"Immer häufiger stehen Gäste vor verschlossenen Türen. Wer zum Essen rausfährt oder etwas trinken möchte, sollte sich besser vorher im Internet oder per Anruf erkundigen, ob das Lokal auch offen hat. Und vor allem, wie lange es warme Küche gibt", rät Frank Meckes von der Gastronomie-Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Heilbronn und blickt dabei auf eine scheinbar prekäre Situation im Main-Tauber-Kreis. Laut Arbeitsagentur würden dort 84 unbesetzte Jobs auf Köchinnen und Köche warten. "Aber auch um den Nachwuchs macht sich das Gastgewerbe Sorgen: 23 Ausbildungsplätze sind immer noch frei. Für die Azubi-Suche läuft der Countdown. Und es sieht nicht gut aus. Denn eigentlich müssten die Verträge für das neue Ausbildungsjahr schon längst abgeschlossen sein."
Frank Störzbach ist Marketingleiter bei der Distelhäuser Brauerei, zu der das "Brauhaus" – ein Wirtshaus mit Biergarten – in Distelhausen gehört. Auch dort hatte der Personalmangel Folgen. "Intensiv spürbar war dieser nach der siebenmonatigen Lockdownzeit", blickt Frank Störzbach zurück. Seit Kurzem habe man den Mangel weitgehend behoben und die Stellen größtenteils besetzt. "Zeitweise hatten wir den Mittagstisch eingestellt, den wir nun aber wieder anbieten, die Öffnungszeiten wurden mit der Schließung von 22 auf 21 Uhr reduziert sowie die Ruhetage vermehrt – anfangs drei, aktuell sind es zwei."
Andere Branchen zahlen besser
Die Ursache für diese Entwicklung sieht er in der Coronazeit und im dadurch bedingten Lockdown: "Viele Arbeitskräfte sind aus der Gastronomie in andere Branchen abgewandert und dort geblieben." In anderen Branchen würden zudem oft höhere Löhne bezahlt werden. Dazu käme, dass der ländliche Bereich gegenüber den Ballungszentren wie Würzburg oder Heilbronn im Nachteil sei. Viele Arbeitskräfte in der Gastronomie seien Studierende: "Diese fahren nicht 'aufs Land'." Inzwischen seien in der Konsequenz Stundenlöhne angepasst worden, es gebe Zeitzuschläge und es seien Teilzeitstellen eingerichtet worden, "die gerade für Mütter zeitlich gut zu bewerkstelligen sind".
Auch Anette Markert vom Hotel-Landgasthof "Grüner Baum" in Dittigheim bestätigt den Personalmangel – dieser sei ein weit verbreitetes Problem, das viele Gastronomiebetriebe betreffe. Standort, Betriebsgröße und die aktuelle Nachfrage würden für die Situation eine Rolle spielen, "hohe Arbeitsbelastung und unregelmäßige Arbeitszeiten, insbesondere abends und am Wochenende, sind weitere Faktoren", so ihr Eindruck. Auch in ihrem Betrieb wurden die Öffnungszeiten verkürzt und die Löhne erhöht. "Leider ist es dennoch sehr schwierig, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, da diese Maßnahmen nicht immer ausreichen", erklärt sie. Insbesondere auf dem Land gestalte es sich zunehmend schwierig, vor allem für Stoßzeiten, junge Mitarbeitende zu finden. "In der Stadt ist die Situation oft attraktiver."
Personalmangel zwingt zur Schließung
Dass der Personalmangel sogar zur Schließung führen kann, zeigt das Beispiel der Herbsthäuser Brauerei-Gaststätte, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Herbsthäuser Brauerei, in der Nähe von Bad Mergentheim. Das Wirtshaus mit 240 Sitzplätzen innen und außen war gefragt und hatte schon Buchungen für 2024 und 2025 vorliegen, doch wird es die Tore nach dem 28. Oktober 2023 zumindest vorläufig zu machen. Vor Corona hatte der Gastronomiebetrieb sechs Festangestellte und 17 Aushilfen. Nach Corona sind es noch Sebastian Vetter, der angestellte Geschäftsführer der Brauerei-Gaststätte, mit seiner Frau Kerstin Spiegler und eine Festangestellte, zwei Teilzeitkräfte sowie vier Aushilfen. Gemeinsam mit Christian Wunderlich, dem Geschäftsführer der Herbsthäuser Brauerei, hatte Sebastian Vetter nach neuen Konzepten und Auswegen wie dem Einsatz von Service-Robotern gesucht, die sich aber im Gebäude nicht umsetzen ließen. Bis wann ein Nachfolger gefunden werden kann, ist derzeit noch offen.
Sven Dell, Geschäftsführer des Tourismusverbandes "Liebliches Taubertal", ist sich der Situation bewusst: "Der Personalmangel in der Gastronomie ist in der Tat auch im Main-Tauber-Kreis eine Herausforderung, die es zu meistern gilt", bestätigt er, "Gastronomen mussten teilweise ihre Öffnungszeiten an die neue Personalsituation anpassen." Tourismus und Gastronomie seien untrennbar miteinander verbunden. "Die Verfügbarkeit von gastronomischen Betrieben ist ein wichtiger Bestandteil für eine angenehme Reise. Aber auch für Einheimische spielt die Gastronomie eine wichtige Rolle im Alltag. Sei es zur Freizeitgestaltung oder als Arbeitgeber. Das gastronomische Angebot hat somit einen großen Einfluss auf die Attraktivität des Lebens-, Arbeits- und Urlaubsraums einer Region."
Gemeinsam neue Wege finden
Die derzeitige Situation sei eine Gemeinschaftsaufgabe verschiedener Bereiche. Der Tourismusverband, zuständig für die Vermarktung der Urlaubsregion, stehe im engen Austausch mit Expertinnen und Experten der Branche wie dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. "Um Fachkräftegewinnung kümmert sich unter anderem das Amt für Wirtschaft und Klimaschutz des Landratsamtes Main-Tauber-Kreis im Rahmen verschiedener Programme mit internen und externen Partnern wie den Industrie- und Handelskammern. Nur gemeinsam kann dieses Thema all umfänglich angegangen werden." Es gehe darum, gemeinschaftlich neue Wege zu finden, so Dell weiter, welche die Attraktivität der Gastronomiejobs in der Region erhöhen können: "Verschiedene Faktoren zahlen hierauf ein: Arbeitszeit- und Vergütungsmodelle spielen eine ebenso wichtige Rolle wie die Mobilität oder Freizeitgestaltungsmöglichkeiten am Arbeits- und Lebensstandort. Es gilt, die Jobs sowohl für bereits Einheimische attraktiver zu machen als auch Fachkräfte aus anderen Regionen für den Lebensraum Main-Tauber-Kreis zu gewinnen und Berufsanfänger darin zu bestärken, dass eine Ausbildung in der Gastronomie eine zukunftsfähige Entscheidung ist."
Auch in puncto Neuansiedlung und Eröffnung von Gastronomiebetrieben solle einiges geschehen: "Verschiedene Fördermöglichkeiten des Landes und Bundes bieten bereits finanzielle Unterstützung zur Ansiedlung. Damit ist es jedoch noch nicht getan. Auch hier gilt es neue Ideen und Konzeptionen zu finden und zu prüfen."