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ALLERSHEIM: Auf Spurensuche in der alten Synagoge

ALLERSHEIM

Auf Spurensuche in der alten Synagoge

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    Bereit für den Abbau: In Allersheim soll in den nächsten Wochen die alte Landsynagoge abgebaut und ins Freilandmuseum nach Bad Windsheim gebracht werden.
    Bereit für den Abbau: In Allersheim soll in den nächsten Wochen die alte Landsynagoge abgebaut und ins Freilandmuseum nach Bad Windsheim gebracht werden. Foto: Fotos: THOMAS FRITZ

    Die sieben kleinen Papierschnipsel sind zusammen gerade mal so groß wie ein Daumennagel. Klitzeklein sind die hebräischen Buchstaben, die sich über drei Textzeilen auf den Fragmenten verteilen. Feuchter Lehm ließ die Papierreste an Brettern kleben. Sie wurden in der Allersheimer Synagoge, die um 1740 erbaut wurde, gefunden. Das jüdische Gotteshaus soll in den nächsten Wochen abgebaut und ins Freilandmuseum nach Bad Windsheim gebracht werden.

    Für die Historikerin Martina Edelmann sind die winzigen Papierfetzen ein spannender Fund. Die promovierte Wissenschaftlerin leitet in Veitshöchheim das Genisaprojekt. Hier werden viele Zeugnisse jüdischen Lebens aus ehemaligen Synagogen gesichtet, beschrieben, näher bestimmt und in einer Datenbank inventarisiert. Auch der Schnipsel aus Allersheim landet bei Martina Edelmann und ihren beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen. Es ist gut möglich, dass sie herausfinden, aus welcher religiösen Schrift er stammt.

    Unbrauchbar gewordene Druckwerke oder Gegenstände dürfen nach jüdischen Religionsgesetzen nicht einfach so vernichtet werden, sondern müssen rituell bestattet werden. „Bis dahin werden sie in einer Genisa gesammelt“, so Martina Edelmann. Das Wort Genisa, der Plural lautet Genisot, leite sich dabei aus dem Hebräischen ab und bedeute Ablage. Auch ein Ort, wo etwas deponiert werde, würde damit bezeichnet werden. Noch heute werde der Begriff „Alter Schamott“ verwendet, der damit zusammenhängt.

    Restaurator Dieter Gottschalk und seine Mitarbeiter fanden die historisch wertvollen Papierschnipsel an Brettern kleben. Sie wurden beim Umbau der Synagoge zum Bauernhaus Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen den Dachbalken mit eingebaut. „Eine Ablage, die gerne benutzt wurde“, weiß Martina Edelmann. Die Bretter bergen aber noch ein anderes Geheimnis. „Es macht doch keinen Sinn, das Holz vorher zu bemalen und es dann einzubauen“, dachte sich Restaurator Gottschalk als er die zersägten Bretter in der Zwischendecke fand. Also schaute er sich die Bretter etwas genauer an.

    In seiner Werkstatt in Bad Windsheim reinigte er sie. Nachdem der feuchte Lehm vorsichtig abgeschabt war, kamen Farbspuren zum Vorschein. Unter dem Mikroskop waren blau gelbe Sternchen zu sehen. Gottschalk glaubte zunächst, dass die zersägten Holzbretter zum Tonnengewölbe über dem Betsaal gehören, dann werden aber in der Zwischendecke noch mehr gefunden. Insgesamt 99, die nicht zu den vier Dielen passen.

    Mühsam setzt sich für den Restaurator das Puzzle zusammen. Die bemalten Bretter passen zusammen, die anderen gehören nicht dazu, stellt er fest. Gottschalk ist sich mehr und mehr sicher: Die vier verzierten Bretter gehören zum Thoraschrein der sich an einer Außenwand in der ehemaligen Synagoge befand. Die anderen bilden einen Teil des Tonnengewölbes.

    „Ein Glücksfund“, sagt Museumsleiter Herbert May. Und selbst die Farbe, mit der der Thora-Schrein bemalt war, ließ sich noch herausfinden. Spärliche Sternchen aus preußisch-blau verzierten den hölzernen Schrank, in dem die hebräische Bibel aufbewahrt wurde. Dabei seien die sparsamen Verzierungen bezeichnend für die Landsynagoge. Sie zeigen nämlich, dass das Haus keiner reichen Gemeinde gehörte. Und sie passen in das Gesamtbild. „Nicht nur die Malereien, das ganze Gebäude ist unspektakulär. Und genau das ist das Typische und Erhaltenswerte“, sagt Herbert May.

    Noch nicht ganz hat sich für die Experten des Freilandmuseums erschlossen, wo sich die Frauenabteilung der Allersheimer Synagoge befand. Ein kleiner Raum nach dem Treppenaufgang könnte es gewesen sein, vermuten sie. Dann gibt es aber auch noch eine Wand im Betsaal, die nach der Bauzeit um wenige Zentimeter in Richtung Frauenabteilung versetzt wurde und Dieter Gottschalk und Herbert May rätseln um das Warum.

    Merkwürdig ist auch, warum der Thora-Schrein nicht in der Wandmitte angebracht war. „Die wahrscheinlich christlichen Baumeister wussten vielleicht gar nicht, wie eine Synagoge eingerichtet ist“, sagt Martina Edelmann. Und je nach Besitzer und Auftraggeber gibt es eben prächtig ausgestattete, wie die in Veitshöchheim, oder spärlich ausgestattete, wie die in Allersheim. Dabei war letztereres wohl eher alltäglich.

    In diesen Tagen soll mit dem Abbau der Allersheimer Synagoge begonnen werden. Etwa acht Wochen wird das dauern. Zimmerer haben bereits die einzelnen Teile nummeriert. Was erst einmal bleibt, ist die Mikwe. Das rituelle Bad. Es soll Schicht für Schicht im kommenden Frühjahr abgetragen werden.

    Bis zum Wiederaufbau des jüdischen Gotteshauses in Bad Windsheim dürften aber noch einige Jahre vergehen. Im Museumsdepot lagern noch andere Gebäude und die Finanzierung durch den Bezirk Mittelfranken muss auch gesichert sein. „Wo die Synagoge dann stehen wird, weiß ich aber schon“, lächelt der Museumsleiter, behält dieses Geheimnis aber erst einmal für sich.

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