„Wos wor'n nocha des?“ Patrick Weiß gibt seinem Norikerhengst Leo einen Klaps auf die Ohren und fragt sich und sein Ross, wie das passieren konnte. Die beiden haben eben die Geschicklichkeitsprüfung bei der 5. Offenen Holzrückemeisterschaft vergeigt. Sie hatten den Parcours nicht in der vorgegebenen Zeit von 13 Minuten geschafft.
Im breitesten alpenländischen Dialekt analysiert der Pferdeführer aus Kuchl bei Salzburg zusammen mit seinem zwölfjährigen Hengst die abgelegte Prüfung. Dabei hört man deutlich heraus, dass Patrick Weiß nicht ernsthaft enttäuscht ist. Die Entrüstung gegenüber seinem Rückepferd Leo und dessen eben gezeigter Leistung ist nur gespielt. Und der Klaps auf die Ohren ist einer der liebevollen Art.
Es geht nicht um Preise
Das fast 500 Kilometer angereiste Team aus dem Salzburger Land strahlt in diesem Moment beispielhaft aus, was die gesamte Atmosphäre bei der Holzrückemeisterschaft in Rieneck prägt, nämlich die Freundschaft und Harmonie zwischen Pferdeführer und Pferd. Denn es geht nicht um Ruhm und hoch dotierte Preise. Es geht darum zu zeigen, wie Mensch und Ross ruhig, zuverlässig und präzise zusammenarbeiten.
„Hü“, „Brrr“, „Hott“ und „Wista“ hört man unzählige Male über den Festplatz in Rieneck schallen, aber kein lautes Wort, kein Schimpfen, wenn der eine oder andere Begrenzungskegel fällt und sich das jeweilige Team Strafpunkte einheimst. Selbst Kommandos wie „halber Schritt“ sind zu hören und spiegeln wider, in welcher Genauigkeit sich die mehr als 700 Kilo wiegenden Kaltblutrösser, einen rund sechs Meter langen Holzstamm hinter sich herziehend, dirigieren lassen.
Anstrengung bei 30 Grad
Eben diese Präzision verlangt der von Peter Niebauer (Mömbris) ausgeklügelte Prüfungsparcours, der den realen Anforderungen an das Holzrücken in der alltäglichen Forstarbeit gerecht werden soll. Große Hindernisse stellen Bäume und Unwegsamkeiten dar, die umlaufen, durchstiegen und sowohl von Ross als auch von Pferdeführer überquert werden müssen. Bei mehr als 30 Grad Hitze steht den Akteuren die Anstrengung darüber ins Gesicht geschrieben.
Gleichzeitig verraten kleine Holzkegel jeden Fehler, denn schon bei wenigen Zentimetern Abweichung von der Ideallinie werden sie vom hinterdrein gezogenen Holzstamm umgestoßen und füllen gnadenlos das Fehlerpunktekonto des Prüfungsteams. Doch das fachkundige Publikum honoriert die Leistungen der Rücketeams dennoch mit aufmunterndem Beifall.
Rienecks Bürgermeister Wolfgang Küber ist begeistert vom Besucherzuspruch bei der Holzrückemeisterschaft, die nach 2011 zum zweiten Mal vor der Kulisse der Rienecker Burg stattfindet. Küber weiß um die überörtliche Bedeutung dieser Veranstaltung, die von der Interessengemeinschaft Zugpferde (IGZ) ausgetragen wird. Nach seinem eigenen Prüfungslauf mit seinem 20-jährigen Belgischen Kaltblut Afram gesteht Küber mit noch schweißverklebten Haaren in der Stirn, dass das Holzrücken für ihn sicher anstrengender war als für sein Pferd. Musste er doch, während sein Gaul acht Holzstämme von einer Seite des Platzes zur anderen zu ziehen hatte, nebenher immer wieder über ein Holzhindernis steigen.
Als Sieger verlässt am Ende Peter Niebauer den Festplatz. Der amtierende deutsche Vizemeister aus Mömbris holte sich im Einspänner mit seiner neunjährigen Rheinisch-Deutschen Kaltblut Stute Heidi den Sieg ebenso wie im Zweispänner mit Heidi und Wotan, einem neunjährigen Belgischen Kaltblut. Forstoberrat Christoph Kirchner vom Land für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) dankte bei der Siegerehrung den Akteuren nicht zuletzt für ihren alltäglichen Einsatz mit ihren Pferden im Sinne einer schonenden und nachhaltigen Forstwirtschaft.
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