Das Stadtwerk Tauberfranken wurde 2022 aufgrund seiner Bemühungen für den Klimaschutz für den baden-württembergischen Umweltpreis nominiert, kürzlich landete der Energiedienstleister beim Zukunftspreis des Main-Tauber-Kreises zum Thema "Attraktiver Arbeitgeber" auf Platz eins in der Kategorie ab 50 Mitarbeitende. Wie kommt es zu diesen Auszeichnungen? Im Interview berichtet Geschäftsführer Paul Gehrig von der Unternehmensstrategie "Roadmap 2030" und ersten Erfolgen.
Paul Gehrig, die "Roadmap 2030" ist die Strategie des Stadtwerks Tauberfranken, bis 2025 klimaneutral zu werden und dies ab 2030 zu bleiben. Wie definieren Sie Klimaneutralität?
Paul Gehrig: Klimaneutralität bedeutet, dass wir das Gleichgewicht zwischen Ausstoß und Aufnahme von CO2 herstellen. Das heißt, dass wir Maßnahmen ergreifen, um CO2-Emissionen zu vermeiden, wie der Ausbau von Erneuerbaren Energien, und in Projekte zu investieren, welche die Bindung von CO2 forcieren, zum Beispiel die Aufforstung von Wäldern und der Ausbau unserer Blühflächen. Wir sprechen bei CO2-Emissionen von CO2-Äquivalenten, das heißt von allen relevanten Treibhausgasemissionen.
Weshalb hat das Priorität?
Gehrig: Wenn wir unseren Kindern eine lebenswerte Welt hinterlassen und die Klimaziele der Landesregierung, also bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu sein, erreichen möchten, ist es für uns als Stadtwerk Tauberfranken die logische Konsequenz unseren Beitrag für eine nachhaltige Zukunft zu leisten und die CO2-Emissionen zu reduzieren.
Welche Schritte wurden innerhalb der Roadmap bereits erfolgreich umgesetzt?
Gehrig: Wesentlich ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien wie Solar- und Windkraft, den wir ambitioniert umsetzen, sowie der Vertrieb unserer regional erzeugten Energie, die Versorgung mit klimafreundlicher Wärme über unser Naturwärmekraftwerk, aber auch nachhaltige Dienstleistungen wie unsere Energieberatungen, Smart City-Anwendungen oder die kommunale Klimaschutzberatung. Um die Glaubwürdigkeit unseres Engagements zu stärken und unsere Umwelt- und Klimaschutzleistungen permanent zu verbessern, haben wir das europaweit anspruchsvollste Umweltmanagementsystem "EMAS", European Management und Audit Scheme, eingeführt. Hierbei werden unsere Klima- und Umweltschutzleistungen regelmäßig von unabhängigen, staatlich zugelassenen und überwachten Umweltgutachtern geprüft und zertifiziert.

Hauptziel des Jahres 2023 ist es, die Nummer eins in der Region für Beratungsleistungen rund ums Thema "Kommunaler Klimaschutz" zu werden – wie soll das gestaltet werden und welche Rolle spielt dabei Ann-Kathrin Murphy, Leiterin des Klimaschutzmanagements beim Stadtwerk?
Gehrig: Im Klimaschutz kommt den Städten und Gemeinden eine Schlüsselrolle zu. Daher unterstützt Frau Murphy als qualifizierte Klimaschutzmanagerin im Rahmen der Einstiegs- und Orientierungsberatung regionale Kommunen auf dem Weg zu mehr Klimaschutz. Die Beratung wird aktuell vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Von Themen wie die Einrichtung eines kommunalen Klimaschutzmanagements, Klimafolgenanpassung in Städten, Nachhaltigkeitskriterien in der Bauleitplanung, alternative Mobilität, Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung bis hin zum Energiemanagement in Liegenschaften erarbeitet Frau Murphy gemeinsam mit Verwaltung und Politik Klimaschutzmaßnahmen für die Kommune. Aktuell nehmen regionale sechs Kommunen diese Dienstleistung in Anspruch.
Wie sieht der Ausbau der Erneuerbaren Energien konkret aus?
Gehrig: Aktuell sind wir in der Umsetzung des bisher größten Freiflächen-PV-Parks in Baden-Württemberg mit einer Gesamtfläche von 65 Hektar. Die Fläche teilen wir uns mit Partnern. Wir selbst haben fünf weitere PV-Freiflächenanlagen in der Region konkret in der Planung. Bei der Windkraft verhandeln wir konkret über zwei Windkraftanlagen auf der Gemarkung Mergentheim. Der erfolgreiche Windpark in Külsheim ist aus unserer Sicht tatsächlich erweiterbar, die Prüfungen laufen. In Summe lässt sich sagen, dass unsere ländliche Region noch viel Potenzial für Erneuerbare Energien-Anlagen hat und diese zunehmend nutzt.
Welche Rolle spielt Wasserstoff in der strategischen Ausrichtung?
Gehrig: Wir haben mit Partnern zusammen die H2-Main-Tauber GmbH gegründet, unser Anteil beträgt 20 Prozent. Ziel ist es, über eine Machbarkeitsstudie zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen wir unter Einbindung Erneuerbarer-Energien-Anlagen wirtschaftlich vertretbar Wasserstoff in der Region erzeugen können. Deshalb wollen wir möglichst die Wärme und den Sauerstoff, die bei Wasserstoffproduktion entstehen, mitnutzen. Deswegen will die H2 Main-Tauber GmbH gemeinsam mit dem "Steinbeis Innovationszentrum energieplus" potenzielle Standorte für Elektrolyseure in Wertheim und Bad Mergentheim untersuchen. Strategisch wird Wasserstoff als Energieträger die Rolle schlechthin haben. Er wird in der Produktion und im Schwerlastverkehr benötigt und kann unter Beimischung in die Erdgasnetze auch bei der Wärmeerzeugung CO2 reduzieren.
Gibt es bezüglich der Roadmap einen Austausch mit anderen Stadtwerken, Landkreisen und Stakeholdern?
Gehrig: Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe erfordert Kooperationen – mit Kommunen, dem Landkreis, aber auch mit Initiativen, Institutionen und Unternehmen wie der Allianz Wasserstoff. Auch in der Zusammenarbeit mit anderen Stadtwerken, zum Beispiel mit den Stadtwerken Wertheim nutzen wir Synergien, um unsere Ziele zu erreichen. Der Main-Tauber-Kreis hat 2018 ein integriertes Klimaschutzkonzept erstellt, welches nun auf Kreisebene umgesetzt wird. Als Mitglied des Lenkungskreises und im Rahmen einer Kooperation unterstützen wir als Stadtwerk Tauberfranken die Energieagentur des Landkreises bei der Umsetzung des Konzeptes.
2022 war das Stadtwerk für den Umweltpreis BW nominiert. Was passiert beim internen Klimaschutz?
Gehrig: Wir sensibilisieren und aktivieren unsere Mitarbeitenden durch gemeinsame Klimaschutzprojekte wie Nistkästenbau, Müllsammelaktionen und Waldaktionstage. Im Bereich der Mobilität rüsten wir unseren Fuhrpark auf E-Mobilität um und bieten darüber hinaus allen Mitarbeitenden die Möglichkeit, Teile unseres Fuhrparks als E-Carsharing zu nutzen. Zudem binden wir Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung mit ein. Mittels intelligenter Sensorik konnten wir die Energieeffizienz unseres Heizsystems enorm steigern und unseren Energieverbrauch reduzieren. Wir nutzen zudem Strom, der direkt von unserer PV-Anlage auf dem Dach kommt.
Das Stadtwerk TauberfrankenDas Unternehmen ist Energie- und Servicedienstleister für Strom, Gas, Wasser, Wärme, Breitband, Wlan, LoRaWAN, Smart-City, E-Lade-Infrastruktur, PV-Anlagen. Eigentümer sind die Stadt Bad Mergentheim (50,1 Prozent), Thüga AG (39,9) und über die Stadtwerk Tauberfranken Beteiligungsgesellschaft mbH die Städte und Gemeinden Assamstadt, Boxberg, Grünsfeld, Igersheim, Königheim, Krautheim, Künzelsau, Lauda-Königshofen und Tauberbischofsheim. Das Versorgungsgebiet umfasst den Mittleren Main-Tauber-Kreis und nördliches Hohenlohe.Das Stadtwerk hatte 2022 110 Mitarbeitende und einen Umsatz von 80 Millionen Euro netto. Wesentliche Beteiligungen sind: Naturwärme Bad Mergentheim GmbH (100 Prozent), Windpark Külsheim GmbH (40), Thüga Erneuerbare Energien GmbH (2,34), Stadtwerk Külsheim GmbH (49), Energie- & Wasser Service Main-Tauber GmbH (50), 5G Synergiewerk GmbH (16,6) und H2 Main-Tauber GmbH (20).Quelle: (lihe)