Die Polizei hat an Silvester in Tauberbischofsheim einen 38-jährigen Mann erschossen, der mit einem Bagger Gebäude und Fahrzeuge beschädigt und mehrere Polizisten bei einer einstündigen Verfolgungsjagd im Main-Tauber-Kreis verletzt hatte. Hätte er nicht anders gestoppt werden können? Warum waren die Schüsse nötig? War die zerstörerische Baggerfahrt ein Amoklauf und warum war kein Spezialeinsatzkommando (SEK) vor Ort?
Erste Antworten und was drei Tage nach dem Vorfall bekannt ist:
Was weiß man über den erschossenen Baggerfahrer?
Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Mosbach stammt der 38-Jährige nicht aus Grünsfeld und war dort zuletzt nicht gemeldet. Sein Motiv, Baumaschinen und Autos eines ortsansässigen Unternehmers zu zerstören, war offenbar ein persönliches: Wie der Firmeninhaber im Gespräch mit der Redaktion sagte, hatte der 38-Jährige bis vor zwei Jahren in dem Betrieb gearbeitet. Der Mann habe dann von sich aus gekündigt und danach ihm und seiner Familie immer wieder gedroht, so der Unternehmer. Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Mannes gibt es laut Thorsten Zetsche, Staatsanwalt in Mosbach, nicht.
War die Tat eine Amokfahrt?
Als "Amokfahrt mit Bagger" betitelten verschiedene Medien ihre Berichterstattung über das Geschehen in Tauberbischofsheim. Als Amoklauf versteht man eine zerstörerische Gewalttat, oft mit tödlichen Folgen, die ohne für Außenstehende erkennbaren Auslöser geschieht.
Die Polizei hatte den Begriff "Amokfahrt" zunächst aufgebracht: "Aufgrund der ersten Eindrücke in Grünsfeld und Tauberbischofsheim ging man von einer Amokfahrt aus", erklärt Frank Belz vom Polizeipräsidium Heilbronn. Nachdem "objektiv nachvollziehbar war, dass die Tat wohl zielgerichtet gegen den Firmeninhaber ging", bezeichnet die Polizei die Tat jetzt nicht mehr als Amokfahrt.

Warum konnte die Polizei den Bagger bei der Verfolgungsfahrt nicht stoppen?
Der 38-Jährige steuerte den entwendeten Bagger nach der Zerstörung von Baufahrzeugen in Grünsfeld eine knappe Stunde lang auf der Bundesstraße nach Tauberbischofsheim. "Die Polizei errichtete Straßensperren mit Polizeiautos", berichtet Staatsanwalt Zetsche. Doch der Mann habe sich nicht aufhalten lassen.
Auch Lautsprecherdurchsagen und Warnschüsse hätten den Fahrer nicht stoppen können. Es sei vergeblich versucht worden, die Reifen durch Schüsse zu durchlöchern. Auch Schüsse auf die Hydraulikschläuche des Baggers seien abgegeben worden, um durch deren Zerstörung die Weiterfahrt zu stoppen. "Doch das ist nicht gelungen", so Zetsche.
Warum war das SEK nicht vor Ort?
Um 13.35 Uhr war die Polizei an Silvester laut Staatsanwaltschaft Mosbach über die Zerstörungen in Grünsfeld informiert worden. Um 14.42 Uhr fielen die tödlichen Schüsse in Tauberbischofsheim. Die Spezialeinsatzkommando (SEK) sei informiert gewesen, war aber nicht beim Einsatz dabei gewesen, erklärt die Staatsanwaltschaft. Über die Gründe werde man noch informieren.

Warum wurden keine psychologische Fachkraft hinzugezogen?
Laut Polizei und Staatsanwaltschaft wurde erfolglos versucht, den Mann über Lautsprecher von seinem Tun abzuhalten. Eine psychologische Fachkraft sei dazu nicht hinzugezogen worden. "Wir hatten eine dynamische Lage, der Baggerfahrer war trotz mehrfacher Aufforderung mittels Lautsprecher nicht verhandlungswillig", erklärt dazu Polizeisprecher Frank Belz.
Warum wurde auf den Baggerfahrer geschossen?
Laut Polizei gaben die Beamten Schüsse auf den 38-Jährigen ab, als er - trotz Warnschüssen und Lautsprecherdurchsagen - seine Fahrt vom Autohaus in Tauberbischofsheim fortsetzen wollte. Mehrere Beamte hätten Schüsse abgefeuert. Den Befehl dazu habe ein Einsatzleiter vor Ort erteilt, erklärt Staatsanwalt Thorsten Zetsche. Der Mann sei tödlich getroffen worden. Er sei noch einmal wiederbelebt worden, dann aber vor Ort gestorben, hatte das Polizeipräsidium Heilbronn mitgeteilt.

Inwiefern in der Situation am Autohaus eine Gefahr für Leib und Leben von Polizisten oder Unbeteiligter bestand, wollte die Polizei aktuell nicht beantworten. Staatsanwalt Zetsche erklärt dazu, diese Gefahr habe bereits während der Verfolgungsfahrt bestanden: Dabei seien drei Polizisten leicht verletzt worden, es habe Beinahe-Unfälle gegeben. Aufgrund der "gefährlichen Fahrweise" des Mannes sei die Polizei davon ausgegangen, dass der Bagger auf die Gegenfahrbahn geraten könnte.
Hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, den Mann aufzuhalten?
Eine Waffe hatte der frühere Mitarbeiter der Grünsfelder Firma nicht bei sich. "Seine Waffe war der Bagger", sagt der Mosbacher Staatsanwalt. Ob man den Bagger auf anderem Weg hätte stoppen können, werde in den Ermittlungen zum Schusswaffengebrauch vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg noch geklärt.