Seine Stimme ist Kult, sein Schicksal berührt: Matthias Holtmann hat als einer der bekanntesten Moderatoren Deutschlands ein Leben auf der Überhohlspur geführt. Die Diagnose Parkinson änderte alles. „Porsche, Pop und Parkinson“ lautet der Titel der Biografie, in der Holtmann sein Leben vor und mit der Krankheit beschreibt. Auszüge daraus las er am Dienstagabend im Engelsaal vor. Rund 150 Zuhörer nahm er dabei mit auf eine Achterbahn der Gefühle. Veranstaltet wurde die Autorenlesung von der Städtischen Mediothek und der Buchhandlung Schwarz auf Weiß
Porsche: Matthias Holtmann ist ein ausgesprochener Autonarr. Wer in unmittelbarer Nähe zum Kamener Kreuz aufwächst, hat wohl keine andere Wahl. Von seinem Opa erhielt er im Alter von acht Jahren erste Fahrstunden auf den Feldwegen Ostwestfalens. Mit 18 machte er den Führerschein. „Unfassbare“ drei Fahrstunden habe er dafür benötigt, schreibt Holtmann. Unfassbar insofern, als er die drei Stunden Praxis gar nicht benötigt hätte.
Holtmanns Begeisterung für PS-starke Boliden nimmt in seiner Biografie breiten Raum ein. Hymnische Elogen schreibt er auf Fabrikate wie den Renault R4, dessen fehlende Mittelkonsole es leicht machte, Beziehungen zum anderen Geschlecht anzuknüpfen. Als Autotester bei Porsche ging für Holtmann ein Traum in Erfüllung. Ein schwarzer Dodge Challenger ist sein aktuelles Lieblingsauto. Die lapidare Erklärung für den spritfressenden Irrsinn: „In meinem Alter braucht man das, um jungen Frauen zu imponieren.“
Pop: 1979 ist Holtmann nach einigen Umwegen mit Ende 20 beim Radio gelandet. Wenig verwunderlich sei das gewesen, meinte er. „Radiomachen ist das, womit ich mich am liebsten beschäftige und was ich auch wahrscheinlich am besten kann.“ Das Radio nannte er Droge, Sucht, Kick, Adrenalin. „Radio bedeutet für mich eine 42-stündige Achterbahnfahrt von Events und Emotionen.“
Karriere im Radio
Bei so viel Enthusiasmus ist es nicht verwunderlich, dass Holtmann beim Radio Karriere machte. Jahrelang war er Programmchef bei SD3, Musikchef bei SWR 3, Chef der Formatentwicklung bei SWR 1. Er ist der Erfinder von „Pop & Poesie in Concert“, der SWR-Show, bei der Songtexte übersetzt, inszeniert und live vor Publikum gespielt werden.
Parkinson: Die Fußballweltmeisterschaft 2006 wurde für Holtmann zum einschneidenden Erlebnis. Erstmals stellte er Veränderungen an sich fest, die ihn beunruhigten. Notizen, die er sich für die Moderation machte, konnte er kaum noch entziffern. „Meine eigentlich schwungvolle und große Handschrift war klein geworden, wurde immer noch kleiner.“ Als er ein paar Wochen später Klavier spielen wollte, verlor er die Kontrolle über seine Finger.
Es dauerte einige Zeit, bis Holtmann die Symptome nicht mehr ignorieren konnte. Ein Freund nahm ihn mit zum Arzt, der ihn gründlich untersuchte. Die Diagnose war so eindeutig wie niederschmetternd: Parkinson.
Von zwei verlorenen Jahren sprach Holtmann selbstkritisch. Besser wäre es gewesen, sofort zu reagieren. Mittlerweile hat er sich mit der Krankheit arrangiert. Er habe lernen müssen, dass alles mehr Zeit braucht. Eine Krawatte zu binden beispielsweise oder ein Hemd zu knöpfen. Holtmanns Einstellung zu seiner Krankheit verlangt Respekt und macht Mut: „Die Lebensfreude sollte man sich keinesfalls verderben lassen“, erklärte er den gebannt lauschenden Zuhörern im Engelsaal. Parkinson ist seiner Meinung nach zwar „Pech und großer Mist.“ Die „Scheißkrankheit“ sei aber nicht ansteckend. „Man kann damit uralt werden.“