Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten

Main-Spessart: Wo steht Main-Spessart in Sachen Klimaschutz, Herr Kohlbrecher?

Main-Spessart

Wo steht Main-Spessart in Sachen Klimaschutz, Herr Kohlbrecher?

    • |
    • |
    Michael Kohlbrecher ist der Klimaschutzbeaftragte des Landkreis Main-Spessart.
    Michael Kohlbrecher ist der Klimaschutzbeaftragte des Landkreis Main-Spessart. Foto: Martin Hogger

    Von der Küche des Kreisbauhofs kann man das Karlstadter Zementwerk sehen. Betonerne Türme vor wolkenverhangenem Oktoberhimmel. Die Aussicht ist grau. Drinnen hat Michael Kohlbrecher lupinen Kaffee gekocht, eine regionale Alternative zum traditionellem aus Kaffeebohnen. 39 Jahre ist er alt. Fast sieben davon ist er nun schon der Klimaschutzbeauftrage des Landkreises Main-Spessart und hat hier, im Bauhof, neben einem Zementwerk, sein Büro.

    Zitat aus der Pressemitteilung damals: "Michael Kohlbrecher soll dazu beitragen, das 2012 vom Kreistag verabschiedete Klimaschutzkonzept umzusetzen. Der Landkreis hat sich dabei das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2035 energieautark zu sein, das heißt, den im Landkreis anfallenden Strom- und Wärmebedarf möglichst durch lokale, erneuerbare Energien selbst zu decken."

    Und: Wird Main-Spessart das schaffen?

    Kohlbrecher stellt Hafermilch auf den Tisch. Er nippt an der Kaffeetasse. Gemeint sei natürlich nur eine rechnerische Autarkie, erklärt er. Zu verworren und international sei das moderne Energienetzwerk, als könnte sich ein Landkreis selbst versorgen. Für den Landkreis heißt das: dem Energieverbrauch soll dieselbe erneuerbar erzeugte Energiemenge gegenüberstehen.

    Kohlbrecher sagt: "Eigentlich reichen die derzeitigen Anstrengungen nicht." Mit der Ruhe eines Mannes, der die folgenden Worte schon sicher hundert Mal so ähnlich fornuliert hat, erklärt er, warum man einen "massiven Ausbau" alternativer Energien bräuchte, um wirklich energieautark zu sein. "Beim Strom vielleicht auf das Doppelte vom derzeitigen Stand. Wenn nicht sogar mehr.“

    Wind- und Solarstrom würden schwanken. Dazu kämen die riesigen Mengen an Energie, die Industrieunternehmen wie das Zementwerk dann brauchen würden, sobald sie in Richtung CO2-Neutralität umgebaut werden würden. „Grüner Wasserstoff wird landauf landab gerade als die Lösung für die energieintensive Industrie diskutiert. Doch dessen Erzeugung braucht in erster Linie: erneuerbaren Strom“, sagt Kohlbrecher.

    Was in der Industrie laut den Klimaschutzzielen der Bundesregierung in den nächsten zwei Jahrzehnten Realität werden soll, gilt genauso für Privathaushalte. Auch hier sollen Öl- und Gasheizungen durch strombasierte Lösungen – allen voran die Wärmepumpe – ersetzt werden. Im Altbau ist dafür oft erstmal eine umfassende Sanierung notwendig. „Und die ist nicht billig“, sagt Kohlbrecher. „Deshalb muss natürlich, für Menschen, die sich das nicht leisten können, der Staat einspringen.“

    Geld. Es sei doch so viel Geld da, sagt er. Das sehe man an der Coronakrise – und an der Elektromobilität. E-Autos, ebenfalls teuer, könne man sich durch die hohen Zuschüsse inzwischen gut leisten. Aber: Wo vorher einfach Benzin und Diesel verbrannt wurde, braucht es Strom. Strom statt Heizöl, Strom statt Erdgas, Strom statt Benzin, Strom statt Diesel. „Der Bedarf wird künftig also noch deutlich steigen.“

    Wie Kohlbrecher ins Landratsamt kam

    Michael Kohlbrechers Berufsweg sticht heraus aus dem anderer Landkreisangestellter. Forstwissenschaften und Erneuerbare Energien hat er studiert. Die Masterarbeit schrieb er über Biomassenutzung. Danach war er bei einem Ingenieurbüro in München. Sein Projekt dort: eine griechische Insel zur Elektromobilität umzubauen. "Es machte zu einem gewissen Grad keinen Sinn, einem Griechen in der Wirtschaftskrise erklären zu müssen, warum er für den vierfachen Preis seines Rollers einen neuen E-Roller kaufen sollte", sagt Kohlbrecher heute. Er muss lachen.

    Also ging er, der selbst fast ausschließlich Rad fährt. Ein paar Jahre baute er danach Bühnenbilder für Musiker. Erst Helene Fischer, Pharrell Williams, dann, 2014, schrieb das Landratsamt Main-Spessart den Posten eines Klimaschutzmanagers aus. Und im Juli sitzt er in genau diesem, dem Landratsamt. Vom Marktplatz dringt das Mittagsleuten in das Besprechungszimmer. Am Tisch gegenüber sitzt ihm die Landrätin. "Die Aufgabe von Herrn Kohlbrecher hat in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonnen", sagt Sabine Sitter.

    undefined

    Das Landratsamt, so sagt sie es, werde in Richtung Klimaschutz umgebaut werden. Man müsse und werde eine andere Haltung entwickeln und sich besser organisieren. Bei jedem Vorgang müsse der Umweltschutz mitgedacht werden. "Es müssen Automatismen entstehen.“ So sagt es die Landrätin.

    Wie das Landratsamt beim Klimaschutz helfen kann

    Das Landratsamt hat beim Klimaschutz etwas, was Sabine Sitter einen "eingeschränkten Kompetenzbereich" nennt. Einfach mal so jemandem etwas vorschreiben? Geht kaum. Also der gegenteilige Weg. Sitter: „Wir bieten so viel an, die Leute müssen nur zugreifen.“

    Was gehört da nicht alles dazu: das Solardach-Kataster zum Beispiel, eine Internetseite, auf dem sich die Leute anschauen können, ob Solarzellen auf dem eigenen Dach Sinn ergeben – oder auf dem Dach des Nachbarn. "Tun sie in der Regel. Solarzellen rechneten sich oft bereits nach etwa zehn Jahren", sagt Kohlbrecher. Dazu gehört auch das Wissen von Kohlbrecher selbst. Vor Kurzem hat sich Karlstadt – also die Stadt – daran bedient und will mit einem Klimaschutzkonzept "Vorreiter" im Landkreis werden.

    Und dazu gehört auch das Ladesäulen-Infrastrukturkonzept, in dem der zukünftige Bedarf nach E-Ladesäulen pro Kommune beschrieben wird. E-Mobilität heißt: massig Zuschüsse, zum Beispiel für Ladesäulen und –buchsen. Einfach zugreifen. Genauso beim ÖPNV. Es fahren noch immer viel zu viele Busse leer in der Gegend herum. Die Routen hat das Landratsamt vergangenes Jahr angepasst. Ein 365-Euro-Ticket für Senioren hätten einige Fraktionen und Landrätin auch gerne gemacht. Zwei Monate darauf war es vom Tisch, da der Freistaat nicht fördern wollte. Der „eingeschränkte Kompetenzbereich.“

    Kohlbrecher nennt die Verkehrswende das „größte Sorgenkind“. Flashbacks, zurück zur Zeit in Griechenland, als er die Insel e-mobilisieren sollte, hat er trotzdem nicht. Im Gegenteil.

    Hoffnung Photovoltaik

    Zurück im grauen November. "Meine Hoffnung liegt auf der Photovoltaik", sagt Kohlbrecher. Zum einen sei das mit der Windenergie im Landkreis „so dermaßen zum Stehen gekommen“, dass er nicht sehe, wie der Landkreis das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel, zwei Prozent der Fläche für Windenergie zu nutzen, erreichen soll. Zum anderen ist Photovoltaik „gar nicht so abwegig“. “Wenn heute nur die Hälfte der Dachfläche in Main-Spessart mit Solarpanelen voll wäre, dann hätten wir das Ziel, rechnerisch energieautark zu werden, morgen erreicht."

    Dazu käme dann noch der Ausbau der Freiflächen-Anlagen und schon käme man dem eigentlich notwendigen Ziel, 200 Prozent Energieautarkie quasi, sehr nahe. "Wir brauchen das, um den Karren aus den Dreck zu ziehen", sagt er, betont er, fordert er.

    Wenn man mit Michael Kohlbrecher so spricht, merkt man ihm schon ein gewisses Unverständnis an, wenn es um oft gehörte Ausreden geht. Freiflächen-Anlagen versiegelten die Wiesen, das wäre so eine. "Das ist Quatsch. Dafür müssten die direkt auf der Wiese liegen. Tun sie aber nicht." Eine andere wäre das Argument mit der Verschandelung der Natur. "Im Gegenteil", sagt er. "Ist es nicht schön, wenn man am Wochenende spazieren geht und sieht: Hier passiert etwas Gutes für die Zukunft?“

    Er meint damit, dass man das mit der Klimakrise auch mal anders herum sehen sollte. Die Verschandelung der Natur, die es zu verhindern gelte, das sind die vertrocknenden Wälder und Böden, die verschwindenden Bäche, die Extremwetterereignisse, der zurückgehende Grundwasserspiegel, das Artensterben.

    Oder vielleicht könnte man die Verkehrswende nicht als Gehen des Verbrennermotors, sondern das Kommen einer komplett neuen Art der Fortbewegung sehen. Deshalb denkt er gerade über die Idee einer E-Auto-Rally nach. "Ich kann nur informieren und motivieren", sagt Kohlbrecher. Ob das nicht schwer und die Gesamtsituation manchmal frustrierend sei? "Naja, ich will es ja", sagt er und lacht. Außerdem gehe es in die richtige Richtung. "Und die Schritte werden immer größer."

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden