Wohin mit den Obdachlosen in Gemünden? Über die momentane Unterbringung im Alten Rathaus in Wernfeld gibt es Beschwerden. Und nun sind Anwohnerinnen und Anwohner des Gemündener Mühltorbergs nicht gerade erfreut, dass in ihrer Straße Wohncontainer für Obdachlose aufgestellt werden sollen. Jürgen Nick erzählt, dass er am Sonntag am Mühltorberg Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt habe. "Alle, die anwesend waren, haben unterschrieben." Die Liste mit insgesamt 38 Unterschriften hat er bereits Bürgermeister Jürgen Lippert übergeben. Hinterher hätten sich Leute gemeldet, die auch hätten unterschreiben wollen, erzählt Nick.

Die derzeitige Obdachlosenunterkunft im Alten Rathaus in Wernfeld ist umstritten, auch der Bürgermeister sieht sie als nicht optimal an. Jetzt sollen, wie Lippert kürzlich im Stadtrat ausführte, auf einem städtischen Grundstück am Waldrand ganz oben am Mühltorberg, das bisher keiner gewollt habe, als langfristige Lösung Container für Obdachlose aufgestellt werden. Vergangenes Jahr sei dort gerodet worden, berichten Anwohner. Bei den Containern soll es sich um sieben bis acht Quadratmeter große Einzelcontainer handeln. Dafür sind im diesjährigen Gemündener Investitionsprogramm 100.000 Euro vorgesehen.
Anwohner: Steiler Berg ist Obdachlosen nicht zuzumuten
Nick sagt auf Anfrage zum Hintergrund der Unterschriftenaktion, dass es aus seiner Sicht mehrere Punkte gebe, die gegen den Standort sprächen. Zum einen sei der Mühltorberg bekanntlich sehr steil, was Ältere zum Teil dazu veranlasse, wegzuziehen. Er findet, dass der beschwerliche, etwa 400 Meter lange Weg Obdachlosen, die meist krank oder nicht so fit seien, nicht zuzumuten sei. Ein Bus fahre hier nicht. Zum anderen hätten sich in den vergangenen Jahren viele Jüngere ein Haus am Mühltorberg gekauft, auch weil es eine ruhige Straße sei, wo sie ihre Kinder spielen lassen könnten. "Es ist ein Glück, dass die Straße wieder so belebt wird", sagt Jürgen Nick. Da finde er es schwierig, ihnen sagen zu müssen, dass dort jetzt Container für Obdachlose hinkommen.
Zu befürchten sei ein Wertverlust der Häuser und Grundstücke. Nick ist der Meinung, dass man im neuen Baugebiet Mühlwiesen II doch viel besser eine Unterkunft einplanen könnte, die nicht so stören würde wie am Mühltorberg. "Die Anwohner am Mühltorberg sollen den Wertverlust hinnehmen, und die Stadt will mit dem neuen Baugebiet Geld verdienen" – für ihn ein Widerspruch. Wenn bekannt wäre, dass im neuen Baugebiet eine solche Unterkunft entstehen solle, dann könnten sich Bauwillige von vornherein darauf einstellen.
Junge Mütter haben Bedenken
"Wir waren froh, dass wir da waren", sagt eine junge Anwohnerin, die vorher in der Nähe vom Gemündener Bahnhof gewohnt hat, "jetzt fängt das Ganze wieder an." Sie hätten Angst, in der Straße achte man darauf, dass keine Glasscherben herumliegen, und von der Obdachlosenunterkunft in Wernfeld hätten sie Negatives gehört. Eine andere junge Frau sagt: "Man denkt, man hat hier seine Ruhe, sonst hätten wir das Haus nicht gekauft vor einem halben Jahr." Es sei nicht so, dass die Anwohner und Anwohnerinnen unsolidarisch seien, schließlich hätten sie sieben Flüchtlinge aus der Ukraine in der Straße aufgenommen, ergänzt die erste Frau noch. Jetzt fühlten sie sich hilflos.

Am Mühltorberg seien in einem Gebäude, in dem zuvor Sozialwohnungen waren, vor 15 Jahren schon einmal Obdachlose, die aus dem Gefängnis entlassen worden seien, untergebracht gewesen, erzählt Nick. Es habe sich damals eine Art Rotlichtmilieu gebildet, wöchentlich sei die Polizei dagewesen und "einmal im Monat der Krankenwagen". Regelmäßig hätten sich die Bewohner betrunken. Das Ganze sei etwa ein Jahr gegangen, bevor er der Stadt unter dem damaligen Bürgermeister Schiebel das Gebäude abgekauft und habe abreißen lassen, was auch die Maßgabe gewesen sei. Es seien also nicht nur Vorurteile, die die Anwohnerinnen und Anwohner trieben.
Vorhaben überhaupt genehmigungsfähig?
Er glaubt, dass die Obdachlosen sich auf sieben bis acht Quadratmetern nicht sonderlich wohlfühlen werden. Also werde es zu häufigen Wechseln kommen, was eine Integration in die "eingeschworene Gemeinschaft" am Mühltorberg verhindere. Bei einem Gespräch habe ihm der Bürgermeister gesagt, dass zunächst abgeklärt werden müsse, ob die Container überhaupt genehmigungsfähig seien an dem Standort, dann wolle er auf die Anwohner zu gehen. "Wenn die Genehmigungsfähigkeit da ist, ist es doch vorbei", fürchtet Nick.
Bürgermeister Jürgen Lippert sagt, bisher handle es sich lediglich um einen Ansatz im Haushaltsentwurf. "Alles Weitere ist offen." Eventuell stelle sich ja heraus, dass Container dort gar nicht aufgestellt werden dürften. Dem Wunsch nach einem Ortstermin komme er gerne nach.