Ein mutmaßlicher Skandal in einem Schlachthof in Tauberbischofsheim hat am Donnerstag eine Diskussion über Zustände in solchen Einrichtungen entfacht. Tierschützer sind entsetzt. Der Betrieb in Tauberbischofsheim wurde geschlossen. Rund 20 Polizeibeamte durchsuchten ihn auf Antrag der Staatsanwaltschaft.
Die Fastfoodkette McDonald's und Tierrechtsaktivisten haben nach eigenen Angaben Strafanzeige gegen Verantwortliche des Schlachthofs gestellt, der Teil des internationalen Nahrungsmittelkonzerns OSI ist. Es gehe um den Verdacht des Verstoßes gegen den Tierschutz, teilten McDonald's und der Augsburger Verein Soko Tierschutz mit.
Offenbar Rinder bei Bewusstsein aufgeschlitzt
Der Schlachthof in Tauberbischofsheim war am Mittwoch von den Behörden dichtgemacht worden. Hintergrund sind sowohl Aufnahmen von Überwachungskameras des Betriebs als auch von Tierschützern heimlich gedrehte Szenen. Zunächst hatten stern.de und RTL über den Fall berichtet.
Auf den heimlich gedrehten Videos sind Rinder zu sehen, die im Zuge der Schlachtung offenbar nicht ausreichend betäubt wurden. Soko Tierschutz kritisiert zudem, dass Tiere bei Bewusstsein aufgeschlitzt oder mit Elektroschockern misshandelt worden seien. Und das, obwohl die amtlichen Tierärzte zugesehen hätten, so der Verein weiter. Das Bildmaterial aus dem Schlachthof wurde von Soko Tierschutz auch an das Fernseh-Magazin „Stern TV“ übergeben, das am Mittwochabend auf RTL darüber berichtete.
Landratsamt drängt auf Aufklärung...
Dem Landratsamt Main-Tauber liegen die heimlich gedrehten Szenen „bis jetzt nicht vor“, teilte Sprecher Markus Moll am Donnerstag mit. Seine Behörde habe in Abstimmung mit dem baden-württembergischen Verbraucherschutzministerium „alles in die Wege geleitet, um den Sachverhalt aufzuklären“.

Moll zufolge wurde das Landratsamt am Samstag von „Stern-TV“ schriftlich über die Videoaufnahmen in dem Schlachthof informiert. Daraufhin habe das Veterinäramt betriebseigene Bilder des Schlachthofes gesichtet, „die zum sofortigen Handeln Anlass gaben“.
...und ermittelt in den eigenen Reihen
Wie der Sprecher mit Blick auf die Soko-Kritik an den amtlichen Tierärzten weiter sagte, prüfe das Landratsamt derzeit, inwieweit das eigene Personal „Verfehlungen begangen hat“. Moll zufolge sind bei jeder Schlachtung immer zwei Tierärzte anwesend. Wie es die Tierschützer schafften, heimlich in dem Schlachthof zu filmen, „wissen wir nicht“.
Soko-Vorsitzender Friedrich Mülln spricht von „verheerenden Tierschutzzuständen“ in Tauberbischofsheim. Auch ein McDonald's-Sprecher sagte: „Die uns vorgelegten Aufnahmen aus dem Schlachthof beinhalten auch aus unserer Sicht gravierende Verfehlungen in dem Schlachtbetrieb. Dies ist für uns nicht akzeptabel.“ Mülln forderte „eine Art Landeskriminalamt für den Tierschutz, das hart und unabhängig zuschlagen kann“.
Empörung in den Internet-Netzwerken
Der Fall hat gerade in den Internet-Netzwerken überwiegend für Empörung gesorgt. „Zu was Menschen imstande sind . . .“, schreibt etwa eine Nutzerin bei Twitter über die Szenen im Tauberbischofsheimer Schlachthof.
Zuletzt war im Dezember ein Schlachtbetrieb im nordrhein-westfälischen Düren wegen ähnlicher Vorwürfe in die Schusslinie geraten. Für Tierschützer Mülln Anlass zu genereller Kritik: „Die Zustände in deutschen Schlachthöfen sind allgemein sehr, sehr schlecht.“ Der Fall in Tauberbischofsheim habe „mal wieder gezeigt, dass es immer noch schlimmere Zustände geben kann“, wird Mülln auf stern.de zitiert.
Der Betrieb in Tauberbischofsheim gehört seit 2017 zum OSI-Konzern mit Europa-Sitz in Gersthofen bei Augsburg, einem Lieferanten von McDonald's. Täglich wurden an der Tauber laut Landratsamt circa 200 Rinder geschlachtet. McDonald's bezog nach eigenen Angaben rund 30 Prozent des Fleisches.
Unternehmen will untersuchen lassen
OSI kündigte eine Untersuchung und ein erneutes Training bezüglich der firmeneigenen Tierwohlstandards an: „Auch wenn wir das Videomaterial nicht gesehen haben, finden wir die Anschuldigungen beunruhigend und haben die Produktion im Schlachthof (. . .) vorübergehend gestoppt.“ Der Konzern „akzeptiert keine Form des unangemessenen Umgangs mit Tieren“, heißt es in einer Mitteilung vom Donnerstag. Was mit den 45 Mitarbeitern im Tauberbischofsheimer Schlachthof geschieht, sei noch nicht klar, so ein OSI-Sprecher. Er schloss Kündigungen nicht aus.
Schon 2015 hatte es Schlagzeilen gegeben
Der Schlachthof, in dem schon 2015 Mängel angemahnt worden waren, bleibt nun nach Angaben des Landratsamtes Main-Tauber geschlossen, bis die Einhaltung des Tierschutzes sichergestellt ist. Wie lange das dauert, sei unklar, so Sprecher Moll. Nach seinen Worten seien die Mängel 2015 am Gebäude sowie beim Umgang mit den Tieren festgestellt worden. Alles in allem sei dieser Fall noch nicht abgeschlossen, doch der Betrieb schien zuletzt „auf gutem Weg“.
Wie McDonald's weiter mitteilte, sei eine schnelle Aufklärung jetzt „im Sinne aller Verbraucher“, denn der OSI-Schlachthof liefere 70 Prozent seiner Produkte an andere Abnehmer als die Fastfoodkette. „Auch deren Kunden haben ein Recht auf zügige Klärung des Sachverhalts“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Wer OSI ist
OSI wurde 1909 in den USA gegründet. 1955 wurde das Unternehmen nach eigenen Angaben für McDonald's erster Lieferant von frischem Hackfleisch. Gut 20 Jahre später expandierte OSI nach Deutschland, wo der Konzern heute neben Tauberbischofsheim einen weiteren Schlachthof betreibt.