Die Bäuerinnen und Bauern im Werntal seien "empört und entsetzt" über die neue Bundesvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten Gebieten, berichtet Hanskarl Freiherr von Thüngen. Er ist einer der Landwirte aus dem Landkreis Main-Spessart, die sich seit 20 Jahren im Werntalprojekt erfolgreich darum bemühen, das Nitrat im Grundwasser zu senken.
"Dieses Projekt wird überall als beispielhaft hingestellt und zur Nachahmung empfohlen. Jetzt werden wir bestraft für unsere gute Leistung", sagt von Thüngen. Anlass für seinen Ärger: Eine neue Bundesregelung zum Wasserschutz bedeutet wohl zusätzliche Belastungen für die Landwirtschaft – allerdings ohne Not, wie die Regierung von Unterfranken sagt. Was hat es mit der neuen Vorschrift auf sich und was bedeutet dies im Werntal? Ein Überblick.
Was ist das Werntalprojekt?
Das Werntalprojekt startete bereits im Jahr 2003. Ziel war es, den zu hohen Nitratgehalt im Grundwasser im Werntal, also zwischen dem Karlstadter Stadtteil Stetten und der Stadt Arnstein, zu senken. Dazu gingen die Landwirte mit den Wasserversorgern Karlstadt, Arnstein und Thüngen eine freiwillige Kooperation ein. Die drei Kommunen gewinnen dort ihr Trinkwasser.

Die Vereinbarung umfasst eine Fläche von über 3100 Hektar. Auf etwa einem Drittel dieser Fläche ergreifen die Landwirte verschiedene Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers. Im Gegenzug zahlen die Kommunen einen Ausgleich für den höheren Aufwand und für die geringeren Erträge. Diese Zusammenarbeit gilt als eines der größten Wasserschutzprojekte in Deutschland: Der Nitratgehalt des Wassers ist im Laufe der Jahre deutlich gesunken.
Welche Maßnahmen ergreifen die Landwirte im Werntal aktuell zur Senkung der Nitratwerte?
Die "allerwichtigste" Maßnahme ist laut Heiko Lukas, Agrarexperte der Regierung von Unterfranken, dass die Landwirte nach der Getreideernte sogenannte Zwischenfrüchte anbauen, die Nitrat entziehen. Im Herbst gebe es mehr Regen, der versickert und das Grundwasser erreicht, sagt Lukas: "Zumindest in dieser Zeit sollen die Böden möglichst arm an Nitrat sein."

Dazu wurde der Anbau von "problematischen" Pflanzen wie Raps eingeschränkt, die einen hohen Bedarf an Stickstoffdünger haben. Außerdem haben die Landwirte auf gut fünf Prozent der Fläche den Anbau komplett stillgelegt. Dabei handle es sich um "die schlechtesten Standorte", an denen es ohnehin die geringsten Erträge gab, sagt Lukas. "Dadurch wird der Stickstoffüberhang so weit wie möglich vermieden."
Was sind die Folgen der neuen Regelung für die Bauern im Werntal?
Seit diesem Jahr gibt es vom Bund neue Bestimmungen, wie "rote Gebiete" festzulegen sind. Gemeint sind damit jene Bereiche, die Nitratgrenzwerte überschreiten. Das Bundesministerium für Landwirtschaft will mit der neuen Vorschrift verhindern, dass Deutschland Strafen in Milliardenhöhe wegen eines Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie zahlen muss. Es gelten nun bundesweit einheitliche Regeln.
Ein "rotes Gebiet" wird dort erlassen, wo der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser bei einer Einzelmessung überschritten wird. Laut Nitratbericht 2020 lag der Anteil der Messstellen in Deutschland über diesem Wert bei rund 27 Prozent.

Neu ist laut der Stadt Karlstadt unter anderem, dass schon ein Messpunkt mit zu hohen Nitratwerten ausreicht, damit ein ganzes Gebiet als belastet eingeordnet wird. "Brunnen, die bisher als unauffällig galten, werden jetzt als mit Nitrat belastet eingestuft", sagt Lukas. Es sehe im Moment so aus, als ob das ganze Werntal "rot" werde.

Das bedeute, dass zusätzliche Auflagen erlassen werden. Bäuerinnen und Bauern in einem roten Gebiet dürfen unter anderem 20 Prozent weniger düngen. Das habe zur Folge, dass sie weniger ernten können – und weniger Geld verdienen, sagt Lukas: "Aber nicht, dass sicher weniger Nitrat ausgewaschen wird."
Es sei lediglich ein Brunnen im Werntal, der die Grenzwerte überschreite, sagt Hanskarl Freiherr von Thüngen. Die Werte der betreffenden Messstelle in Stetten würden "unglaublich" variieren. Er geht davon aus, dass dies nicht mit der Landwirtschaft zusammen hängt. Ein "geologisches Gutachten" könnte Klarheit darüber verschaffen, was die Ursache dafür ist, so von Thüngen.
Warum bringen die neuen Auflagen im Werntal womöglich gar nichts?
Was die Landwirte in Main-Spessart kritisieren: Die Auflagen seien für andere Regionen in Deutschland konzipiert worden. "Sie sind unserer Meinung nach eher dazu geeignet, um Gebiete mit hoher Tierhaltung, die langjährig mit Wirtschaftsdünger überdüngt worden sind, in einen verträglichen Bereich zurückzubringen", sagt auch Heiko Lukas. Im Werntal gebe es praktisch keine Viehhaltung, zu viel Gülle sei also nicht das Problem. Die Maßnahmen, die nun automatisch greifen sollen, würden nicht helfen, dafür aber die Landwirte unnötig belasten. "Es ist ein Skandal, dass hier nicht mehr differenziert wurde", meint von Thüngen.

Die erhöhten Nitratwerte des Grundwassers im Werntal lassen sich laut Heiko Lukas in erster Linie auf die Trockenheit in der Region zurückführen. Die absoluten Nitratmengen seien vergleichsweise niedrig, sie verteilten sich aber auf wenig Wasser: "Unser Problem ist daher die hohe Konzentration."
Die Senkung der Nitratwerte erreiche man durch die freiwilligen Maßnahmen des Werntalprojekts bereits "sehr erfolgreich", sagt der Agrarexperte der Regierung. Von durchschnittlich 49 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser habe man zum Beispiel den Wert im Hauptbrunnen der Stadt Karlstadt auf etwa 35 Milligramm senken können.
Wie geht es für das Werntalprojekt weiter?
Laut von Thüngen ist das Werntalprojekt jetzt akut gefährdet: "Es droht die Zerschlagung." Die neuen verpflichtenden Auflagen könnten dazu führen, dass die Landwirte die freiwilligen Maßnahmen nicht mehr umsetzen wollen, befürchtet er.
Die Kommunen Karlstadt, Thüngen und Arnstein fordern daher zusammen mit den Landwirten eine Sonderregelung für das Projektgebiet im Werntal. Die Auflagen sollen ausgesetzt werden, solange eine freiwillige Kooperation den Nitratgehalt im Trinkwasser nachweislich positiv beeinflusst.
Eine entsprechende Anfrage laufe beim bayerischen Landwirtschaftsministerium, sagt Heiko Lukas. Allerdings werde das vom Bund entschieden.