"Wenn wir weinen würden, würde es auch nicht besser", meint Wilhelm Weber. Der 62-Jährige führt in der Neugasse, mitten in der Wertheimer Altstadt, einen Gas-, Wasser- und Elektro-Installationsbetrieb. Am Pfosten der Eingangstür hat seine Schwiegertochter Tamara Weber bereits den letzten Höchststand des Maines bei 6,08 Meter gekennzeichnet. Nur zwei Markierungen befinden sich darüber: 1995 und 1970 stand das Wasser höher in der Wertheimer Altstadt.
Seit Dienstag sind die Webers mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Sie haben gleich drei Häuser zu säubern. Das Erdgeschoss muss jeweils leer geräumt werden, ehe der Dreck, den die Mainbrühe hinterlassen hat, entfernt werden kann. "Wegziehen würden wir aber nie", betont Wilhelm Weber, gebürtiger Wertheimer. "Wir sind hier so verwurzelt, mit dem Hochwasser muss man einfach leben."
Wer keine Familienmitglieder oder Freunde hat, die beim Aufräumen mithelfen, bekommt Unterstützung durch die Stadt. Im Einsatz sind die Mitarbeiter des Städtischen Bauhofs und der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) sowie die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks (THW) und der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Neun Marinesoldaten des Wertheimer Patenschiffes Tender "Main" sind seit Dienstagnachmittag vor Ort und helfen. Und acht Hauptschüler der Wertheimer Grund- und Hauptschule helfen bei der Reinigung der Metzgerei Bundschuh in der Maingasse, die stark verschmutzt ist.
Überall in der Altstadt laufen laut ratternd die Pumpen. Einsatzkräfte spritzen die Straßen mit Schläuchen ab, kehren oder schieben den Schmutz mit Frontladern von den Gassen. Zugleich wird Salz gestreut: Bei den Minustemperaturen um zehn Grad verwandelt sich die nassen Flächen schnell in eine Eisbahn.
Kälte bindet Wasser
Trotz der Glättegefahr ist Volker Neumeier froh über die Kälte: "Das Wetter hat uns geholfen", sagt der Bereichsleiter vom Amt für öffentliche Ordnung. Und Einsatzleiter Alfred Hickl pflichtet ihm bei: "Die Kälte bindet das Wasser." Bei einem Pegelstand von 3,97 am Mittwochvormittag sind die Stege in der Altstadt schon abgebaut, die Sandsäcke abgefahren, der Krisenstab ist aufgelöst. "Wir hoffen, dass die Aufräumarbeiten bis Anfang nächster Woche beendet sind", so Neumeier. Am Donnerstag stehen von neun bis 17 Uhr zwei Container in der Altstadt, wo die Hochwassergeschädigten kostenfrei den Unrat aus ihren Kellern entsorgen können.
281 Gebäude in Wertheim waren insgesamt von der Flut betroffen, davon 161, die als Geschäfts-, Büro- oder Praxisräume genutzt werden. Um den Einzelhandel zu unterstützen, haben die Stadtverwaltung die Werbegemeinschaft einen verkaufsoffenen Sonntag vereinbart: Am Sonntag, 19. Januar, werden die Läden in der Altstadt öffnen.
Kritik an der Prognose
Mittlerweile haben Mitarbeiter des Wasser- und Schiffahrtsamtes in Aschaffenburg die Wertheimer Warnung vor einem Jahrhunderthochwasser mit einem Wasserstand von bis zu sieben Metern als sehr ungenau kritisiert. Das weisen Neumeier und Hickl zurück. "Am Montagabend kam eine zweite Flutwelle und brachte den Wasserstand auf 5,98 Meter. Ohne den Kälteeinbruch hätten wir mindestens 30 Zentimeter mehr gehabt", erklärt Hickl. Wenn es dann noch weiter geregnet hätte, wäre der Pegel auf die angekündigten sieben Meter geklettert, sind sich beide sicher.
Die Schwierigkeit einer genauen Prognose führen die Männer darauf zurück, dass die Flut nicht von Schmelzwasser, sondern von den langen Regenfällen verursacht wurde. "Es ist dann einfach nicht genau vorhersehbar, wieviel Wasser von Sinn und Saale in den Main fließt. Und dann geben wir sicherheitshalber eine höhere Prognose ab, ehe sich die Leute nicht genügend schützen", verteidigt Alfred Hickl die Vorgehensweise.
Inzwischen sind verschiedene Spendenkonten eingerichtet. Einzahlungen unter dem Stichwort "Hochwasserhilfe" kommen besonders hart getroffenen und bedürftigen Wertheimer Familien zugute. Informationen erteilt das Kultur- und Presseamt der Stadt unter Tel. (0 93 42) 30 13 00 oder 30 13 13.
Spenden können unter dem Stich- wort "Hochwasserhilfe" bei fol- genden Banken eingezahlt wer- den: Sparkasse Tauberfranken, Konto Nr. 302 01 04, BLZ 673 525 65; Volksbank Main-Tau- ber, Konto-Nr. 185 000, BLZ 673 900 00; Dresdner Bank Wert- heim, Konto-Nr. 345 110 000, BLZ 790 800 52; Baden-Württembergi- sche Bank AG, Konto-Nr. 580 220 6200, BLZ 673 200 20.