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Distelhausen: Erst 28 und jetzt Chef der traditionsreichen Distelhäuser Brauerei: Wie Moritz Bauer in die Heimat zurückkehrte

Distelhausen

Erst 28 und jetzt Chef der traditionsreichen Distelhäuser Brauerei: Wie Moritz Bauer in die Heimat zurückkehrte

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    Jung und bewusst ein bisschen konservativ: Moritz Bauer hat die Leitung der traditionsreichen Distelhäuser Brauerei wieder in die Familienhand zurückgeführt.
    Jung und bewusst ein bisschen konservativ: Moritz Bauer hat die Leitung der traditionsreichen Distelhäuser Brauerei wieder in die Familienhand zurückgeführt. Foto: Thomas Obermeier

    "Das wäre mir peinlich": Dieser Satz lässt tief blicken. Er drückt eine Bescheidenheit aus, die man Chefs nicht zwangsläufig zuschreibt. Doch Chef ist Moritz Bauer jetzt: Der 28-Jährige leitet die traditionsreiche Distelhäuser Brauerei in Tauberbischofsheim (Main-Tauber-Kreis). Ein Unternehmen, hinter dem eine Familiendynastie mit zuletzt sensiblen Hürden steht.

    Peinlich wäre Moritz Bauer, wenn er nach einer Gästeführung das Aufräumen der Biergläser an andere delegieren würde. Das macht er lieber selber. Und er räumt im Betriebshof auch schon mal eigenhändig den Abfall weg. Chef-Gehabe wie im Klischee? Das spürt man bei ihm nicht, im Gegenteil.

    Mit 13 Jahren den Vater verloren - und die Brauerei verlor den Chef

    28 – ein Alter, in dem nicht jeder junge Mensch sein Leben sortiert hat. Moritz Bauer offenbar schon. Zwangsläufig. Als er 13 war, verlor er seinen Vater wegen einer tödlichen Krankheit. Und die Brauerei verlor mit Stefan Bauer ihren langjährigen Chef.

    Seit 1876 war der Betrieb im Tauberbischofsheimer Stadtteil Distelhausen in der Hand der Familie Bauer gewesen. Nun tat sich ein Vakuum auf - und das heikle Thema Unternehmensnachfolge: Wer soll übernehmen?

    Erst mal ins Internat, dann Lehrjahre als Mälzer und Brauer

    Die Distelhäuser Brauerei entschied sich damals dafür, die Leitung in andere Hände zu geben. Zuletzt standen Christoph Ebers und Roland Andre an der Spitze. Dass Moritz Bauer einmal nach vorne rücken würde, zeichnete sich nicht ab. Nicht für die Familie - und nicht für ihn selbst, wie er heute sagt.

    Bauer machte an einem Heidelberger Internat das Abitur, ging dann für eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer ins Allgäu und machte schließlich in München den Abschluss als Betriebswirt. Dazu kamen Praktika in Brauereien zwischen Salzburg, Schwarzwald und Essen.

    Das war zwar schon nah dran am Metier der Familienbrauerei. Aber sein Weg sei völlig offen gewesen, sagt der 28-Jährige. Den Distelhäuser-Chefposten habe er nicht unbedingt zum Ziel gehabt - wenngleich er in all den Jahren in der Ferne "immer auch Heimweh gehabt" habe.

    "Ich bin damit super-glücklich."

    Sabine Bauer darüber, dass ihr Sohn nun die Distelhäuser Brauerei leitet

    Dieses Heimweh hat ein Ende: Seit wenigen Tagen ist Moritz Bauer geschäftsführender Gesellschafter der Distelhäuser Brauerei. Manager Roland Andre ist in den Ruhestand gegangen, und 82 Prozent der Gesellschaftsanteile liegen jetzt bei Bauer, der damit das Traditionsunternehmen wieder in die Familie zurückgeholt hat.

    Ein ungewöhnlicher Vorgang in der Region, kommt doch eher das Gegenteil vor: Familien ziehen sich mehr oder weniger zwangläufig aus der ersten Reihe zurück und übergeben - ganz oder teilweise - an externe Manager. Der Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer in Würzburg oder der Gipskonzern Knauf in Iphofen (Lkr. Kitzingen) zum Beispiel.

    Moritz Bauers Geschwister gingen beruflich andere Wege

    Moritz Bauers älterer Bruder entschied sich vor einigen Jahren dazu, die firmeneigene Metzgerei auf dem Brauereigelände zu übernehmen. Und auch seine ältere Schwester habe beruflich einen Weg gewählt, der nicht auf den Distelhäuser-Chefsessel führte, sagt der Betriebswirt und Brauer. So gab er im November 2022 seinen Job bei Paulaner in München auf - und ging erst mal als Praktikant durch alle Abteilungen bei Distelhäuser.

    Das Chefzimmer blieb 15 Jahre lang ungenutzt und unverändert: Wo sein Vater bis zu seinem Tod 2008 die Distelhäuser Brauerei leitete, hat jetzt Moritz Bauer Platz genommen. Christoph Ebers (links) steht ihm als Geschäftsführer zur Seite.
    Das Chefzimmer blieb 15 Jahre lang ungenutzt und unverändert: Wo sein Vater bis zu seinem Tod 2008 die Distelhäuser Brauerei leitete, hat jetzt Moritz Bauer Platz genommen. Christoph Ebers (links) steht ihm als Geschäftsführer zur Seite. Foto: Thomas Obermeier

    Im Arbeitszimmer des neuen Chefs sind Heimatverbundenheit und konservative Züge auszumachen. Nach dem Tod seines Vaters 2008 war das Chefzimmer nicht mehr genutzt und vor allem nicht verändert worden. Jetzt ist Sohn Moritz dort eingezogen.

    Okay, ein paar ganz alte Bilder in dem Raum mit dem Charme der 1980er Jahre habe er abgehängt, gibt der Juniorchef zu. Doch die Aktenordner des Vaters, das Geweih in der Besprechungsecke im Stile einer Gastwirtschaft, den alten Schreibtischstuhl - all das hat der 28-Jährige bewusst übernommen. In der Schreibtischschublade hat er sogar das Stofftaschentuch und den Lieblingskugelschreiber seines Vaters liegenlassen.

    Wenn Bauer Rat braucht, dann hilft ihm der Blick zurück. "Er fragt oft, wie dies oder das früher gemacht wurde. Oder wie es sein Papa gemacht hätte", sagt Mutter Sabine Bauer. Die 62-Jährige hatte nie einen offiziellen Posten in der Geschäftsleitung, ist aber bis heute ein prägendes Gesichter der Brauerei. Kaum jemand im Betrieb nennt sie beim Namen. Sabine Bauer ist einfach "die Chefin".

    Sabine Bauer (62) ist Seniorchefin der Distelhäuser Brauerei. Ihr Sohn Moritz Bauer ist seit Juni 2023 geschäftsführender Gesellschafter, also der Chef im Operativen.
    Sabine Bauer (62) ist Seniorchefin der Distelhäuser Brauerei. Ihr Sohn Moritz Bauer ist seit Juni 2023 geschäftsführender Gesellschafter, also der Chef im Operativen. Foto: Jürgen Haug-Peichl

    Wann ihr klar war, dass ihr Sohn auf dem Chefsessel Platz nehmen würde, könne sie nicht genau sagen, sagt die 62-Jährige. "Ich habe es ihm immer offengelassen. Jetzt bin ich damit super-glücklich."

    Die Heimatverbundenheit des neuen Firmenchefs zeigt sich auch im Ort: In der Feuerwehr engagiere er sich ebenso wie im Fußballverein, sagt Bauer. Jäger sei er auch. Und Kochen, Plaudern mit Freunden sei eine seiner liebsten Freizeitbeschäftigungen. Seine Freundin kenne er schon aus der gemeinsamen Zeit an der Realschule. Bauers Fazit nach den ersten Wochen und Monaten im eigenen Unternehmen: "Es gibt nichts Schöneres", als nach einem jahrelangen Leben aus dem Koffer irgendwo anzukommen. Nein, nicht irgendwo - in Distelhausen.

    "Wir sind schneller geworden."

    Geschäftsführer Christoph Ebers über Veränderungen durch Moritz Bauer

    Apropos Fußball: Abwehrspieler in der zweiten Mannschaft des SV Distelhausen sei er früher gewesen, sagt Bauer. Einer also, den die Defensive prägt und dessen Hauptaufgabe die Reaktion auf die Attacken des Gegners ist. Hinten absichern, nicht nach vorne drängen.

    Das scheint auch auf den Unternehmer zu passen: Nein, "eine Rampensau" mit Hang zum Scheinwerferlicht sei er nie gewesen, sagt der Juniorchef über sich. Geschäftsführer Christoph Ebers nickt: "Herr Bauer" habe ein stilles, ausgeprägtes Gespür für die Belange der Belegschaft und sei kein Manager mit wulstigen Reden.

    Mit wem Moritz Bauer per sie und per du ist

    Ebers ist 43 und war bislang das, was Moritz Bauer nun für ihn ist: der Chef. Mit der veränderten  Hierarchie habe er kein Problem, sagt Ebers lächelnd. Im Gegenteil: "Wir sind schneller geworden." Soll heißen: Mit einem Mitglied der Inhaberfamilie an der Spitze lassen sich bei Distelhäuser Entscheidungen zügiger treffen.

    Vielleicht ändert sich bald auch etwas, was bei der Gästeführung am Rande zu beobachten ist: Moritz Bauer ist mit den meisten der Beschäftigten per du, seit jeher. Mit Ebers aber per sie. Wie lange noch? Der Geschäftsführer schmunzelt: "Mal sehen."

    Distelhäuser BrauereiGegründet 1811, übernahm Ernst Bauer 1876 die Brauerei im Tauberbischofsheimer Stadtteil Distelhausen. Heute wird sie von der siebten Generation seiner Familie geführt, die alle Anteile hält. Der Radius des Unternehmens mit seinen 115 Beschäftigten beträgt nach eigenen Angaben 80 Kilometer rund um Distelhausen und reicht damit auch nach Mainfranken.In Würzburg ist die Distelhäuser Brauerei auf Großveranstaltungen wie dem Africa Festival, Umsonst & Draussen oder dem Hafensommer als Vertragspartner vertreten. Geschäftsführer Christoph Ebers sagt: "Würzburg ist unser wichtigster Markt."Im Jahr 2021 meldete die Distelhäuser Brauerei Ernst Bauer GmbH & Co. KG - bedingt durch Corona - einen verminderten Erlös von 11,5 Millionen Euro. Nach 10,8 Millionen in 2020 und jeweils gut 14 Millionen Euro in den beiden Jahren davor.aug

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