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Lohr: Zukunftsangst und depressive Stimmung: Wie kann ich mir selbst helfen und wann brauche ich Hilfe, Frau Blattner?

Lohr

Zukunftsangst und depressive Stimmung: Wie kann ich mir selbst helfen und wann brauche ich Hilfe, Frau Blattner?

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    Gibt Anregungen zur Selbsthilfe bei Ängsten und depressiven Verstimmungen: Alexandra Blattner, psychologische Psychotherapeutin und Teamleiterin beim Krisennetzwerk Unterfranken.
    Gibt Anregungen zur Selbsthilfe bei Ängsten und depressiven Verstimmungen: Alexandra Blattner, psychologische Psychotherapeutin und Teamleiterin beim Krisennetzwerk Unterfranken. Foto: Thomas Obermeier

    Von "völlig verrückten Zeiten" hat der unterfränkische Bezirkstagspräsident Stefan Funk bei seinem Besuch in der Leitstelle des Krisennetzwerks Unterfranken in Lohr (Lkr. Main-Spessart) gerade gesprochen. Kriege und Krisen auf der Welt schlagen vielen Menschen aufs Gemüt.

    Zukunftsängste und depressive Verstimmungen nehmen zu, stellt das Team vom Krisennetzwerk Unterfranken fest. Menschen in seelischer Not erhalten dort rund um die Uhr telefonische Hilfe unter der Nummer 0800 / 655 3000.

    Doch wie kann ich mir selbst helfen, wenn ich bemerke, dass ich immer öfter besorgt oder bedrückt bin? Alexandra Blattner ist Teamleiterin beim Krisennetzwerk. Im Interview gibt die psychologische Psychotherapeutin Anregungen, um psychisch und mental möglichst gesund durch unsichere Zeiten und die dunkle Jahreszeit zu kommen. Vorweg betont die 33-Jährige: "Für eine Allgemeinheit können diese auch nur sehr allgemein bleiben. Beratung oder Psychotherapie dagegen können auf individuelle Situationen von Betroffenen eingehen."

    Frage: Frau Blattner, wie zeigt sich Angst?

    Alexandra Blattner: Angst ist eine Schutzreaktion unseres Organismus. Sie geht oft einher mit innerer Unruhe und muskulärer Anspannung, Gedankenkreisen, Schlafstörungen und zum Teil sozialem Rückzug. Emotional kann sie sich auch hinter Ärger verstecken, zum Beispiel auf die Politik. 

    Angenommen, ich habe Angst, es könnte auch bei uns Krieg geben. Wie kann ich ihr begegnen?

    Blattner: Wichtig ist erst mal, sich die Angst einzugestehen und zuzugestehen: Ich darf unruhig, unsicher und ängstlich sein. Wenn wir Emotionen da sein lassen und annehmen, lösen sie sich manchmal von alleine wieder auf. 

    Warum ist Akzeptanz, verletzlich zu sein, so wichtig?

    Blattner: Weil es unendlich viel Energie kostet, sich gegen Dinge zu sträuben, die im Moment so sind, wie sie sind. Das ist, wie immer wieder gegen eine Mauer zu rennen und dabei viel Schmerz zu erleben. Wenn ich die Mauer aber als gegeben hinnehme, ermögliche ich mir, mich umzusehen und nach anderen Wegen zu suchen. 

    Wie kann ich mental mit Zukunftsängsten umgehen?

    Blattner: Am Anfang sollte ich mir klar darüber werden: Was genau beunruhigt mich? Was sind meine Horrorszenarien? Und diese bis zum Ende durchdenken: Was wäre das Schlimmste, das passieren könnte? Wäre das wirklich so dramatisch oder nur unangenehm? Könnte ich das wirklich nicht aushalten? Auch Wenn-Dann-Szenarien durchzuspielen, kann hilfreich sein: Wenn das passiert, welchen Plan habe ich dann? Damit mache ich mich handlungsfähig für die Zukunft. Mir persönlich hilft es, Dinge aufzuschreiben, um sie zu sortieren. Das verlangsamt den Gedankenprozess. 

    "Wenn wir Emotionen da sein lassen und annehmen, lösen sie sich manchmal von alleine wieder auf."

    Alexandra Blattner, psychologische Psychotherapeutin

    Ich versuche mir also klarzumachen, worauf ich Einfluss habe - und worauf nicht.

    Blattner: Auch das ist ratsam: sich darauf zu fokussieren, was ich beeinflussen kann. Wenn ich über etwas keine Kontrolle habe - und dazu gehören Kriege - heißt das im Umkehrschluss: Ich darf mich meinem alltäglichen Leben wieder zuwenden. Und mich fragen, wie ich mehr Entspannung in meinen Alltag bringen kann. 

    Was wirkt gegen ängstliche Anspannung?

    Blattner: Das ist individuell unterschiedlich. Manchen Menschen tut Sport gut, anderen eher kreative Ablenkung. Wissenschaftlich fundiert sind zum Beispiel Progressive Muskelrelaxation und Autogenes Training, aber auch Entspannungstechniken aus Yoga oder Achtsamkeit. Bei akuter Anspannung im Alltag hilft erst mal, den Organismus zu beruhigen. Dafür empfehle ich bewusste Bauchatmung: ein tiefes In-den-Bauch-Einatmen, den Atem kurz halten und dann lang durch die Lippen ausatmen. Wenn der Körper runterfährt, meldet er dem Kopf und den Emotionen: Ich bin in Sicherheit. Gerade bei Zukunftsängsten ist das ein wichtiges Signal: Im Hier und Jetzt passiert mir nichts.

    Wenn die Ängste trotzdem bleiben oder sich sogar verstärken: Wann sollte ich mir Hilfe holen?

    Blattner: Alarmzeichen sind, wenn ich aufgrund einer spezifischen Angst oder einer anhaltenden Besorgnis, die sich auf viele Lebensbereiche überträgt, nicht mehr in der Lage bin, meinen Alltag so zu bestreiten, wie ich es möchte. Wenn ich es zum Beispiel nicht mehr schaffe, meiner Arbeit nachzugehen oder mein Schlaf dauerhaft beeinträchtigt ist. Natürlich auch, wenn die Angst in Panikattacken umschlägt. Dann ist Beratung oder andere professionelle Hilfe angeraten. 

    Was sind Warnsignale dafür, dass ich depressiv verstimmt sein könnte? 

    Blattner: Wenn ich über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen merke, dass meine Stimmung an den meisten meiner Tage gedrückt ist, mir die Energie für alltägliche Aufgaben fehlt, ich mich nicht mehr freuen kann und an Dingen, die ich bisher gerne gemacht habe, das Interesse verliere, dann sind das Anzeichen. Dazu können Symptome wie Konzentrationsstörungen, Grübeln, Schlafstörungen, veränderter Appetit oder körperliche Beschwerden kommen.

    Wie kann ich versuchen, mir in einer depressiven Verstimmung zunächst selbst zu helfen?

    Blattner: Auch hier gilt erst mal: Akzeptanz! Es darf sein, dass es mir mal schlecht geht und ich im Zweifel auch Hilfe brauche! Dann rate ich, regelmäßige moderate Bewegung in den Alltag zu integrieren, bestenfalls an der frischen Luft. Das hat wissenschaftlich bewiesen einen so starken Effekt wie ein Antidepressivum. Hilfreich sein kann auch eine Tagesstruktur, wenn sie mir fehlt, und soziale Kontakte beizubehalten. Es geht nicht darum, immer Lust darauf zu haben, etwas zu tun, sondern darum, dass ich überhaupt etwas tue. Denn Passivität und Rückzug führen zu noch weniger Antrieb und damit in der Depressionsspirale weiter abwärts.

    "Um mein Gehirn bewusst darauf zu trainieren, auch positive Dinge wahrzunehmen, kann ein Positivtagebuch helfen."

    Alexandra Blattner, Teamleiterin beim Krisennetzwerk Unterfranken

    Welche Strategien gibt es, um nicht alles schwarzzusehen?

    Blattner: Um mein Gehirn bewusst darauf zu trainieren, auch positive Dinge wahrzunehmen, kann zum Beispiel ein Positivtagebuch helfen, in dem ich jeden Tag drei kleine Dinge aufschreibe, für die ich dankbar bin, auf die ich stolz bin oder die nicht so schlimm waren, wie ich befürchtet hatte. 

    Wenn das alles nicht hilft: Was dann? 

    Blattner: Dann würde ich zunächst an den Hausarzt verweisen, um auszuschließen, dass keine körperlichen Ursachen wie ein Vitamin-D-Mangel oder eine Schilddrüsenunterfunktion vorliegen, die zu ähnlichen Symptomen führen können wie eine depressive Episode. Gleichzeitig kann ich in der Wartezeit auf einen Psychotherapie-Platz oder einen Termin beim Psychiater eine Beratungsstelle kontaktieren, zum Beispiel Sozialpsychiatrische Dienste vor Ort oder gerne auch uns beim Krisennetzwerk Unterfranken - allerallerallerspätenstens, wenn ich Gedanken habe, mein Leben zu beenden. Aber eben viel besser schon viel früher! Ganz oft ist es alleine schwieriger als zu zweit. Sich jemandem anzuvertrauen - ob professionell oder privat - kann sehr entlastend sein. 

    Wie kann mich mein Umfeld unterstützen, wenn ich ängstlich oder bedrückt bin?

    Blattner: Erst mal würde ich dem Menschen, dem es nicht gut geht, zuhören und nachfragen, um zu verstehen, was ihn belastet. Gut gemeinte Aussagen wie "Mach dir keine Sorgen, das wird schon wieder" sind nicht angebracht. Denn wenn der Betroffene das könnte, würde er es lassen, sich Sorgen zu machen. Wenn jemand nicht reden möchte, kann auch das Angebot nach Ablenkung helfen. Wichtig ist, dass ich anbiete und nicht bestimme, was besser für den Betroffenen ist. Den nur er weiß, was er braucht.   

    Das Krisennetzwerk Unterfranken ist täglich von 0 bis 24 Uhr kostenlos zu erreichen unter der Nummer 0800 / 655 3000. Infos: www.krisendienste.bayern/unterfranken/

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