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TAUBERBISCHOFSHEIM: Kreuzworträtsel auf der Toilette

TAUBERBISCHOFSHEIM

Kreuzworträtsel auf der Toilette

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    Im Engelsaal sitzen sie diesmal nicht ganz so dicht gedrängt. Die da sitzen wollen entweder dem Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl oder dem ehemaligen Tatortkommissar näher kommen. Oder sie wollen erinnert werden, wie es vor 1989 war.

    Drei Bücher liegen auf dem Tisch, als Sodann mit einem Bier in der Hand die Bühne betritt. „Ist hier jemand von der SPD dabei? Nicht, dass ich Dresche kriege.“ Seine Sprache ist nicht unbedingt die eines Präsidenten, worauf er auch gern mal selber hinweist. Den sächsischen Dialekt, Sodann ist 1939 in Meißen geboren, hört man nur noch in abgeschliffener Form raus. Er schwatzt frei drauf los: „Hach, das wollte ich doch gar nicht erzählen“. Er liest: „Des hier – die Geschichte ist gut“. Er singt, er trägt kleine Gedichte zur Aufmunterung vor. Und er politisiert natürlich. Und manchmal ist das alles eins. Wenn er beispielsweise seine Rede anlässlich der Ehrung der Flutkatastrophenhelfer in Dresden 2002 vorliest, die natürlich politisch, witzig und mit Vierzeilern durchsetzt ist.

    Ackermann verhaften

    Immer wieder sorgt Sodann zwischendurch, wenn er das Lesen unterbricht, mit politischen Ansichten für Heiterkeit: „Wenn der Struck sagt, wir verteidigen Deutschland am Hindukusch! Dass das seine Frau so hingenommen hat? Also ich hätte mich scheiden lassen!“ Sodann liest eine Zeile aus seinem Buch, hebt den Kopf: „Den Ackermann, den würde ich gern mal verhaften. Bloß mal so.“ Und dann erzählt er über seine Erfahrungen mit Talk-Lady Sabine Christiansen, über seinen Besuch in der Villa Hammerschmidt und über Bäcker bei denen die Vierpfundbrote gerade schwächeln, ähnlich der Konjunktur.

    Bundespräsidialsprache

    „Ich lese das jetzt vor, nur damit Sie mich kennen lernen.“ Manchmal wirkt er wie ein zerstreuter Professor, in seiner Kordhose und mit dem Blick über die Lesebrille. Und manchmal, wie einer der es faustdick hinter den Ohren hat: „Wenn ich Bundespräsident wäre, ich würde jeden Morgen auf der Toilette Kreuzworträtsel machen. Damit ich an dem Tag zwei Erfolgserlebnisse habe!“ „Na gut, des war ooch wieder an der Bundespräsidialsprache knapp vorbei.“ Er kokettiert mit dem Publikum, kehrt bewusst den Proleten heraus.

    In den vorgelesenen Geschichten geht es um seine erste Begegnung mit dem Tod, um Neulehrer, um den Boykott des Russischunterrichts, und wie er als Lehrling in sein Berichtsheft schrieb: „Büstenhalter für Lenin gedreht“.

    Und man lernt Sodann wirklich etwas kennen. Sportler wollte er werden, aber er konnte nicht schwimmen. Also studiert er wegen seiner ersten großen Liebe Gertraude Jura. „Des mit der Liebe, das lese ich noch. Den Rest müssen Sie schon selber lesen!“ Zu guter letzt geht es um den Ruhestand: „Ich habe mich damit noch nie beschäftigt. Das klingt so, als wäre die Welt fertig mit einem. Aber ich bin nicht fertig mit der Welt!“

    Nach über zwei Stunden erntet Peter Sodann zu recht viel Applaus, den er auf seine eigene Weise kommentiert: „Hören se uff zu klatschen, sonst muss ich se ins Bellevue einladen.“

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