Arbeiten, er repariert gern, mag es, immer neue Herausforderungen zu haben, und sagt: "Ich hab wahnsinnig gern meine Ruhe." Wenn die Kredite für den Hof irgendwann abgezahlt sind, werde es wirtschaftlich besser, hofft er: "Man sieht schon Potenzial, wenn man fleißig ist."
Rhönschafe und Coburger Fuchsschafe kommen mit kargen Flächen zurecht
Vater Andreas hat im Moment 300 Mutterschafe und 60 Mutterziegen – letztere, weil sie mehr als nur Gras fressen. Die Schafe, ein Mix aus Rhönschaf und Coburger Fuchsschaf, kommen mit kargen Flächen zurecht. Gewicht würden sie da aber nicht zulegen. "Die Tiere erholen sich bei uns im Winter im Stall." Auch mit Merinoschafen hätten sie es versucht, die seien aber auf den Flächen fast verhungert.
Was Hartmann fürchtet, ist der Wolf. Der sei auch schon am Zaun gesehen worden. "Das kann mich meine Existenz kosten." Über Herdenschutzhunde hat er schon nachgedacht, er sieht aber auch das Risiko, dass die etwa gegen Spaziergänger gehen könnten.
Schon jetzt können bei den Hartmanns Pakete mit Rind oder Lamm bestellt werden, künftig soll die Selbstvermarktung ein eigenes Standbein werden. Beide Höfe sind seit mehreren Jahren bio-zertifiziert.