Wenn man dieser Tage mit Politikern der Freien Wähler (FW) spricht, ist die Euphorie groß: Als der ARD-Deutschlandtrend kürzlich seine aktuelle Umfrage zur Bundestagswahl präsentierte, tauchte die Partei erstmals als eigener orangener Balken in den Grafiken auf. Immerhin drei Prozent Stimmenanteil verhieß die Prognose. Bislang waren die Freien Wähler bundesweit unter den "Sonstigen" versteckt geblieben.
"Da geht was", sagt Gerald Pittner, der Bezirksvorsitzende aus Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld), voller Optimismus. An diesem Samstag nominiert die Partei ihre bayerische Landesliste. Jessica Klug, eine junge Unterfränkin, darf mit einem aussichtsreichen Listenplatz rechnen.
Spitzenkandidat ist Hubert Aiwanger
Im Sportpark Unterhaching (Lkr. München) treffen sich rund 150 Delegierte zu einem Präsenzparteitag. Als Spitzenkandidaten für Bayern und den Bund werden sie - wie soll es auch anders sein - den stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger, das mit Abstand bekannteste FW-Gesicht, nominieren. Geht es nach dem Landesvorstand, soll dahinter auf Listenplatz zwei der Regensburger Landtagsabgeordnete Tobias Gotthardt kandidieren.
Für Platz sechs haben die Gremien Jessica Klug, die Spitzenkandidatin für Unterfranken und Direktkandidatin im Wahlkreis Main-Spessart/Miltenberg, vorgeschlagen. Die 25-Jährige aus Obernburg (Lkr. Miltenberg) wäre auf dieser Position in Berlin vermutlich dabei, sollte den Freien Wählern tatsächlich der Einzug in den Bundestag gelingen.

Nun sind drei Prozent, wie sie die Umfragen für die Freien Wähler vorhersagen, noch keine fünf Prozent. Aber unter den kleinen Parteien steht aktuell keine besser da. "So nah dran am Bundestag waren wir Freie Wähler noch nie", sagt Landtagsabgeordneter Pittner. Gerade in der Pandemie-Politik habe sich die Partei einmal mehr als "Stimme der Vernunft" erwiesen.
Als "Korrektiv" in Bayern bewährt
In der bayerischen Koalition seien die Freien Wähler diejenigen gewesen, die die Regierung von Markus Söder immer wieder angetrieben hätten, Öffnungsperspektiven für Schulen, Gastronomie oder Einzelhandel zu entwickeln. Man habe sich leider, räumt Pittner ein, nicht immer durchsetzen können, gleichwohl habe sich die Partei als "Korrektiv" in Bayern bewährt. Eine Rolle, die man sich auch gut auf Bundesebene vorstellen könne.

Genährt wird die Zuversicht der Freien Wähler auch vom jüngsten Wahlerfolg. Nach Bayern und Brandenburg gelang ihnen im März der Sprung ins Landesparlament von Rheinland-Pfalz. Und mit den sechs Abgeordneten ist auch Jessica Klug in den Mainzer Landtag eingezogen. Die neue Freie-Wähler-Fraktion hat die studierte Kulturwirtschafterin als Projektmanagerin eingestellt: Sie soll helfen, die Arbeit im Plenum und den Ausschüssen zu organisieren und Initiativen der Abgeordneten auf den parlamentarischen Weg zu bringen.
Eine "super Erfahrung" freut sich Klug, die bislang ehrenamtlich Politik in Obernburg am Untermain macht. Vor einem Jahr ist sie dort in den Stadtrat und in den Kreistag von Miltenberg gewählt worden, seit November ist sie dritte Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt. Und nun der Job in Mainz. "Da kann ich schon mal für den Bundestag üben", sagt Jessica Klug selbstbewusst, "wie das ist, eine Freie-Wähler-Fraktion aus dem Boden zu stampfen".