Wer in Main-Spessart einen gemütlichen Einkaufsbummel machen möchte, hat die Qual der Wahl: Schlendere ich durch die verwinkelten Gassen von Arnstein, die malerische Altstadt Gemündens, an der Marktheidenfelder Mainpromenade Richtung Innenstadt, durch die quirlige Fußgängerzone von Lohr oder spaziere ich umgeben von altem Fachwerk, Türmen und Toren durch Karlstadt? Schon allein durch ihre Kulissen haben Main-Spessarts Innenstädte viel Potenzial.
Trotzdem haben die Kleinzentren seit Jahren zu kämpfen. Durch die Krisen der vergangenen Jahre ist der Konsum gebremst und hat sich verändert, immer wieder stehen Geschäftsräume leer. Jede Stadt hat Strategien entwickelt, dem entgegenzuwirken. Inwiefern aber könnte der Einzelhandel landkreisweit profitieren? Welche Ideen und Ansätze gibt es?
Um darüber zu reden, sind die Mitglieder des Handelsverbands Bayern (HBE) Angelika Winkler, Burkhard Heimbach, Martin Krause und Bezirksgeschäftsführer Volker Wedde auf Einladung dieser Redaktion in die Markthalle in Lohr gekommen. Ihr Fazit: Der Blick in die Vergangenheit und der Blick nach vorne machen Mut. Sieben Ideen, was Main-Spessarts Innenstädten guttun könnte:
1. Mehr Experimentierfreude: Zum Beispiel mit einem Gewächshaus für Ladenkonzepte
"Kleinzentren müssen kreativer sein als Großzentren", sagt Wedde. Wer in einer Kleinstadt einkaufe, erwarte keine großen Ketten oder Marken, sondern eher den Überraschungsmoment. Hier könnten die Städte ruhig experimentierfreudig sein. Dass das funktioniert, zeige sich im hessischen Hanau: Die Stadt hat in einem früheren Schuhgeschäft einen sogenannten Experimentierraum eingerichtet, sozusagen ein Gewächshaus für Ladenkonzepte. Monatsweise können hier Start-ups, kleine Labels, Künstler, Designer sowie Menschen, die bisher ausschließlich im Onlinehandel tätig waren, ihre Waren und Dienstleistungen präsentieren. Bei Erfolg können die Pop-up-Stores in ein eigenes Ladenlokal "umgetopft werden". Das Konzept der Lohrer Markthalle geht schon in diese Richtung. Auch in Karlstadt werde über die "Markthallen-Idee" geredet, so Krause. Ein geeigneter Ort könnte das ehemalige Turmkaufhaus sein.

2. Mehr Austausch: Zum Beispiel mit gemeinsamen Aktionen wie dem Maingutschein
Citymanager und Werbegemeinschaften im Landkreis stehen im Austausch und machen auch gemeinsame Sache, so zum Beispiel bei der Unterstützung von Maingutschein, einem Portal, deren Gutscheine ausschließlich im Landkreis Main-Spessart eingelöst werden können, erläutert Angelika Winkler, Vorsitzende der Lohrer Werbegemeinschaft. Wichtig sei aber auch, das Stadtmarketing als Zukunftsaufgabe zu verstehen und zumindest teilweise zu professionalisieren, betont Volker Wedde. "In rein ehrenamtlichen Werbegemeinschaften passiert sehr viel Gutes, aber die Aufgaben haben zugenommen und sind komplexer geworden, sodass nicht mehr alles über diesen Weg zu stemmen ist." Gut findet die Runde die Idee, jemanden einzusetzen, der hauptamtlich die Fäden in Sachen Marketing und Einzelhandelsförderung für ganz Main-Spessart in der Hand hielte.
3. Wettbewerb als Chance sehen
Profitiert eine Einkaufsstadt Karlstadt von einem stark frequentierten Lohr? "Nein", sagt Martin Krause, Vorsitzender des Gewerbe- und Tourismusvereins Karlstadt und Inhaber mehrerer Modegeschäfte in Karlstadt. Die Städte stünden ganz klar auch im Wettbewerb. Allerdings sieht er das als Chance, denn: "Im Wettbewerb wird man besser".

4. Mehr Aufenthaltsqualität schaffen: Spielflächen, Grünanlagen oder Wasserbereiche
Neben dem Besuch der einzelnen Geschäfte und der heimischen Gastronomie gehe es immer mehr um das gesamte Einkaufs-Erlebnis in der jeweiligen Stadt, sagt der HBE-Bezirksgeschäftsführer. Dazu gehören im Sommer auch Orte zur Abkühlung und Spielflächen. "Damit können kleine Städte punkten", so Wedde. Seit der Corona-Krise schätzen die Menschen auch die kurzen Wege wieder mehr. Gar nicht selbstverständlich, in Main-Spessart aber unproblematisch, seien die Themen Sauberkeit und Sicherheit. "Das sehen wir aber oft gar nicht mehr", so Krause. Andere Städte hätten mit dem Thema sehr zu kämpfen.

5. Mehr Informationen im Internet: Damit der lokale Handel sichtbar und auffindbar ist
Ältere Menschen kaufen stationär, jüngere im Netz? Diese Annahme stimmt nicht mehr, ist sich die Gruppe einig. "Menschen aller Altersgruppen informieren sich heute im Internet und kaufen dann vor Ort ein", so Volker Wedde. Selbstverständlich sei deshalb, dass die Geschäfte digital auffindbar sein müssen – was aber nicht heißt, dass sie auch einen Online-Shop haben müssen. Diesen neben dem Geschäft zu stemmen, sei für ein mittelständisches Unternehmen fast nicht machbar, so Krause. "Wir haben ein digitales Schaufenster probiert und wieder aufgegeben", so der Geschäftsinhaber.
6. Mehr Anschubprogramme: Und weniger von "Leerstandsmanagement" reden
Leerstand gab es schon immer, verläuft meist in Wellenbewegungen und darf nicht überbewertet werden, so die Meinung von Heimbach. Er warnt auch vor der häufigen Nutzung von Begriffen wie "Leerstandsmanagement". "Das suggeriert, dass nichts mehr da ist." Gut findet er alle Anschub-Programme wie "Dein Hädefeld" oder die "Lohrer Starthilfe". Über Letztere habe man sieben Leerstände in Lohr wiederbeleben können, berichtet Angelika Winkler. Nach dem Erfolg habe sich die Stadt entschieden, das Projekt aus eigenen kommunalen Mitteln weiterzuführen.
7. Mehr Gelassenheit:
Gegen Zukunftssorgen hilft oft ein Blick in die Vergangenheit: Was hat man früher befürchtet? Und ist das auch eingetreten? Burkhard Heimbach ist Vorsitzender des HBE Main-Spessart und Inhaber von Farben und Raumgestaltung Heimbach in Lohr. Außerdem ist er seit 1982 in Lohr im Einzelhandel tätig. Er erinnert sich: "Damals gab es zwar eine Werbegemeinschaft, aber keine gemeinsame Werbung. Die Discounter und Großflächenmärkte drängten an die Peripherie. Gemeinsames Ziel war es, das 'Kleinod' Innenstadt zu erhalten." Das sei gelungen, das "Kleinod" ist geblieben. "Trotz aller Meinungen, dass Geschäfte in der Innenstadt einer Kleinstadt keine Überlebenschance hätten."