Sie wollen alle einmal einen Jungen heiraten, den sie vorher selbst gut kennengelernt haben. Dass ihre Ehe einmal von Verwandten arrangiert wird, das können sie sich nicht vorstellen. Das sei früher so gewesen, aber in die heutige Zeit passe das nicht mehr. Da sind sich sieben türkischen Mädchen im Alter von zehn bis 14 Jahren einig. Einig sind sie sich anscheinend in allen Dingen: Öznur Canl? (12), Gamze Canli (14), Esra Demirci (12), Ümran Karakas (13), Gözde Gülkanat (10), Sema Dokkal (13) und Gamze Dogru (12) nicken oft zustimmend, wenn eine von ihnen spricht. Als es jedoch an die Auswahl des Bildes geht, das von ihnen in der Zeitung erscheinen soll, hilft nur noch eine knallharte demokratische Abstimmung zwischen den beiden Favoritenfotos, die schließlich vier zu zwei ausgeht.
Von der Mädchenclique besuchen zwei das Gymnasium. Im Gespräch sind sie klar die Wortführerinnen. Eine geht an die Realschule und vier in die Hauptschule – davon zwei in die M-Klasse. Über die Schule haben sie sich also nicht kennengelernt. Vielmehr wohnen sie in der Nähe oder haben über ihre Eltern Kontakt zueinander gefunden.
Treffpunkt in der Moschee
Sie treffen sich jeden Tag, ziehen durch die Straßen, gehen mal Eis essen, mal an den Main und oft zur grünen Ditib-Moschee. Dort können sie einen Raum nutzen, in dem sie gelegentlich auch kochen, Spaghetti zum Beispiel, und essen.
Samstags und sonntags lesen sie an den Vormittagen dort auch den Koran. Als gläubig bezeichnen sie sich alle, aber nicht so streng wie die Anhänger der Süleyman-Moschee mit dem Minarett. „Wir sind gechillter“, formuliert es Ümran Karakas. Auf einer Frömmigkeits-Skala von 1 bis 10 würden sie sich bei 8 (gut gläubig) einordnen, die von der anderen Moschee dagegen bei 10 (streng gläubig). Die Regeln des Islam spielen eine wichtige Rolle: „Wir denken erst darüber nach, ob es okay ist, was wir tun“, umschreibt es eine von ihnen. Ein Kopftuch wollen sie alle nicht tragen, zumindest jetzt nicht, vielleicht einmal später, aber das wissen sie jetzt noch nicht so genau.
Deutsche Freundinnen haben sie alle – durch die Schule oder auch durchs Internet. Doch gibt es da Grenzen, sind die Interessen oft unterschiedlich. Einmal seien drei deutsche Freundinnen bei einer von ihnen auf Geburtstag gewesen und hätten sich gelangweilt. „Während wir getanzt haben, saßen sie nur da.“ So etwa könne die Stimmung schon trüben.
Atze finden sie eher ätzend
Wenn die deutschen Freundinnen Atze hören, kann das umgekehrt den Türkinnen die Laune verderben. Sie stehen auf Hip Hop und türkische Popmusik. Und sie lieben das Tanzen – auch hier wieder Hip Hop oder türkische Tänze wie den Reihentanz Halay oder den Partnertanz Kolbasti. Gelernt haben sie diese Tänze auf Hochzeiten oder aus dem Internet.
Wenn sich die türkische Mädchen-Clique in der Moschee oder bei einer Freundin zum DVD-Abend trifft, sind sie genauso unter sich wie beim Kochen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ihnen gelegentlich Sätze auf Türkisch rausrutschen. Sie finden es übrigens auch doof, dass in der Pausenhof kein Türkisch gesprochen werden darf. Dass Deutsche das Gefühl haben könnten, hier will jemand hinter meinem Rücken über mich sprechen, können sie nicht nachvollziehen. Es sei keine Absicht, wenn einem gelegentlich Türkisch so rausflutscht. Am besten fänden sie es, wenn auch Deutsche Türkisch lernen würden.
In welcher Sprache sie träumen? Das hänge von der Situation ab. Meist sei es auf Türkisch. Doch wenn um Beispiel der Traum im Schulunterricht spielt, dann werde schon Deutsch gesprochen.
Obwohl sie die dritte Generation in Deutschland sind, tun sich die türkischen Mädchen mit Deutsch bei den Details noch schwer. „Ich muss oft noch überlegen bei den Artikeln der, die, das“, nennt eine von ihnen als Beispiel. Umgekehrt verstünden sie in türkischen Büchern nicht alles, da sich das Türkisch auf den familiären Hausgebrauch beschränkt.
Als ihre wirkliche Heimat empfinden sie nach wie vor die Türkei. Bei einem Fußballspiel zum Beispiel würden sie für die Türkei jubeln.
Mit einem Jungen etwas zu machen, sei kein Problem – zum Beispiel ein Referat für die Schule. Es könnte auch ein deutscher Junge sein. Doch geschieht so ein Treffen dann im öffentlichen Raum, etwa in der Schule. Zu Hause wäre es kaum denkbar. Zu oft mit demselben Jungen zusammen zu sein, das wäre eher unangenehm. Dann würde es wahrscheinlich heißen: „Bist wohl verliebt?“
Man muss mit ihm reden können
Was muss der Junge für eine spätere Hochzeit mitbringen? „Style“, rutscht es einer spontan heraus. Gutes aussehen sei schon wichtig, aber es sei nicht das Wichtigste, ergänzt eine Freundin. Beispielsweise müsse man alles mit ihm bereden können. Und ein Stubenhocker dürfe es auch nicht sein. Ganz klar steht fest: Er muss Muslim sein oder zum Islam konvertieren, damit er die Denkweise seiner Braut versteht. Ob der Junge aus Deutschland kommt oder der Türkei, spiele dabei keine Rolle. Auch im Urlaub könne man sich gut kennen lernen.
Und was könne am Verhältnis zwischen Deutschen und Türken verbessert werden? Beide sollten einsehen, dass sie mit den anderen leben. Manche Deutsche würden Türken immer noch blöd anmachen nach dem Motto: „Was wollt ihr hier?“ Umgekehrt sollten vor allem türkische Jungs nicht so viel Blödsinn machen, sich nicht so aufführen.