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Tauberbischofsheim: Rücksichtslose Comedy im tauberfränkischen Nest

Tauberbischofsheim

Rücksichtslose Comedy im tauberfränkischen Nest

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    Ingo Appelt gab sich im Engelsaal des Kunstvereins die Ehre – zum zweiten Mal seit langer Zeit. Vor ziemlich genau 27 Jahren war er schon einmal in Tauberbischofsheim zu Gast. Wer sich von diesem Gastspiel des Komikers in der tauberfränkischen Provinz (der Gast wählte dafür eine derbere Bezeichnung) eine Begegnung der besonderen Art erwartet hatte, wurde nicht enttäuscht.

    Die Veranstaltung war binnen Stunden ausverkauft, und die Kartenbesitzer taten an diesem Abend das Ihre, diesen Glücksfall ausgiebig auszukosten: Über mehr als zwei Stunden hinweg ging es im Engelsaal so richtig hoch her, es war laut, sogar sehr laut, es wurde weniger gelacht – dies auch – aber mehr aus überschwappendem Vergnügen gewiehert und gebrüllt, und auch der Hauptakteur war, obwohl stark erkältet, von dem tobenden Widerhall sichtlich angetan, wurde dadurch offenbar zusätzlich inspiriert. Wenn man zuvor schon geahnt hatte, dass hier ein Typ auf der Bühne steht, der einen Saal „rocken“ kann, hier wurde es bestätigt.

    Seine Power ließ nie nach

    Es ist hier nicht der Platz, den 1967 in Essen geborenen Comedian, der einige Zeit in Würzburg lebte, ausführlich vorzustellen. Seit seinen Anfängen zu Beginn der 1990-er Jahre hat er eine zeitweise steile Karriere hingelegt, war freilich auch nie unumstritten. Auch vielen ansonsten sich liberal dünkenden Zeitgenossen schien diese Art von Humor allzu saftig und scharf gewürzt – selbst für Privatsender.

    In einem „Nest“(Ingo Appelt) inmitten einer hartgesottenen, erwartungsfrohen Fangemeinde braucht man sich manche Rücksichten, die man vor Massenpublikum anderswo nehmen muss, nicht aufzuerlegen, kann seiner Laune die Zügel schießen lassen, und das tat dieses komische Naturereignis denn auch mit unglaublicher Vehemenz, Durchschlagskraft und einer über die Dauer des Abends nie nachlassenden Power.

    Die fleischgewordene Provokation

    Auf der Bühne ist Ingo Appelt der Inbegriff des Rotzfrechen: Mit breit grinsendem Pfannkuchengesicht, Schlitzaugen und einer angedeuteten Mephisto-Punkfrisur ist er schon optisch die fleischgewordene Provokation einschließlich seines inzwischen stattlichen Bauches, der aber nicht solide, sondern ebenfalls irgendwie dreist anmutet.

    Ingo Appelt ist unter anderem  ein glänzender Parodist, dem auch das knorrige „Frängisch“ leicht von der Zunge geht, doch davon abgesehen ist sein unablässig sprudelnder Redeschwall unverkennbar vom heimischen Ruhrpott geprägt und damit ideal geeignet für die sinnverwirrend rasante Läster-Tour de force, mit der er sich alle und alles vorknöpft, was die letzten Jahre so an Gesprächsstoff hergaben.

    Von Peinlichkeit keine Spur

    Warum sein aktuelles Programm „Staatstrainer“ heißt, weiß der Himmel, vielleicht weil sich der Komiker an seinen Gegenständen wie im Training abarbeitet, angefangen mit Corona, Karl Lauterbach und diversen anderen knallig karikierten Zeitgenossen und endend schließlich beim „multiplen Orgasmus“ und damit dem zeitlosen „Thema eins“, das bei Appelt schon immer eine bestimmende Rolle spielte und weiterhin spielt.

    Eigentlich sollte man denken, dass es irgendwann peinlich wird, wenn einer sich so direkt, drastisch und ausgiebig mit der Gegend unterhalb der Gürtellinie befasst, wie Ingo Appelt es bei diesem Auftritt tat. Wenn aber bei ihm die Deftigkeiten nur so sprudeln, klingen sie seltsamerweise nie peinlich – weil sie offenbar nicht ausgedacht sind, sondern direkt aus dem Bauch kommen.

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