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MANNHEIM: Mannheim ringt um Multihalle

MANNHEIM

Mannheim ringt um Multihalle

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    Blick auf die Deckenkonstruktion der Mulithalle im Herzogenriedpark in Mannheim. Sie gilt als ein Meisterwerk des Stararchitekten Frei Otto zur Bundesgartenschau 1975, soll aber abgerissen werden, da die Holzkonstruktion marode geworden ist.
    Blick auf die Deckenkonstruktion der Mulithalle im Herzogenriedpark in Mannheim. Sie gilt als ein Meisterwerk des Stararchitekten Frei Otto zur Bundesgartenschau 1975, soll aber abgerissen werden, da die Holzkonstruktion marode geworden ist. Foto: Foto: Uwe Anspach/dpa

    Aus der Ferne erinnert das Dach an das Facettenauge eines Insekts. Vierecke aus Holzlatten, dazwischen weiße Folie – daraus besteht die Konstruktion der Mannheimer Multihalle. Um das architektonische Meisterwerk ist nun ein Streit entbrannt: Abreißen oder erhalten?

    „Jeder Architekt kennt die Multihalle. Dieser Bau ist weltweit einzigartig“, sagt Ludwig Schwöbel, Vorsitzender des Architekten- und Ingenieurvereins Rhein-Neckar. Architekten fordern den Erhalt der Halle – vor allem deren komplexe Formen seien bemerkenswert. Die Multihalle wurde für die Bundesgartenschau 1975 von Stararchitekt Frei Otto (1925-2015), dem Mitschöpfer des weltberühmten Münchner Olympiadaches, in Zusammenarbeit mit dem Mannheimer Architekten Carlfried Mutschler geplant.

    Die freitragende Konstruktion wurde anhand von Modellen konzipiert und mit einem Großcomputer optimiert. Diese Meisterleistung wollten immer noch viele Architekten aus aller Welt sehen, erzählt Esat Keklik. Fotos vom Inneren der Halle können die Besucher aber nur in seinem Restaurant schießen, das in der Multihalle liegt. Die Halle selbst dürfen sie nicht betreten – durch Verformungen ist sie seit Jahren einsturzgefährdet.

    Die Sanierungskosten für das Holzgittertragwerk und die Dachhaut belaufen sich laut der Stadt Mannheim auf etwa 11,6 Millionen Euro. 2012 wurden die Kosten noch auf etwa fünf Millionen Euro geschätzt. „Die in den letzten Jahren vorgenommenen Untersuchungen haben jedoch ein weitaus größeres und schwieriger einzuschätzendes Schadensbild ergeben“, sagt ein Sprecher der Stadt Mannheim. Der Grund dafür sei, dass die Multihalle für eine temporäre Nutzung geplant worden sei, nicht für eine Dauernutzung.

    Ludwig Schwöbel war vor einigen Jahren auch an den Planungen beteiligt. Er hält die genannten Kosten für völlig überzogen. „Ich bin mir sicher, dass man die Multihalle wesentlich günstiger sanieren kann. Für die Kalkulationen wurde mit einer sehr aufwendigen Sanierungsmethode geplant, bei der die gesamte Konstruktion verstärkt werden muss“, erläutert der Architekt. Dadurch würde auch die originale Bausubstanz verändert, was nicht wünschenswert sei.

    Die Stadt Mannheim weiß um die Einmaligkeit des Bauwerks, aber wegen der weitreichenden Schäden sind die Maßnahmen für sie mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden. Daher hat der Gemeinderat Mitte Juni beschlossen, die Sanierung sei wegen der hohen Kosten und weiterer Risiken im Bauverlauf weder tragbar noch zumutbar.

    Die Sanierung sei eine Aufgabe, die „von privater Seite und ergänzend von Bund und Land zu finanzieren“ sei. Deshalb soll es eine Spendenkampagne der Stadt für die Multihalle geben.

    Um den Erhalt zu garantieren, will die Architektenschaft bei der Unesco einen Antrag auf Anerkennung als Weltkulturerbe stellen. Dadurch könnten auch neue Fördergelder generiert werden.

    Falls bis Ende des Jahres 2017 keine Finanzierung steht, bliebe nur noch der Rückbau übrig. Was aus dem Restaurant in der Multihalle wird, weiß Betreiber Esat Keklik noch nicht. „Ich müsste an einigen Stellen investieren. Aber falls die Halle doch abgerissen wird, wäre das alles umsonst. Das Risiko kann ich nicht eingehen.“

    Mannheimer Multihalle von Stararchitekt Frei Otto

    Unter Denkmalschutz steht die Multihalle Mannheim. Sie ist die größte freitragende Holzgitterschalenkonstruktion der Welt. Die Planer wollten die Halle an die hügelig modellierte Parklandschaft anpassen. „Frei Otto experimentierte mit sehr komplexen Formen. In der Relation ist das Dach der Multihalle nur so dünn wie die Schale eines Eis“, erklärt Architekt Ludwig Schwöbel. Die Halle ist 160 Meter lang und 115 Meter breit. Der höchste Punkt der 9500 Quadratmeter großen Dachfläche liegt 20 Meter über dem Boden. Unter Denkmalschurz steht die Hängekonstruktion seit 1988.

    Weitere herausragende Projekte von Architekt Frei Otto (1925-2015):

    • München: Das elegante Zeltdach im Olympiapark galt lange als unbaubar. Stadion-Architekt Günter Behnisch sowie Frei Otto und der Stuttgarter Ingenieur Jörg Schlaich verblüfften 1972 die Fachwelt.

    • Köln: Die Open-Air-Bühne Tanzbrunnen überspannt eine Zeltkonstruktion von Otto. Sie wurde zur Bundesgartenschau 1957 aufgebaut und seither mehrmals saniert. Das Sternwellenzelt überdeckt 500 Quadratmeter.

    • Bremen: Die auffällige St.-Lukas-Kirche im Stadtteil Grolland wurde 1963 nach den Plänen von Otto und Carsten Schröck gebaut. Sie steht unter Denkmalschutz.

    • Mannheim: Die Multihalle sollte eigentlich nur für die Dauer der Bundesgartenschau 1975 stehen. Inzwischen ist die Holzgitterkonstruktion von Otto & Co. ein Kulturdenkmal. dpa

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