Die Tiere wissen es schon lange: Auf der Gamburg geht es nicht mit rechten Dingen zu. „Hier im Hof lassen sich Pferde nicht festbinden“, verrät Burgherr Hans-Georg von Mallinckrodt. Tiere haben angeblich das zweite Gesicht. Sie spüren die Anwesenheit von etwas Unsichtbarem in dem alten Gemäuer: Auf der Gamburg spukt es.
Wer wissen will, welch gequälte Seelen hinter den dicken Mauern umgehen, für den bietet die Familie von Mallinckrodt eine „Sagen- und Geisterführung“ an.
Es ist nicht so, dass die von Mallinckrodts diese Geister erfunden hätten. Nein – schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts musste die Gräfin von Ingelheim die Erfahrung machen, dass es nachts auf der Burg polterte und wehklagte. Was die aufgeklärte Gräfin erst nicht glauben wollte, hielt sie später in ihren Erzählungen fest. Dieses alte Manuskript über die Geister der Gamburg ist die Grundlage der abendlichen Führungen, die Hans-Georg von Mallinckrodt für Besucher anbietet.
Mörderisches Treiben
Die Arbeit der Familie beginnt schon zwei Stunden vor der eigentlichen Führung. Etwa 350 Kerzen müssen rund um die Burg entzündet werden. In Laternen und Windlichtern brennen die kleinen Flämmchen und tauchen die Gamburg und ihren parkähnlichen Garten im schwindenden Abendlicht in ein romantisches Leuchten.
Schon wer den Weg zur Burg hinauf steigt, wird von den heimeligen Lichtern begrüßt. Auf der Terrasse mit ihrem weiten Ausblick über die bewaldeten Hügel hat Nicole von Mallinckrodt ein kleines Buffet mit Knabbereien und Getränken aufgebaut. Niemand soll mit leerem Magen vom mörderischen Treiben des Maximilian Pröly hören. Der einzige Gast, der an diesem Abend den Chips und Erdnüssen nichts abgewinnen kann, ist der junge Uhu Xerxes. Esther und Hans Burck aus Gamburg haben den Greifvogel mitgebracht, damit die zur Führung angemeldeten Kinder was zum Gucken haben. Die beiden engagieren sich für den Wertheimer Verein Wildvogel e.V., der verletzte Greifvögel aufpäppelt und auswildert. Xerxes ist zum Glück schon satt und kann das Fehlen toter Küken auf dem Buffet verschmerzen.
Die Sonne ist schon untergegangen, als Hans-Georg von Mallinckrodt seinen Nachtwächter-Mantel überwirft, zu Laterne und Manuskript greift und eine Treppe im Burghof erklimmt. Wehklagende Musik erfüllt den Hof, und der Burgherr hebt an zu erzählen: „Gehe nicht allein auf die Gamburg“, sei die Gräfin Ingelheim von ihren Schwiegereltern gewarnt worden, als sie sich vor 200 Jahren eben dort versteckte, weil ihr Mann mit den Freischärlern gegen Napoleon kämpfte.
Frauen im Wandschrank
Dass „die Unerlösten“ auf der Gamburg umgingen, erfuhr die junge Gräfin noch – so wurden damals die Geister genannt. Auch der Amtmann Martin, der seinen Dienst auf der Gamburg versah, warnte die Gräfin vor den nächtlichen Erscheinungen. Obwohl in der Mehrzahl gute Geister, so versetzten die Unerlösten die gute Gräfin doch in Angst und Schrecken. Vier vermummte Frauen kamen des Nachts aus dem Wandschrank und verschwanden dann.
Auch ein Mönch, der auf der Gamburg Station machte, bekam nächtlichen Besuch: von vier geharnischten Rittern, die sich um sein Bett versammelten. Alles Schimpfen, Beten und Besprengen mit Weihwasser vermochte die Ritter nicht zu vertreiben. Als Ursache für all den Spuk wird Maximilian Pröly vermutet. Zur Zeit der Bauernkriege war er der Herr auf der Gamburg, und ein raffgieriger Herr noch dazu. Er lud seine Verwandten ein, die mit allerlei Kostbarkeiten auf die Burg kamen. Um sich der Schätze zu bemächtigen, ermordete Pröly seine Gäste kurzerhand.
Tiere mit zwei Gesichtern
Vom Burghof führt Hans-Georg von Mallinckrodt seine rund 30 Gäste in den Park hinab, der mittlerweile fast vollständig im Dunkeln liegt. Nur die Windlichter flackern zwischen den Büschen. Hier berichtet der Burgherr von einem Verwandten aus Schweden, der bei einem Rundgang im Park von einem kleinen, wie ein Schäfer gekleideten Männlein aufgehalten und ausgefragt worden war. Das, sagt von Mallickrodt, könne eigentlich nur „der Steinböck“ gewesen sein.
Ihn hatte nämlich schon die Gräfin Ingelheim erwähnt. Der Steinböck habe ihr erklärt, er sei von den Geistern geschickt worden, um für deren Erlösung zu beten, schrieb die Gräfin in ihren Erinnerungen. Der Steinböck und auch der Amtmann Martin scheinen damit Erfolg gehabt zu haben. Heutzutage trete auf der Gamburg kaum noch ein Geist in Erscheinung, verrät von Mallinckrodt. Aber haben sie wirklich Ruhe gefunden?
„Auch mein Pferd lässt sich hier nicht anbinden“, sagt Uhu-Ziehvater Hans Burck. Und die Tiere müssten es ja wissen, mit ihrem zweiten Gesicht.
Die Sagen- und Geisterführung findet an festen Terminen jeweils zu Beginn der Dämmerung statt. Nächster Termin ist an diesem Freitag, 24. Juni. Dann wird auch ein Johannisfeuer entzündet.
Der Eintritt kostet 9 Euro inklusive eines Begrüßungsgetränkes.
Anmeldung unter Tel. (0 93 48) 6 05.
Weitere Informationen und Termine im Internet unter www.burg-gamburg.de<%IMG id="2408037" title=""%>