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Tauberbischofsheim: Wenn der unerfüllte Kinderwunsch zur Lebenskrise wird: "Alles drehte sich um die Frage: Warum ausgerechnet ich?"

Tauberbischofsheim

Wenn der unerfüllte Kinderwunsch zur Lebenskrise wird: "Alles drehte sich um die Frage: Warum ausgerechnet ich?"

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    Julia Schott ist Mental Coach für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch und will ihnen helfen, aus der Lebenskrise herauszukommen.
    Julia Schott ist Mental Coach für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch und will ihnen helfen, aus der Lebenskrise herauszukommen. Foto: Thomas Obermeier

    Julia Schott ging es als junge Erwachsene wie vielen Frauen. Immer wieder wurde ihr gesagt, sie solle aufpassen, nicht schwanger zu werden. Wenige Jahre später lernte sie ihren Mann kennen, die beiden heirateten und wollten eine eigene Familie gründen. "Ich wollte schon immer Mutter werden, schon bevor ich wusste, was ich beruflich machen will, war ich mir darin sicher."

    Doch auch nach mehreren Monaten und unzähligen Versuchen wurde Schott nicht schwanger. "Ich war gar nicht darauf vorbereitet, dass es nicht klappen könnte", erinnert sie sich. Die 39-Jährige aus Tauberbischofsheim fiel in ein tiefes Loch, fühlte sich allein und verstand die Welt nicht mehr. Immer wieder verlor sie sich in Gedankenspiralen und immer kam diese eine Frage: "Warum ausgerechnet ich?"

    Perspektive auf den unerfüllten Kinderwunsch ändern kann helfen

    Sie war enttäuscht von sich selbst, aber auch vom Schicksal, das sie scheinbar im Stich gelassen hatte. Hinzukam die Unzufriedenheit im Job und die fehlende Energie, etwas an ihrer Situation zu ändern. 2020 beschlossen sie und ihr Mann eine Kinderwunschbehandlung zu machen, als auch die erfolglos blieb, war die 39-Jährige am Ende. Sie wusste, irgendwas muss sich ändern. 2021 wechselte sie den Job und beschloss, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Kurze Zeit später stieß sie auf Christian Huber.

    Er ist bekannt für seine Arbeit als Mental Coach. Schott beschloss, sich bei ihm weiterzubilden und lernte dabei, die Perspektive auf ihre Lebenssituation zu wechseln und wieder darauf zu vertrauten, "dass das Leben auf unserer Seite und nicht gegen uns ist." So habe sie sich nach und nach selbst wieder aus dem Loch geholt, sagt sie rückblickend.  Zwar sei der unerfüllte Kinderwunsch eine Lebenskrise, aber eben nur ein einzelner Teil vom Leben, der die übrigen Teile nicht bestimmen dürfe.

    Rückzug aus dem sozialen Leben bei vielen Frauen keine Seltenheit

    Die Ausbildung hat Schott geholfen, "um mental wieder gesund zu werden." Mit ihrer neugewonnenen Kraft kam ihr eine Idee: "Wieso sollte ich dieses Wissen nur für mich allein behalten und nicht an andere Betroffene weitergeben?" Sie machte sich selbstständig und bietet seit 2023 anderen Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch ihre Hilfe an. 

    Julia Schott hat sich 2023 selbstständig gemacht und hilft seit dem anderen Frauen mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch. (Symbolfoto)
    Julia Schott hat sich 2023 selbstständig gemacht und hilft seit dem anderen Frauen mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch. (Symbolfoto) Foto: Jens Kalaene, dpa

    Bis heute sei das Thema für viele ein Tabu – auch unter Freundinnen. "Viele Betroffene ziehen sich aus ihrem sozialen Leben zurück, vor allem, wenn es im Freundeskreis viele Kinder gibt", sagt Schott. Es sei keine Seltenheit, dass bei den Betroffenen dann der Neid auf die Freundinnen mit Kindern immer stärker werde und gleichzeitig auch die Scham dafür, dass man anderen Frauen den Kindersegen missgönnt.

    Wichtig ist, sich nicht mit anderen Frauen zu vergleichen

    Julia Schott möchte für die Frauen eine Schulter zum Anlehnen sein. Jemand, der die Gedanken kennt und nicht verurteilt. Aber sie möchte auch helfen. Bevor die Frauen einen ersten Beratungstermin bei Schott vereinbaren können, müssen sie einen Fragebogen ausfüllen. Anhand dessen bewertet die 39-Jährige die Situation der Frauen und trifft sich anschließend mit ihnen zu einem ersten Gespräch – digital per Videochat.

    "Ich lerne die Frauen dann besser kennen." Anschließend beginnt die Arbeit, die aus vielen positiven Worten besteht, wie Schott erklärt. Sie gibt den Frauen Lebensweisheiten weiter, wie beispielsweise, dass sie sich nicht mit anderen Frauen vergleichen sollen oder sie sich auf das konzentrieren sollen, was glücklich macht. "Wenn sie beispielsweise eine Freundin im Bekanntenkreis hat, die gerade schwanger ist, dann reden wir darüber. Ich versuche ihr beizubringen, dass sie die Situation akzeptiert, wie sie ist."

    Unerfüllter Kinderwunsch für Julia Schott weiter ein Thema

    Psychologin ist Schott nicht. Ihr Angebot ist laut ihrer Aussage eher mit einem Wellnesspaket für die Seele zu vergleichen. Professionelle Hilfe bei psychischen Problemen müssen sich die Frauen bei den jeweiligen Expertinnen und Experten suchen. Insgesamt acht Klientinnen hatte sie bereits in den ersten fünf Monaten. "Manche sind währenddessen sogar schwanger geworden und trotzdem weiter zu mir gekommen", sagt Schott.

    Ganz leicht ist das für Schott nicht immer, auch wenn sie gelernt hat, sich professionell abzugrenzen.  Denn immerhin hat die 39-Jährige ihren unerfüllten Kinderwunsch nicht aufgegeben. "Das Thema gibt es bei mir jetzt seit fünf Jahren, aber im November werde ich 40." Aktuell will sie sich noch nicht von ihrem Kinderwunsch verabschieden. Irgendwann aber wird sie das vielleicht tun müssen. "Das wird dann schon nochmal ein Tiefpunkt für mich", sagt Schott. Sie hofft, dass ihr Wissen als Mental Coach sie auch dann aus der schweren Zeit heraus hilft.

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