Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Tauber
Icon Pfeil nach unten

WEIKERSHEIM: Unschuldig in der Todeszelle

WEIKERSHEIM

Unschuldig in der Todeszelle

    • |
    • |

    Fast komplett hatten sich die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe des Gymnasiums Weikersheim in der Aula eingefunden. Trotz Abi-Stress und freigestellter Teilnahme fehlte kaum ein Schüler der 13. Klassen, als Direktor Kurt Heuser um halb acht die Gäste aus den USA begrüßte.

    Völlig gebannt waren die rund 300 Teilnehmer der Veranstaltung im Weikersheimer Gymnasium schon beim Bericht des aus Alaska stammenden Präsidenten der Organisation Bill Pelke. Drei Schülerinnen, die nicht recht wussten, wie sie ihr Nachmittagsvergnügen finanzieren sollten, hatten unter Alkohol- und Drogeneinfluss Pelkes Großmutter am helllichten Tag erst niedergeschlagen, dann mit 33 Messerstichen regelrecht abgeschlachtet. Zehn Dollar fanden sie, dazu die Autoschlüssel von „Nanas“ altem Wagen, mit dem sie sich anschließend zu einer Spritztour aufmachten.

    Anfangs fand Pelke das Todesurteil für die 16-jährige Rädelsführerin Paula Cooper nur gerecht. Erst Jahre später überlegte er, wie die geliebte „Nana“ das wohl sehen würde: Als zweites schlechtes Ding und nicht als Wiedergutmachung der ersten üblen Tat. Nicht alle Familienmitglieder teilen seine Ansicht, akzeptieren aber mittlerweile Pelkes Engagement.

    Ray Krone hat im Zug der Ermittlungen und Prozesse gegen ihn sein Vertrauen in die US-Justiz verloren. Man wollte ihn schuldig sprechen, um einen Schuldigen zu haben; auch, als neue Erkenntnisse vorlagen, wollte man den Fehler nicht erkennen. Über zehn Jahre war er in Haft, etliche davon im Todestrakt. „Wenn es mir passiert, kann es jedem passieren.“

    Es ist, davon ist Terri Steinberg überzeugt, auch ihrem Sohn passiert, der in Virginia mit seiner Hinrichtung rechnen muss. Todesstrafe – nun, die vielbeschäftigte Mutter mit vier Kindern war dagegen, aber wirklich damit beschäftigt hat sie sich erst, als sie „bei uns an die Tür klopfte“. Kaum aus dem Haus traute sie sich noch, als die Schlagzeilen ihren Sohn als Mörder darstellten. Die großen Kinder dagegen mussten sich dem Spießrutenlauf in der Schule stellen. Und: „Wie erklärt man einer Vierjährigen, dass der geliebte Bruder hingerichtet werden kann?“

    Ein wenig Hoffnung keimt, seit ein paar Tagen wieder. Dennoch: die Zeit läuft gegen ihren Sohn. Acht Jahre ist er schon im Todestrakt, Hinrichtungen in Virginia erfolgen in der Regel sieben bis neun Jahre nach dem Urteil. Wie die Ungewissheit auf der Mutter lastet, erlebten die Teilnehmer in der Aula hautnah. Terri Steinberg wischte die Tränen möglichst schnell und unauffällig weg.

    Was sie selbst tun könnten, wollten die Schüler wissen. Ganz einfach, die Petitionen unterschreiben, die die Gäste mitgebracht hatten, appellierte Terri Steinberg. Die anderen ergänzten: Amnesty international unterstützen – oder eine der vielen anderen Kampagnen zur Abschaffung der Todesstrafe. Aufmerksamkeit und Proteste haben schon manches Todesurteil verhindert, jüngst im Iran in zwei Fällen zumindest den Aufschub unmittelbar bevorstehender Hinrichtungen erreicht. Politischer Druck wirkt: die Türkei etwa hat die Todesstrafe abgeschafft, um der Aufnahme in die EU näherzukommen.

    Zwei Stunden Unterricht ganz anders: Noch weit über die Pause hinaus standen Schüler an, um die Petitionen zu unterzeichnen, um zu dokumentieren, dass sie nicht mit der Todesstrafe einverstanden sind. Die spürbare Betroffenheit lässt erwarten, dass sie die Botschaft weitertragen werden.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden