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Wird der Spargel zum Luxusgut?

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Wird der Spargel zum Luxusgut?

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    Der Schönartser Direktvermarkter Josef Schnackig (links) erntet mit seinen polnischen Helfern den frischen Spargel im Werntal.
    Der Schönartser Direktvermarkter Josef Schnackig (links) erntet mit seinen polnischen Helfern den frischen Spargel im Werntal. Foto: FOTO PETER KALLENBACH

    "Der heimische Spargel könnte bald zum unbezahlbaren Edelgemüse werden", sagt denn auch Karin Alzinger, Sozialreferentin des Bayerischen Bauernverbandes in München. Wer seine Beiträge korrekt nach Polen abführen will, muss in Warschau eigens eine Umsatzsteueridentifikationsnummer beantragen und dann für jedem Euro ausbezahlten Lohn runde 48 Cent Sozialabgaben nach Polen überweisen. Weigert sich ein Landwirt, kann die polnische Sozialkasse die Beträge selbst per Zwangsvollstreckung eintreiben - mit Gerichtsstand in Warschau.

    Der Hintergrund: Durch den EU-Beitritt Polens im vergangenen Jahr wurde das bisherige deutsch-polnische Sozialabkommen Makulatur und es greift die EU-Verordnung 1408/71. Darin ist schon 1971 festgelegt worden, dass eine Person, die in ihrem EU-Heimatland gesetzlich sozialversichert ist, auch bei einer vorübergehenden Arbeitsaufnahme in einem anderen EU-Staat der Sozialversicherungspflicht des Heimatlandes unterliegt.

    48 Prozent Plus bei Lohnkosten

    Konkret kämen damit zu jedem Euro Nettolohn eines polnischen Erntehelfers noch 20,64 Cent Arbeitgeber- und 27,21 Cent Arbeitnehmeranteil für die polnische Sozialversicherung hinzu. In der Summe ist das ein Plus von fast 48 Prozent.

    "Eine solche Lohnkostensteigerung kann kein Betrieb verkraften", sagt Alzinger und rät daher den Landwirten, die 27,21 Prozent Arbeitnehmeranteil vom Lohn einzubehalten. Weil viele Polen die Neuregelung jedoch auch noch nicht kennen, dürfte das zu erheblicher Verärgerung führen, wenn die Arbeitskräfte mit einem Schlag über ein Viertel ihres deutschen Tariflohns von 5,10 Euro die Stunde verlieren.

    Immerhin stehen die Erntehelfer bei jedem Wetter früh ab 6 Uhr auf den Feldern, in der Hochsaison zehn Stunden am Tag und länger, sieben Tage die Woche. "Deutsche Arbeitskräfte sind dafür nur sehr schwer zu bekommen", sind sich Gold und Schnackig einig. Vor allem durch ihren Fleiß und ihre Zuverlässigkeit überzeugen die polnischen Arbeitskräfte. Diese wiederum sind auch deshalb hoch motiviert, weil sie in ihrem Heimatland oft nur den Mindestlohn von 1,10 Euro bekommen - wenn sie bei über 20 Prozent Arbeitslosigkeit überhaupt einen Job finden.

    Besonders kompliziert wird die ganze Gesetzeslage noch dadurch, dass polnischen Erntehelfer in ihrer Heimat nicht versichert werden, wenn es sich bei ihnen um Selbstständige (nicht Landwirte), Schüler, Studenten, Rentner, Hausfrauen oder Arbeitslose handelt. Hier greift dann wieder die deutsche Sozialgesetzgebung.

    Deutsche schnell arbeitsunfähig

    Trotz aller Widrigkeiten hält jedoch Gold ebenso wie Schnackig an den bewährten Kräften aus Polen fest. Zu schlecht waren in der Vergangenheit die Erfahrungen mit den Alternativen. Unter der Regierung Kohl seien ihm seinerzeit vom Arbeitsamt 50 Leute geschickt worden, weil damals zuerst deutsche Arbeitskräfte eingesetzt werden sollten, berichtet Herbert Gold.

    Kaum einer davon sei je auf den Feldern angekommen, die restlichen hätten sich schnell per Arbeitsunfähigkeitsbescheinung verabschiedet, wodurch Gold damals große Probleme hatte, seine Spargelernte in die Supermärkte zu bringen.

    Verlagerung nach Osten?

    So sieht dies auch Jürgen König, der stellvertretende Leiter der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit und soziale Sicherung (Arge) Main-Spessart in Karlstadt. Er berichtet von Arbeitsamtsbezirken, wo man sogar Trainingsmaßnahmen fürs Spargelstechen in der Halle organisiert habe. "Das hat sich alles nicht bewährt", sagt König. In der Landwirtschaft überhaupt kein Thema sind die Ein-Euro-Jobs für Arbeitslose. Denn diese müssen zusätzlich und im öffentlichen Interesse sein.

    Schnackig sieht jedoch die Gefahr, dass sich durch die erhöhten Lohnkosten der gesamte Gemüseanbau nach Osten verlagern könnte, wo es auch weniger Auflagen beim Pflanzenschutz gebe. Gold zumindest ist diesen Schritt längst gegangen und bewirtschaftet neben den 75 Hektar in Karlburg auch noch 230 Hektar in der Nähe von Breslau.

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