Was wird aus den Kreisseniorenzentren in Marktheidenfeld und Gemünden? Der Kreistag sprach sich zuletzt dafür aus, eine Übernahme der Heime durch die Heroldstiftung zu verhandeln. Dazu wurden schnell unterschiedliche Stimmen laut, die Redaktion erreichten Stellungnahmen und offene Briefe. Nun äußert sich Geschäftsführer Dieter Reichert, was eine Übernahme für die Heroldstiftung bedeuten würde.
Frage: Herr Reichert, was sagen Sie zu dem Vorwurf, der Landkreis ziehe sich aus der Verantwortung gegenüber seinen älteren Bürgerinnen und Bürgern?
Dieter Reichert: Aus meiner Sicht ist das Gegenteil der Fall. Der Landkreis stellt sich seiner Verantwortung in besonderem Maße, schließlich ist die Altenpflege keine gesetzliche Pflichtaufgabe eines Landkreises. Ziel ist es, die Altenpflege in Main-Spessart durch die Übertragung der Heime an die Heroldstiftung langfristig zu sichern, unter dem Dach der Stiftung zu konzentrieren und optimieren.
Und zu dem Vorwurf, dass der Stifterwille nur den Altlandkreis Karlstadt und Ochsenfurt umfasst, nicht aber den ganzen Landkreis Main-Spessart?
Reichert: Der Wille des Stifterehepaares war es, möglichst viele Seniorinnen und Senioren zu unterstützen. Theoretisch könnten Personen aus ganz Deutschland im Heim der Heroldstiftung aufgenommen werden. Zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung gab es einen Landkreis Karlstadt und einen Landkreis Ochsenfurt, beide gibt es in dieser Form nicht mehr. Deshalb wurde die Satzung angepasst. Der Landkreis Main-Spessart ist Rechtsnachfolger des Landkreises Karlstadt und deshalb seit dem Jahr 2021 in der Stiftungssatzung verankert. Die Betreuung pflegebedürftiger Personen im Raum Marktheidenfeld und Gemünden ist damit satzungskonform. Bei der genannten Satzungsänderung wurde auch – dem Stifterwillen entsprechend – der Altlandkreis Ochsenfurt (zuvor: Landkreis Ochsenfurt) nochmal speziell erwähnt. Tatsächlich wohnen seit geraumer Zeit keine Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Altlandkreis Ochsenfurt im Karlstadter Seniorenheim. Im Raum Ochsenfurt gibt es ausreichend andere Angebote.

Welche Vorteile sehen Sie für die Heroldstiftung in der Übernahme der Kreisseniorenzentren?
Reichert: Ich sehe mehrere Vorteile. Zum einen stiege das Stiftungsvermögen durch Übertragung der Liegenschaften deutlich an. Zum anderen erhöht sich die Rentabilität durch naheliegende Synergie-Effekte: Eine Verwaltung könnte mehrere Einrichtungen betreuen, auch die neue Küche in Karlstadt könnte durch die Versorgung mehrerer Einrichtungen Auslastung und Wirtschaftlichkeit steigern. Zudem wären wir mit drei Standorten ein attraktiver Arbeitgeber für Pflegekräfte. Gegebenenfalls wäre es auch möglich, das Personal in den Einrichtungen etwas flexibler einzusetzen oder personelle Ausfälle intern leichter zu kompensieren – aber das wird sich zeigen, das ist noch Zukunftsmusik.
Welche Risiken könnten sich aus der Übernahme für die Stiftung ergeben?
Reichert: Die drei Seniorenzentren erwirtschaften alle eine rote bis schwarze Null. Unsere großen Themen sind Fachkräftemangel und Wirtschaftlichkeit. Beide Themen werden nicht verschwinden, aber ich sehe durch die dargestellten Synergieeffekte eher positive Auswirkungen als steigende Risiken.
Dürfte die Stiftung überhaupt Verluste machen oder in die Insolvenz gehen?
Reichert: Eine Stiftung hat ja mehrere Bereiche. Da ist einerseits der Zweckbetrieb, das Altenpflegeheim, andererseits der Vermögensbereich, sprich die Anlage von Geldvermögen oder die Vermietung und Verpachtung von Wohnraum. Außerdem erhalten wir Spenden. Natürlich kann es in einem Jahr vorkommen, dass das Altenpflegeheim Verlust macht. Dann werden Gewinne aus dem Vermögensbereich zum Ausgleich herangezogen. Die Regierung von Unterfranken wacht als oberstes Aufsichtsorgan darüber, dass die Stiftung nicht in finanzielle Schieflage gerät.

Könnten sich die Seniorenzentren unter der Trägerschaft der Stiftung gegenseitig finanziell negativ beeinflussen?
Reichert: Die Stiftung kann man sich wie in der Privatwirtschaft als Holding vorstellen, nach der Übernahme dann eben mit drei Zweckbetrieben. Darüber steht die Stiftung mit ihrer Vermögensverwaltung. Das sind strikt voneinander getrennte Buchführungskreise. Sie beeinflussen sich also weder positiv noch negativ. Ich könnte hier nicht von Seniorenzentrum A etwas zu B verschieben, wenn es Gewinn oder Verlust macht. Nur von der Stiftung kann aus der Vermögensverwaltung Geld an die einzelnen Einrichtungen zur Unterstützung des Stiftungszweckes fließen. Eine andere Flussrichtung von Geld ist nicht möglich. Erwirtschaftet ein Zweckbetrieb einen Gewinn – was eigentlich nicht vorgesehen ist und nur selten vorkommt – verbleibt dieser Gewinn im Betrieb.
Das heißt, auch die Stiftung könnte durch die Übernahme der Seniorenzentren nicht in Schieflage kommen?
Reichert: Wie schon gesagt: Zunächst mal erhöhen die Einrichtungen das Stiftungsvermögen erheblich. Zudem schreiben die drei Einrichtungen seit Jahren eine rote oder schwarze Null. Prinzipiell muss eine Stiftung immer aufpassen, dass sie ihren Stiftungszweck nicht zu sehr ausdehnt, und nicht in eine Verlustsituation kommt.
...weil eine Stiftung auf lange Sicht bestehen bleiben muss.
Reichert: Eine Stiftung unterliegt dem Ewigkeitsgebot, ja. Sie müsste, wenn ein Betrieb stark defizitär ist und die Existenz der Stiftung gefährden würde, diesen gegebenenfalls schließen. Das ist aber ein rein hypothetisches Beispiel wie der Zusammenhang zwischen Stiftung und Zweckbetrieb funktioniert und hat mit der Lage der drei Heime nichts zu tun.
In Gemünden und Marktheidenfeld stehen Neubauten ins Haus, in Karlstadt läuft der Neubau gerade. Inwieweit wird sich die Zahl der Pflegeplätze dadurch verändern?
Reichert: Die Zahl der Pflegeplätze ist ja eher ein theoretischer Wert. Aufgrund von Personalmangel können die Einrichtungen derzeit gar nicht ausgelastet werden. Die Neubauten werden nach den mir vorliegenden Unterlagen weniger Pflegeplätze haben als die jetzigen. Man wird im vollstationären Bereich kleiner bauen, aber dafür auch den Bereich der teilstationären Angebote wie Tagespflege und Betreutes Wohnen stärker ausbauen. Die Altenpflege diversifiziert sich.

Ist es möglich, dass sich durch die Neubauten beim Heimbeitrag etwas verändert?
Reichert: Die Neubauten sind wie die Heime strikt getrennt. Wenn Bewohner, die jetzt zum Beispiel in Gemünden wohnen, in den Neubau ziehen, dann ändern sich die Investitionskostensätze. Das muss aber keine Erhöhung sein, weil ich erst einmal die Förderungen von meinen Kosten abziehen muss und nur den Rest auf die Bewohner umlegen darf. Es ist also nicht gesagt, dass ein neues Zimmer unbedingt teurer ist.
Welche Schritte stehen nun an bis zur fraglichen Übernahme, gibt es bereits eine Art Zeitplan?
Reichert: Zuerst muss geklärt werden, ob die Fördermittel, die dem Landkreis für die Neubauten bewilligt wurden, auf die Stiftung übertragen werden können. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Falls das der Fall ist, werden die Bedingungen ausgehandelt, zu welchen die Heroldstiftung die Heime vom Landkreis übernimmt – ohne dass sich dies negativ auf die Stiftung einerseits, die Senioreneinrichtungen des Landkreises andererseits, auswirkt. In Bezug auf die Bedingungen geht es zum Beispiel um Grundstücksbewertungen und Schulden oder darum, welche Kosten im Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung der Landkreis übernimmt.
Sicherlich wird auch noch intensiver über das Stichwort Gewährträgerschaft gesprochen. Was umfasst dieses Konzept?
Reichert: Die Gewährträgerschaft ist eine Sicherstellung des Landkreises, dass der Kreis im Fall einer wirtschaftlichen Schieflage der Heroldstiftung einen Ausgleich schafft oder diesen Verlust aus den Betriebskosten übernimmt. Alles, was in der Stiftung drin ist, gehört dann auch dazu. Wenn das nicht so klar hervorgehen sollte, müsste man den Gewährträgerschaftsvertrag um die beiden zusätzlichen Häuser ergänzen. Was jetzt noch zum Ausgleich der Betriebskosten dazukäme, wäre der Liquiditätsausgleich in der Anfangszeit. Das liegt daran, dass während dem Bau der Einrichtungen die Heroldstiftung in finanzielle Vorleistung gehen muss, bis nach dem Bau diese Auslagen über die Heimentgelte wieder zurückfließen. Das ist jedoch alles Sache der Verhandlungen, die wir für die Übergabe mit dem Landkreis führen müssen.
Transparenzhinweis der RedaktionDas Interview wurde von der Redaktion – wie es die Regel bei Wortlaut-Interviews ist – Dieter Reichert zur Freigabe vorgelegt. Dieses Vorgehen ist üblich, weil das Gespräch gekürzt, zusammengefasst, sprachlich geschliffen werden muss. In diesem Fall hielt der Interviewpartner, Dieter Reichert, für die Freigabe Rücksprache mit der Landrätin und Vorstandsvorsitzenden der Heroldstiftung, Sabine Sitter. Dabei wurde der Termin der Freigabe nicht eingehalten und ungewöhnlich lange verzögert. Nach dieser Freigabeschleife erhielt die Redaktion für einige Antworten eine überarbeitete Version. Teils wurden komplizierte Sachverhalte, wie etwa die Frage zum Stifterwillen, präzisiert. Teils wurden aber Stellen, an denen es um Konkretes ging, abgeschwächt – etwa in Bezug auf die auszuhandelnden Bedingungen. Nach erneuter Rücksprache mit Reichert sind wir bei den abgeschwächten Punkten zur Originalversion zurückgekehrt.Quelle: gop