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Bad Neustadt: 80 Jahre nach Deportation von Juden aus Bad Neustadt: Mahnende Worte und Kunst am Denkmal

Bad Neustadt

80 Jahre nach Deportation von Juden aus Bad Neustadt: Mahnende Worte und Kunst am Denkmal

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    Performance am Denkmal für die getöteten Juden: Initiatorin Eva Warmuth (im Hintergrund) schlägt die Trommel, die Klarinette spielt Anja Günther, dazu tanzt Angelika Warmuth.
    Performance am Denkmal für die getöteten Juden: Initiatorin Eva Warmuth (im Hintergrund) schlägt die Trommel, die Klarinette spielt Anja Günther, dazu tanzt Angelika Warmuth. Foto: Regina Vossenkaul

    Zum Gedenken an die jüdischen Mitbürger, die vor 80 Jahren, am 22. April 1942 aus Bad Neustadt verschleppt und ermordet wurden, fand am Freitag eine Kunstaktion am Denkmal in der Bauerngasse statt. Dort sind Namen der Getöteten eingraviert, ebenso eine Passage aus dem berührenden Abschiedsbrief, den einst Gretel Klein an ihre Kinder schrieb: "Betet für uns und gedenket unser, erzählet es euren Kindern wieder, wie wir zu Tode gepeinigt wurden."

    Die Aktion war der Auftakt zur Vernissage der Ausstellung von Eva Warmuth und Studierenden des Pflegeberufs mit dem Titel "Die Würde des Menschen…". Eva Warmuth, die das Denkmal in Bad Neustadt 2006 gestaltet hat, wies auf die Bedeutung dieses Tages hin, in einer Zeit, in der sich vieles wiederholt.

    Warum bei der Aktion in Bad Neustadt das Grundgesetz erwähnt wurde

    Im Artikel eins des deutschen Grundgesetzes heiße es "Die Würde des Menschen ist unantastbar", eine Formulierung, die vor dem Hintergrund der begangenen Gräueltaten nach dem Zweiten Weltkrieg gewählt wurde. Die Juden verloren nicht nur ihre Würde, sondern auch ihren Namen. Sie erhielten Nummern, deshalb sind am Denkmal ihre Namen und ihr Alter festgehalten, ebenso wie in der Gedenkstätte Jad Vashem in Jerusalem. Warmuth bedankte sich bei allen, die das Denkmal unterstützt und Beiträge geleistet haben.

    Namen und Alter der Getöteten sind am Denkmal eingraviert, sie können nach neuesten Erkenntnissen noch ergänzt werden.
    Namen und Alter der Getöteten sind am Denkmal eingraviert, sie können nach neuesten Erkenntnissen noch ergänzt werden. Foto: Regina Vossenkaul

    Dritter Bürgermeister Karl Breitenbücher zitierte aus der Stadtchronik, in der festgehalten ist, dass am 22. April 1942 vom Brunnen auf dem Marktplatz aus 59 Juden (45 aus Bad Neustadt, zehn aus Unsleben und vier aus Oberelsbach) "unter Häme, Spott und wüsten Beschimpfungen" zum Bahnhof getrieben wurden, um von dort über Würzburg in den Tod transportiert zu werden."Niemand kehrte je zurück."

    Ein Leben in Würde wurde verweigert

    Sie alle waren Väter, Mütter, Partner, Geliebte, Kinder oder Enkel, hatten ihre Sehnsüchte, ihre Ängste, Hoffnungen und Träume, so Breitenbücher. Ihnen allen sei das selbstverständliche Recht, das eigene Leben in Würde zu führen, verweigert worden, sie wurden brutal ermordet. Dem Ehepaar Klein war es gelungen, die eigenen Kinder mit einem Kindertransport nach England zu bringen, im Gegensatz zu ihren Eltern überlebten sie den Holocaust.

    "Nie wieder darf Antisemitismus einen Platz in unserer Gesellschaft haben", appellierte Breitenbücher. Eine besondere Kennerin der jüdischen Geschichte, Elisabeth Böhrer, ergänzte kurz, dass sie Namen von mindestens 17 Personen, die ebenfalls auf dem Denkmal eingraviert werden müssten, gefunden habe.

    Die Kirchenglocken als Aufruf zur Versöhnung?

    Zu düsteren Trommelklängen spielte Anja Günther die Klarinette, dazu tanzte Angelika Warmuth rund um das Denkmal, das mit Blütenblättern geschmückt war. Ein Moment des Innehaltens war in die Performance eingebunden, dass gerade in diesem Moment die Kirchenglocken einsetzten, war unbeabsichtigter Zufall. Eine Erinnerung an die oft kritisierte Rolle der Kirche in der Nazizeit oder ein Aufruf zur Versöhnung? Dazu konnten sich alle Anwesenden eigene Gedenken machen.

    Hilflosigkeit, Schuld, Hass, Scham und Versöhnung waren auch Themen, die den bereits 2006 entstandenen Kohlezeichnungen von Eva Warmuth zugrunde lagen, die anschließend bei der Vernissage in den Räumen des Kunstvereins präsentiert wurden. Dazu kamen Collagen mit Naturmaterialien, angefertigt von Pflegeschülerinnen im Psychologieunterricht. Da ging es um die würdige Pflege, um den Menschen als Teil der Natur und um die Naturzerstörung. Auch hier finde eine Verletzung der Würde statt, vermerkten die Schülerinnen auf ihren Werken. Die Klasse wurde von Anna-Lena Brehm und Pia Andres vertreten.

    Eva Warmuth eröffnete die Ausstellung gemeinsam mit Anna-Lena Brehm (links) und Pia Andres (rechts).
    Eva Warmuth eröffnete die Ausstellung gemeinsam mit Anna-Lena Brehm (links) und Pia Andres (rechts). Foto: Regina Vossenkaul

    Es gab noch einmal Musik und Tanz vor den Exponaten, dann wurde die Musik zum Einleiten des inoffiziellen Teils zunehmend lustiger – mit dem umgedichteten Lied "Katjuscha", da griff auch Albert Warmuth in die Tasten seines Akkordeons.

    Zuvor erinnerte Eva Warmuth daran, dass der Titel zwei Bedeutungen hat: Es sei einerseits ein Soldaten-Liebeslied, andererseits nannten die Russen ihre Stalinorgel "Katjuscha". Es gehe darum, hinzuschauen, damit man sich in der Zukunft anders verhalte, sagte Warmuth abschließend.

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