Bei der Bundestagswahl am 23. Februar sind alle Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, ihre zukünftigen Vertreter im Bundestag in Berlin zu wählen. Im Vorfeld der Wahl hat diese Redaktion die fünf Direktkandidaten und eine Direktkandidatin der im Bundestag vertretenen Parteien aus dem Wahlkreis Odenwald-Tauber zu zentralen Themen des Wahlkampfs befragt. Die Interviews werden bis zur Wahl in loser Folge erscheinen.
Diesmal geht es um Migration. Wir haben die sechs Kandidaten gefragt, wie ihre Haltung zu diesem Thema ist. Hier ihre Antworten – die Reihenfolge der Kandidaten orientiert sich dabei am Wahlergebnis ihrer jeweiligen Partei bei der Bundestagswahl 2021.
Philipp Hensinger, SPD

Migration ist eine Chance, wenn sie gut gesteuert und sozial ausgewogen gestaltet wird. Ich setze mich für eine pragmatische und humane Migrationspolitik ein, die sowohl die Integration fördert als auch klare Regeln schafft. Deutschland braucht Fachkräfte – deshalb unterstütze ich ein modernes Einwanderungsgesetz, das qualifizierte Menschen gezielt anzieht und ihnen einen einfachen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Gleichzeitig müssen wir die Integration verbessern: durch Sprachkurse, Bildung, berufliche Qualifizierung und die Förderung von sozialer Teilhabe.
Flüchtlinge haben ein Recht auf Schutz, wenn sie vor Krieg, Verfolgung oder humanitärer Not fliehen. Verfahren müssen fair, schnell und rechtssicher sein, um Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen. Wichtig ist mir auch, die Fluchtursachen zu bekämpfen: durch Entwicklungszusammenarbeit, faire Handelsbeziehungen und eine konsequente Klimapolitik. Migration darf unsere Gesellschaft nicht spalten – ich stehe für eine Politik, die Chancen schafft, Vielfalt fördert und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.
- Alter: 21
- Beruf: Student (Public Management - Bachelor of Arts)
- Familienstand: ledig
- Heimatort: Walldürn
- Hobbys: Schwimmen, Lesen, Zeit mit Freunden verbringen
Nina Warken, CDU

Für die CDU steht der Mensch im Mittelpunkt, einschließlich derjenigen, die aufgrund von Verfolgung oder Krieg nach Deutschland kommen. Wir sind bereit, diesen Menschen im Rahmen einer fairen Lastenteilung mit unseren europäischen Partnern Schutz zu gewähren. Doch der ungesteuerte Zustrom in unser Land zeigt, dass das Dublin-System nicht mehr funktioniert. Unsere Kapazitäten sind mehr als erschöpft: Seit dem Amtsantritt der Regierung Scholz wurden rund 780.000 Asylerstanträge gestellt. Etwa 1,2 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind zu uns gekommen.
Insgesamt halten sich rund 3,5 Millionen Schutzsuchende in Deutschland auf. Dies überfordert unsere Kommunen, unsere Infrastruktur und unsere Gesellschaft. Unser Land braucht eine Verschnaufpause. Daher fordert die CDU einen grundlegenden Politikwechsel in der Migrationspolitik. Wir müssen Menschen aus Drittstaaten an den Grenzen zurückweisen, denn sie alle kommen über sichere EU-Mitgliedstaaten zu uns. Gleichzeitig müssen Zuwanderer bereit sein, sich zu integrieren und unser Rechtssystem zu respektieren. Wer das nicht tut, muss unser Land verlassen.
- Alter: 45 Jahre
- Beruf: Rechtsanwältin, Bundestagsabgeordnete, Generalsekretärin der CDU-BW und parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Fraktion
- Familienstand: verheiratet, drei Kinder
- Wohnort: Tauberbischofsheim
- Hobbys: meine Familie und Tennis
Horst Berger, Bündnis 90/Die Grünen

Migration ist wichtig für unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand: In Deutschland gibt es nach Einschätzung verschiedener Experten einen jährlichen zusätzlichen Fach- und Arbeitskräftebedarf von rund 400.000 Personen. Arbeitsmarktintegration gelingt: Rund zwei Drittel, 64 Prozent der Geflüchteten, die 2015 kamen, haben einen Arbeitsplatz, davon fast Dreiviertel in Vollzeit.
Nach acht und mehr Jahren Aufenthalt haben geflüchtete Männer eine höhere Erwerbstätigenquote (86 Prozent) als die durchschnittliche männliche Bevölkerung in Deutschland. Im Oktober 2024 wurde nach dem Anschlag in Solingen das Sicherheitspaket verabschiedet, um Messerverbote zu ermöglichen. Leider wurde das Sicherheitspaket 2 im Bundesrat blockiert. Es hätte der Bundespolizei bei der Erfüllung seiner Aufgaben mehr Befugnisse eingeräumt.
- Alter: 53
- Beruf: Diplom-Kirchenmusiker
- Familienstand: verheiratet, 3 Kinder
- Wohnort: Buchen
- Hobbys: Musik, Naherholung in der Natur
Mirwais Wafa, FDP

Ich setze mich für Ordnung und Realpolitik in der Migration ein. Illegale Migration können wir nicht mit extremen und unrealistischen Forderungen wie "Remigration" lösen. Es braucht ein differenziertes Vorgehen: Einerseits muss die illegale Migration gestoppt werden, z. B. durch den Abbau von Fehlanreizen, schnelle Asylverfahren, eine konsequente Umsetzung des Dublin-Mechanismus sowie die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber und Gefährder. Gleichzeitig muss die Zurückweisung an den Grenzen weiterhin möglich sein.
Auf der anderen Seite muss leistungsbereiten Migranten der Weg in den deutschen Arbeitsmarkt geebnet werden. Das sind wir auch der Wirtschaft schuldig, die deutschlandweit auf etwa 400.000 Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen ist. Augenmaß und eine Wende hin zur Realpolitik sind der richtige Weg bei der Migrationsfrage!
- Alter: 28 Jahre
- Beruf: Masterstudent der Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen und Europaforschung
- Familienstand: ledig
- Wohnort: Bad Mergentheim
- Hobbys: Sport, insbesondere Joggen
Johann Martel, AfD

Wir begrüßen jeden – unabhängig von Nationalität und Abstammung –, der produktiver Teil unserer Gesellschaft werden will oder schon ist, der seinen Beitrag leistet, der hilft, unser Sozialsystem zu stützen! Wir brauchen aber eine rationale, ideologiefreie Politik! In Dänemark vertritt eine sozialdemokratische Regierung Standpunkte gegen illegale Migration, die über jede AfD-Forderung hinausgehen! Trotzdem sind die Dänen Partner unserer Sozialdemokraten (im EU-Parlament), während die AfD verteufelt wird. Das ist unehrlich.
Bei uns wird jeder Vorschlag als Totschlagargument "verfassungswidrig" genannt. Egal, wie viele demokratische Länder dasselbe machen, egal ob es um Einbürgerungen, mehrfache Staatsbürgerschaften, Verschleierungsverbote, Altersüberprüfungen, konsequente Abschiebungen usw. geht. Völlig absurd ist auch die Untersagung von Rückführungen in EU-Staaten, weil erst eine Prüfung nötig ist, ob dort menschenwürdig behandelt wird (z. B. in Griechenland). Welchen Wert hat so eine EU?
- Alter: 45
- Beruf: Technischer Fachwirt
- Familienstand: verheiratet, 6 Kinder, 2 Enkel
- Wohnort: Walldürn
- Hobbys: Familienausflüge, Wandern, an Technik und Fahrzeugen schrauben
Robert Binder, Die Linke

Migration ist ein Teil der menschlichen Geschichte und unserer Gegenwart. Für mich steht im Mittelpunkt, Menschen mit Respekt und Würde zu begegnen, unabhängig davon, woher sie kommen. Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz und eine Perspektive, wenn er vor Krieg, Verfolgung oder Armut flieht. Gleichzeitig dürfen wir die Ursachen von Migration nicht ignorieren. Es ist unsere Verantwortung, globale Ungerechtigkeiten, Umweltzerstörung und wirtschaftliche Ausbeutung zu bekämpfen, denn dies zwingt Menschen zur Flucht. Diese Probleme müssen an ihrer Wurzel angegangen werden, um langfristig die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern.
Ich sehe die Vielfalt, die durch Migration entsteht, als einen großen Vorteil und eine Chance für unsere Gesellschaft. Unterschiedliche kulturelle Hintergründe bereichern uns, bringen neue Ideen und stärken unsere Gemeinschaft. Mit den richtigen Rahmenbedingungen kann Migration dazu beitragen, unsere Gesellschaft sozial, wirtschaftlich und kulturell weiterzuentwickeln. Eine menschliche und gerechte Migrationspolitik sollte auf Solidarität, Verantwortung und einer klaren Perspektive für alle beruhen.
- Alter: 38
- Beruf: Bürokraft mit Weiterbildung zum Logistikmeister
- Familienstand: ledig
- Wohnort: Lauda-Königshofen
- Hobbys: Fahrrad fahren, Feuerwehr, Lesen