Einen denkwürdigen Tag feierten die 93-jährigern Klementine und Johann Wiest: Seit 75 Jahren sind die beiden verheiratet - die Kronjuwelenhochzeit ist ein seltenes Ereignis. Dazu gratulierte am Mittwoch neben stellvertretendem Landrat Josef Demar auch Bürgermeister Thomas Helbling. "Wir teilen alles", war der Kommentar von Johann Wiest, als Blumen und Sekt überreicht wurden. Das zeigt die starke Verbundenheit des Paares, ihr Schicksal ist eng verwoben mit dem politischen Geschehen in Russland und Deutschland.
Bei Odessa geboren
Die Zarin Katharina die Große rief einst Deutsche auf, sich in Russland anzusiedeln und Land urbar zu machen, so kamen die Vorfahren der beiden in die heutige Ukraine. Am 14. Mai 1928 kam Klementine als jüngstes von insgesamt 13 Kindern wohlhabender Bauern in Landau zur Welt, einem Ort nahe Odessa. Johann wurde als Ältester von sechs Kindern in Rohrbach in der gleichen Region, am 15. November 1927 geboren. Kennengelernt haben sich die beiden, als die Russen unter Stalin alle deutschstämmigen Ukrainer enteigneten und ins russische Hinterland umsiedelten.
Johann erzählte, dass zunächst in dem Waldgebiet, in dem sie leben sollten, nichts vorhanden war. Die Baracken des späteren Lagers mussten sich die Neuankömmlinge selbst bauen. Im Lager lebte auch Klementine, sie arbeitete in der Bäckerei, während er als Waldarbeiter eingesetzt war. "Ich war allein und sie war allein, wir hatten beide niemanden. Wir haben uns angeschaut und es war Liebe auf den ersten Blick", schilderte Johann den Anfang ihrer Beziehung.
Hochzeit mit 18 Jahren
Mit 18 Jahren, 1946, heirateten die fast Gleichaltrigen. "Wir mussten niemanden fragen, nur den Kommandanten, deshalb war alles ganz einfach", fasste Johann zusammen. Ein weißes Kleid wurde sogar aufgetrieben, das zeigt ein Hochzeitsfoto, das bis heute existiert. Das Hochzeitsessen bestand hauptsächlich aus Brot und Kartoffeln. Der Kommandant wies dem ersten Hochzeitspaar im Lager ein Einzelzimmer zu. Später konnte Johann mit Hilfe der anderen Lagerinsassen sogar ein eigenes kleines Haus bauen.

In diesem Haus wurden alle ihre vier Kinder geboren. "Mit 19 war ich schon Mama", berichtete Klementine stolz. 1956, drei Jahre nach Stalins Tod, wurden die deutschstämmigen Ukrainer freigelassen.
Als Aussiedler nach Deutschland gekommen
Die Familie zog zu einem Verwandten nach Kemerowo und dann weiter nach Kasachstan. Von dort kam die ganze Familie, 17 Leute, als Aussiedler 1992 nach Deutschland, nachdem sie ein in Mellrichstadt lebender Bruder von Klementine eingeladen hatte. "Seit wir in Deutschland sind, geht es uns gut", sagte Johann. Seine Frau und er leben jetzt in Bad Königshofen im Haus einer Enkelin und ihres Mannes, gemeinsam mit einer Tochter und zwei Urenkeln. Vier Generationen sind unter einem Dach.
Das Laufen fällt dem Ehepaar inzwischen schwer, sie kann nur im Rollstuhl nach draußen. Bis zum 90. Lebensjahr hat Johann noch seinen Kleingarten versorgt, dann hat er ihn abgegeben. Rückblickend verrät Klementine das Rezept ihrer langen Ehe: "Wir hatten keine Zeit zum Streiten, wir haben immer gearbeitet. Es ging vor allem darum, für die Kinder zu sorgen." "Es war trotz allem eine schöne Zeit", ergänzte Johann. Ihnen gratulieren zehn Enkel und 14 Urenkel.