An der Universität Freiburg sorgt die überzogene Strenge des Aufsichtspersonals bei einer Medizinklausur für Aufregung: Ein behinderter Student musste während des einstündigen Tests vor rund 120 Kommilitonen in eine Trinkflasche pinkeln, weil er nicht zur Toilette gelassen wurde. „Da gibt es nichts zu beschönigen, das ist menschenunwürdig“, sagte der Studiendekan der Medizinischen Fakultät, Professor Rudolf Korinthenberg, am Dienstag und bestätigte damit einen Bericht der „Stuttgarter Zeitung“. „Wir haben uns in aller Form bei dem Studenten entschuldigt.“
Der 27-Jährige geht seit einem Kletterunfall vor sieben Jahren wegen einer Rückenmarkverletzung an Krücken und hat Schwierigkeiten, seine Blase zu kontrollieren. Eine Viertelstunde vor Ende der Klausur am vergangenen Donnerstag bat er darum, auf die Toilette gehen zu dürfen. Ihn könne ja ein männlicher Aufpasser begleiten, schlug der 27-Jährige vor. Sonst werde er in seine Hose urinieren.
Die Aufsichtsführenden verwehrten ihm jedoch das dringende Bedürfnis. Nachdem mehrere Studenten sich erfolglos für ihren Kommilitonen eingesetzt hatten, leerte schließlich eine Studentin ihre Trinkflasche in einem Waschbecken und gab sie dem 27-Jährigen. Der stellte sich mit dem Gesicht zur Wand und pinkelte in die Flasche.
Der Mitarbeiter des Freiburger Universitätsklinikums, der dem Studenten den Gang zur Toilette verweigerte, habe die Situation falsch beurteilt, sagte Korinthenberg. Als Konsequenz aus dem Vorfall würden Leitlinien für das Aufsichtspersonal ausgearbeitet. Zukünftig müssten Ausnahmen von den strengen Klausurregeln in derartigen Fällen flexibler gehandhabt werden, sagte Korinthenberg. Ein vergleichbarer Fall sei aber bisher nicht vorgekommen. Nach seinen Worten hat der Student die Entschuldigung der Universität angenommen.