Johann Adam Hasenstab (1718-1773), der Erzwilderer des Spessarts, stammte aus Rothenbuch, dem damaligen Hauptort des Kurmainzer Spessarts. Seine Vorfahren standen als Jäger und Waldarbeiter im Dienste der Mainzer Kurfürsten. Auch Hasenstab stieg in diese Jagdhierarchie ein. Er wurde Jagdgehilfe, Pürschknecht und betreute die kurfürstlichen Jagdhunde.
Doch was ist der Grund, dass heute, 250 Jahre nach seinem Tod, noch jedes Kind im Spessart seinen Namen kennt? Den Namen eines Gesetzesbrechers, dem zu Ehren ein Buch erschienen ist, über den das Bayerische Fernsehen berichtet, dem man in Breitenbrunn einen Grabstein und in Rothenbuch ein Denkmal gesetzt hat!

Dass er einst als Wilddieb enden würde, ist dem Johann Adam Hasenstab an der Wiege nicht gesungen worden. Er stammte aus einem gesetzestreuen Rothenbücher Förstergeschlecht. Nach dem Tod des Vaters, bei dem er das Jägerhandwerk gelernt hatte, wäre er gern dessen Nachfolger im kurmainzischen Dienst geworden. Wir wissen nicht, warum er abgelehnt wurde.

Eine Anstellung wäre für ihn umso notwendiger gewesen, weil er inzwischen ein Mädchen aus Wintersbach geheiratet hatte. In seiner Armut wusste er sich schließlich keinen anderen Ausweg, als das zu tun, was er beim Vater gelernt hatte, nämlich auf die Jagd zu gehen, – wenn auch außerhalb des gesetzlichen Rahmens.
Der Jäger Matthes Sator ist ihm jedoch bald auf die Schliche gekommen und hat dafür gesorgt, dass der Nichtsnutz ins Mainzer Zuchthaus gesteckt wird. Nach seiner Entlassung hat er das Wildern wieder aufgenommen, dreister als je zuvor. In allen Revieren des Südspessarts hat er dem Wildpret nachgestellt, in Krausenbach, in Altenbuch und in Bischbrunn, – und alle kurmainzer Jäger waren hinter ihm her. Als ihm der Boden zu heiß wurde, ist er mit Weib und Kind in die Grafschaft Wertheim ausgewichen.
Hasenstab griff zum Gewehr
Die Grafen von Wertheim sahen in ihm zunächst keinen Wilderer, sondern einen gelernten Jäger und machten ihm wohl auch Hoffnung auf eine feste Anstellung. Einstweilen beschäftigten sie ihn als unbezahlten Jagdgehilfen. Wovon sollte er leben? Er griff zum Gewehr, aber nicht im Wertheimischen, das würde seine Anstellung gefährden, sondern im Kurmainzischen, im Bischbrunner Forst. Alsbald verlangte der zuständige Revierjäger Matthes Sator von den Grafen seine Auslieferung. So musste Hasenstab die Grafschaft wieder verlassen, wo er wohl die ruhigste Zeit seines gehetzten Lebens verbracht hatte.

Er kehrte in den Spessart zurück und die Hatz begann aufs Neue. Immer wieder wurde er von den Jägern eingekesselt, immer wieder gelang ihm die Flucht. Diese Fluchten aus auswegloser Lage waren es, die den Hasenstab bei den Untertanen beliebt machten, mehr noch als seine freche Wilderei. In seiner Wilderei sahen sie ohnehin kein Verbrechen, sondern den Schutz ihrer Felder vor Wildschäden. Und als die Regierung ein Kopfgeld in Höhe von 30 Reichstalern auf ihn aussetzte, wollte keiner der Untertanen den Judaslohn verdienen.
Die Obrigkeit musste zu schärferen Mitteln greifen: sie erklärte ihn für vogelfrei. „Vogelfrei“ heißt „Feuer frei“, falls er sich mit Gewehr in der Wildbahn sehen lässt. Dieser Fall lässt nicht lange auf sich warten. Der Vogelfreie wird gestellt, aber er ergibt sich nicht. Es kommt zum Feuergefecht, Hasenstab wird verwundet und festgenommen.
Als die Verwundung auskuriert ist, wird er zu Zwangsarbeit verurteilt, abzudienen in der Hauptstadt Mainz. Zusammen mit anderen Sträflingen muss er, an den Schubkarren gekettet, im Vorfeld der Festung Schanzen aufwerfen. Auf dem Wall steht die Schildwache, Gewehr bei Fuß, und passt auf, dass keiner entwischt. Fünf lange Jahre hat er den Schubkarren geschoben, bis er schließlich einen Wachtposten überreden konnte, ihm die Ketten aufzuschließen.
Jahre der Zwangsarbeit in Mainz
Die Jahre der Zwangsarbeit haben ihn nicht gebrochen. Daheim im Spessart greift er sein gewohntes Handwerk wieder auf. Aus dieser Zeit wissen wir wenig, seine Spur verliert sich für länger als ein Jahrzehnt. Es fehlt jede aktenkundige Erwähnung. Wahrscheinlich war er im Zuchthaus gesessen, denn Hasenstab taucht erst wieder auf, als die Holländer daran gingen, ihre neu gewonnene Kolonie in Australien, Neuholland genannt, zu besiedeln und zu diesem Zweck auch in den deutschen Zuchthäusern nach geeigneten Sträflingen fragten. Kurmainz war bereit, da bei ihm keine Besserung zu erwarten war, ihn den Holländern zu überlassen.
Hasenstab in Australien, – das überfordert die Vorstellungskraft gar manchen Lesers! Und doch: von allen seinen Abenteuern ist dies das einzige, das sich aktenmäßig überprüfen lässt! Am 27. Oktober 1772 hat nämlich die Regierung verkündet: „dass der nach geleisteter Urfehde der kurfürstlichen Lande verwiesene und nach Neuholland fortgebrachte Wilderer Hasenstab sich wieder in dasigen Gegenden verspüren lasse.“ Deutlicher kann man Verbannng und Wiederkehr nicht ausdrücken!
Lange treibt der Heimkehrer sein Unwesen nicht mehr. Als er im Sommer des Jahres 1773 im Kropfbachtal pirscht, ist er dem Bischbrünner Jäger Johann Sator, dem Sohn seines alten Feindes Matthes Sator, geradewegs ins Gewehr gelaufen. Der Jäger Johann Sator ist es auch gewesen, der für seine Tat, die „Erlegung des Wilderers Hasenstab“, das ausgesetzte Kopfgeld eingestrichen hat.

Die Einzelheiten dieses berühmtesten Zweikampfes auf Spessarter Boden wissen wir nicht. Mehr ist nicht bekannt, als was der Pfarrer von Stadtprozelten in sein Kirchenbuch eingetragen hat. Dort steht, wörtlich aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt: „Am 3. Juni 1773 ist verstorben und im Breitenbrunner Friedhof begraben worden Johann Adam Hasenstab, der diebische Wildschütz, von den Jägern unseres allerhöchsten und allergnädigsten Kurfürsten im Spessartwald mit der Kugel durchbohrt.“
Unterhaltsamer als die trockenen Akten lesen sich Sagen und Geschichten, wie sie seinerzeit von den Spessartern im Wirtshaus erzählt worden sind und die allesamt von seinen waghalsigen Fluchten handeln, so zum Beispiel, wie er sich in der Schreckenmühle als Müllersknecht verkleidet hat. Die Begebenheit soll sich folgendermaßen ereignet haben:
Hasenstab entwischt den Soldaten
Die Soldaten hatten sichere Kunde, dass der Hasenstab in der Schreckenmühle steckt. Um ihn zu überraschen, steigen sie unten an der Holländerbrücke vom Pferd, schleichen sich zu Fuß an, pflanzen das Bajonett auf und stürmen die Mühle: “Heraus mit dem Wilbertsknupper!” Seelenruhig, so wird erzählt, tritt Hasenstab als Knecht verkleidet aus der Haustür, einen Sack Mehl über der Achsel und wirft ihn auf den Wagen, der zum Mehl ausfahren bereit steht. Während er die Pferde vorspannt, durchsuchen die Soldaten die Mühle, durchwühlen die Scheune, durchkämmen den Stall, – und finden nichts!
„Er muss im Mehlsack stecken“, so die Soldaten. Sie hasten zum Wagen und hauen und stechen mit dem Bajonett in die Säcke, dass das Mehl nur so herausläuft. Bevor sie ihm seine Säcke völlig aufschlitzten, redet ihnen der Knecht gut zu: “Wenn ihr mitfahren wollt, – aufsitzen!” Die Soldaten steigen zu ihm aufs Fuhrwerk und lassen sich ein Stück weit fahren, bis zur Holländerbrücke, wo sie ihre Pferde stehen haben. Während sie absitzen, fährt der Knecht weiter und ruft ihnen über die Schulter nach: “Ich glaube nicht, dass sich der Hasenstab in den Sack stecken lässt!
Zum Autor: Heinz Staudinger war als Forstmann an mehreren Spessartforstämtern tätig, zuletzt als Leiter des Forstamtes Lohr. Am Forstamt Rothenbuch hat er am Holzhauerfeuer den Erzählungen der Waldarbeiter über ihren Helden Hasenstab gelauscht, am Forstamt Bischbrunn hat er die Erinnerung an den Hasenstab-Erleger Johann Sator noch lebendig gefunden, was ihn angeregt hat, das Gehörte aufzuschreiben, bevor es in Vergessenheit gerät.
Literatur: „Des Spessarts Erzwilddieb Johann Adam Hasenstab“ von Heinz Staudinger

HasenstabwegDer Wanderweg führt zu den Orten des „Wirkens“ dieses berüchtigten Wilderers Johann Adam Hasenstab. Er beginnt an seinem Geburtsort Rothenbuch und führt zunächst zum ehemaligen Kurmainzer Gestüt Lichtenau und der Waldschänke zum Hohen Knuck im Hafenlohrtal. Über das im Weihersgrund gelegene Forsthaus Sylvan führt die Strecke nach Schollbrunn und weiter nach Hundsrückhof, Wildensee, Heppe, Dammbach, Echterspfahl, Weibersbrunn über Breitsee zurück nach Rothenbuch. Der Rundweg ist zirka 68 Kilometer lang und wer ihn vollständig läuft, hat 1653 Höhenmeter bewältigt. Der Rundweg gilt daher als schwer. Quelle: Naturpark Spessart