GW3092f, die Wölfin mit diesem Laborkürzel hat in den zurückliegenden eineinhalb Jahren für enormen Ärger, viel Aufregung und zahlreiche Schlagzeilen in Spessart und Rhön gesorgt. Rund 50 Mal lassen sich ihr in dieser Zeit Attacken auf Weidetiere genetisch nachweisen. Seit rund vier Wochen ist sie allerdings nicht mehr aufgefallen.
Wie Daten des hessischen Wolfszentrums und des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) belegen, hat sie dabei nachweislich rund 80 Schafe, Ziegen und Damhirsche gerissen. Kein anderer Wolf in Deutschland, so bestätigte das Senckenberg Zentrum für Wildgenetik in Gelnhausen, wo alle Wolfsverdachtsfälle in Deutschland zentral untersucht werden, hatte 2023 mehr eindeutig zugeordnete Risse als GW3092f.
Weiter Nutztierrisse wahrscheinlich, aber nicht eindeutig nachweisbar
Wie viele Tiere es tatsächlich waren, die auf das Konto der Wölfin gingen, lässt sich nicht klären. Denn es wurden zahlreiche Attacken auf Weidetiere registriert, bei denen alle Umstände auf die Fähe hinweisen, ihre genetischen Spuren aber nicht eindeutig nachgewiesen werden konnten. Zum Beispiel, weil die getöteten Tiere zu lange nicht entdeckt wurden und sich schon "Nachnutzer" wie Füchse oder Vögel an den Kadavern gütlich getan hatten.

Dann konnten teils gar keine genetischen Spuren mehr festgestellt werden. In anderen Fällen ließ sich aufgrund einer schlechten Probenqualität nicht der genaue Verursacher, sondern nur sein sogenannter "Haplotyp" ermitteln. So wurde in Spessart und Rhön bei so einigen Wolfsverdachtsfällen immer wieder der Haplotyp HW02 nachgewiesen. Der kommt hier selten vor, die Wölfin GW3092f weist ihn allerdings auf.
Erster Nachweis bei Hessisch Lichtenau
In jedem Fall aber hat die Wölfin die weitaus meisten Nutztierrisse in der Region zu verantworten. So war sie letztlich Auslöser für heftige Proteste von Rhöner Tierhaltern, bei denen vehement der Abschuss der bislang streng geschützten Wölfe gefordert wurde. Politiker übernahmen diese Forderung. Die Bemühungen, eine Abschusserlaubnis erfolgreich umzusetzen, scheiterten allerdings an den Gerichten oder weil GW3092f zum richtigen Zeitpunkt verschwunden war und jüngst, weil sie Junge bekommen hat, womit sie unter Muttertierschutz stand.

Diese schlagzeilenträchtige Karriere war nicht abzusehen, als die Wölfin erstmals am 4. Januar 2023 an einem Wildtierriss bei Hessisch Lichtenau im Werra-Meißner-Kreis südöstlich von Kassel nachgewiesen wurde. Es dauerte bis April. Dann hatte sie sich durch Hessen in Richtung Spessart bewegt. Zwischen Mai und Juli lernte sie hier ganz offensichtlich, sich von Weidetieren zu ernähren. Gleich siebenmal schlug sie vor allem im hessischen Teil des Spessarts zu und tötete dabei neun Schafe und Ziegen.
Serie von Nutztierrissen im Oktober
Am 2. August 2023 überschritt sie erstmals die Grenze nach Bayern und tötete zwei Schafe in Habichsthal (Lkr. Main-Spessart). Im Laufe des Monats folgten Attacken auf verschiedene Herden, dann wieder im hessischen Spessart. In einem Fall fielen ihr dabei gleich acht Damhirsche zum Opfer.
Anfang September griff sie dann Weidetiere in den Landkreisen Main-Spessart und erstmals auch Bad Kissingen an. Offensichtlich umging sie das Rudel auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken und Ende September entdeckte GW3092f die Region um den Kreuzberg und das Naturschutzgebiet Lange Rhön. Hier kamen ihr die äußeren Bedingungen wohl so weit entgegen, dass sie die Gegend seither kaum noch verließ. Bis zum Ende der Weidesaison reihte sich nun eine Attacke an die nächste.

Vom 6. bis 17. Oktober waren es alleine acht. Es folgte eine kurze Pause - zufällig genau in der Phase, als Abschussgenehmigungen vorlagen, die dann später von den Verwaltungsgerichten aufgehoben wurden. Im November wurden noch einmal fünf Angriffe nachgewiesen, danach waren die Weidetiere zum Überwintern in ihren Stallungen untergebracht und für die Wölfin wohl nicht erreichbar.
Geburt der Wolfswelpen als Grund für die relative Ruhe im Mai
Dass die Wölfin sich in dieser Zeit auch anders ernähren kann, belegten Gentests von gerissenen Wildtieren im Januar und Februar 2024 in der Langen Rhön. Ende Januar sorgte dann ein Fall für Aufsehen, der vermutlich auf die Wölfin zurückgeht, aber ihr letztlich nicht nachgewiesen werden konnte: In Kilianshof wurde ein Reitpferd auf seiner Koppel gerissen.

Bis April herrschte weitgehend Ruhe. Dann aber schlug die Wölfin immer wieder zu. Fast alle Angriffe erfolgten oberhalb von Oberelsbach und Ginolfs im Naturschutzgebiet Lange Rhön. Im Mai fiel die Wölfin kaum auf: In dieser Zeit dürfte sie, zurückzogen in einer Wurfhöhle, ihre Jungen geboren und gesäugt haben. Es wurden keine weiteren Nutztierrisse registriert. Offenbar hat der Vater sie und den Nachwuchs mit Wildtierfleisch versorgt.

Ende Juni, Anfang Juli startete erneut eine ganze Serie von Überfällen auf Weidetiere in der Langen Rhön. Von einigen Rissen liegen die Ergebnisse der Gentests noch nicht vor. Aufgrund der Urlaubszeit komme "es zu leichten Verzögerungen in der Auswertungsroutine", erklärt das LfU auf Nachfrage dieser Redaktion dazu. Aber auch hier dürfte GW3092 der Angreifer gewesen sein.
Letzter Nachweis der Wölfin vom 24. Juli
Der letzte Nachweis der Wölfin stammt vom 24. Juli, als GW3092f eine Ziege von Sven Breunig bei Ginolfs riss. Am 25. Juli endete diese Serie mit dem Riss einer Ziege bei Oberelsbach, dessen Verursacher noch nicht nachgewiesen ist. Ab diesem Tag verliert sich die Spur der Problemwölfin und die Zeit der Spekulationen begann. Dass sie umgezogen ist, gilt aufgrund des Alters der Jungwölfe noch als unwahrscheinlich. Wurde sie – nach dem Motto schießen, schaufeln, schweigen – illegalerweise getötet? Kam sie auf irgendeinem anderen Weg ums Leben? Oder musste sie ihre Ernährung auf Wildtiere umstellen, weil die Weiden in der Rhön derzeit alle gut geschützt sind? All diese Fragen lassen sich – zumindest zur Zeit – nicht beantworten.

Bekannt sind verschiedene Nachweise von Wölfen, die Ende Juli von Fotofallen im betroffenen Gebiet aufgenommen wurden. Laut dem LfU liegen Bilder vor, die mindestens einen Welpen zeigen, auf anderen ist ein erwachsener Wolf zu sehen, in einem Fall ist ein erwachsener männlicher Wolf zu erkennen. Von offizieller Seite geht man davon aus, dass die Wölfe weiterhin in der Rhön leben. Gegenüber dieser Redaktion hieß es auf Nachfrage vom LfU: "Aufgrund der bisherigen Nachweise, sonstiger Hinweise, fehlender Anhaltspunkte für einen anderweitigen Verbleib und artspezifischer Standorttreue eines Rudels gibt es ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die Tiere noch im Gebiet der Hohen Rhön aufhalten."