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Karlstadt: Wie Fahrrad-Bartl nach Karlstadt kam

Karlstadt

Wie Fahrrad-Bartl nach Karlstadt kam

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    Linda Schirm und Horst Bartl berichteten aus ihrem Leben in Karlstadt.
    Linda Schirm und Horst Bartl berichteten aus ihrem Leben in Karlstadt. Foto: Karlheinz Haase

    Horst Bartl stammt aus dem Sudetenland. Als er nach dem Krieg 1947 als Siebenjähriger nach Karlstadt kam, begegnete ihm, noch bevor er mit seiner Mutter die Stadt erreicht hatte, der Zug der Kreuzbergwallfahrer: "Die sind gerade von Eußenheim den Berg raufgekommen und ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich da mal selber dabei bin."     

    In der Reihe "Zeitzeugen erzählen" des Historischen Vereins berichteten Horst Bartl und Linda Schirm im Gasthaus "Weinbau Frank" von der Vertreibung. Sein Heimatdorf Charwaez (Lakre Bikin, jetzt Tschechien)  hatte weniger als 150 Einwohner. Sie erlebten, wie die Schlesier bei ihnen Richtung Westen durchzogen. Die Angst vor den Russen war so groß, dass sich Nachbarn samt ihrem Haus selbst verbrannten. Wenig später mussten alle Deutschen im Dorf  ihre Hausschlüssel abgeben und alle Wertsachen zurücklassen.

    Die Familie fand sich wieder

    Nach einem Aufenthalt in einem zehn Kilometer entfernten Sammellager ging es wieder zurück ins Dorf, aber nicht in die eigenen Häuser, sondern für ein halbes Jahr ins Gasthaus. "Mein Vater (Emil Bartl) war Schmied. Er hat mir einen Kinderroller gebaut." Doch der wurde dem kleinen Horst abgenommen. "Dann hab ich zugeschaut, wie die tschechischen Kinder damit gefahren sind."

    Im Mai 1946 ging es im Güterwagen nach Thüringen in die Nähe von Suhl. Dort wohnte die Mutter mit den Kindern in der Schule. Vater Emil war mit einem Kreiskollegen zwischenzeitlich aus der Kriegsgefangenschaft nach Büchold gekommen und lernte dort Vinzenz Rüb kennen. Der verkaufte unter anderem Nähmaschinen und brauchte einen Meister für sein Geschäft mit Motorrädern, Fahrrädern und Nähmaschinen in der Fischergasse.

    Über den Rotkreuz-Suchdienst kam Anfang 1947 der Kontakt zwischen dem Vater und der Familie zustande. Ziel war es, in den Westen zum Vater zu gelangen. Der örtliche Kaplan besorgte in Thüringen einen Führer, der den Bartls bei Eußenhausen den Weg über die Zonengrenze zeigte.

    Zwei ungeschlagene Boxer

    Horst Bartls Vortrag entwickelte sich teilweise zu einem Zwiegespräch mit seinen Zuhörern. "Du hast doch auch mal geboxt" wurde er ermuntert, davon zu erzählen. Seine Mutter durfte nicht wissen, dass er bei einem Werbeabend der TSV-Boxabteilung antrat. Sein Gegner war Helmut Staab, als Schiedsrichter fungierte Heinz Bildhäuser. Der Kampf ging unentschieden aus. "Den Kampf zu Hause gegen die Mutter hab' ich dann allerdings verloren. Für den Helmut Staat und mich war es der erste und letzte Boxkampf. Wir konnten beide erzählen, dass wir als Boxer ungeschlagen waren", berichtete Horst Bartl schmunzelnd.

    Weiter erzählte er: "Ich war eigentlich überall dabei – beim Handball und im Schwimmverein." Und bei der 750-Jahr-Feier von Karlstadt turnten die Burschen während des Volksfests auf Schelchen vor dem Publikum. "Bei der Pyramide war ich als Klennster natürlich ganz oben."          

    Sogar dem Rhönradturnen schloss sich Horst Bartl an. "Da warn hübsche Mädli." Das dürfte allerdings nicht der Grund gewesen sein, dass er auch im Männergesangverein mitwirkte. Der wurde 2002 aufgelöst. So blieb Horst Bartl noch der Kirchenchor, in dem er bis vor zwei Jahren mitwirkte.

    Schläge wegen Reisbrei

    Als Linda Schirm, geborene Spehnkuch, aus ihrem Leben berichtete, wurde deutlich, welchen Aderlass die Altstadt im Laufe der Jahre beim Einzelhandel mitgemacht hat. Aufgewachsen ist sie in der Oberen Viehmarktstraße. Gleich in der Nähe gab es viele Geschäfte: Lebensmittel Gundersdorf (neben der heutigen Raumausstattung Hofmann), schräg gegenüber Gemüse Röder, wiederum gegenüber Lebensmittel bei "Schwarzer Theresle", an der Ecke zur Hauptstraße Milch-Schreiber, schräg gegenüber die Bäckerei Dürrschlag, das Lebensmittelgeschäft Krause (später im selben Haus Kupsch), die Kinos "Dixi" und "Filmbühne". Oben in der Langgasse gab es die Bäckerei Außenhofer und das Lebensmittelgeschäft Lerl.    

    Ihr Opa arbeitete in der Zigarrenfabrik im Hegewaldgelände. Intensiv im Gedächtnis haften blieb ihr ein Vorfall aus der Volksschule. Ihre Nachbarin hatte ihren Reisbrei nicht aufgegessen und ihr den Rest zugeschoben. Schwester Richardis glaubte, die kleine Linda habe nicht aufgegessen und schlug ihr mit dem Stock auf die Finger.

    Zwei Berufe gleichzeitig

    Linda Schirm lernte in der Bäckerei Röhm Verkäuferin. Zuständig war sie aber auch für allerhand Bäckereiarbeiten. So bereitete sie dort die Gebäckstücke "Rocks" zu oder sorgte dafür, dass die Löcher ins Brot kamen. Anschließend arbeitete sie im dazugehörigen Hotel "Weißes Lamm". "Das hatte 20 Betten und wir haben die Zimmer gemacht." In der Blütezeit des Turmkaufhauses war sie "beim Stockleb". Sie berichtete: "Wir waren 30 Verkäuferinnen." Ihr Chef Anton Stockleb hatte zuvor eine Lehre beim Schneider Hammer gemacht. Und abends bediente sie im Gasthaus der "Frankenbräu". Das waren zwei Berufe gleichzeitig, damit Geld reinkam für das Haus im Neubaugebiet in der Beethovenstraße.

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