„Wir alle sind Kinder des Universums, aus Sternenstaub geboren, nicht für die Ewigkeit geschaffen, nur der Hauch eines Augenblicks. Augenblicke, die verwehen, wie der Sand in der Wüste. Auch die Ewigkeit besteht nur aus Augenblicken.“ Die Freunde der Nacht der Poesie auf dem Kreuzberg lauschten der wohlbekannten Stimme von Rudolf Herget. Doch die Stimme kam nur vom Band. Herget starb im Februar. Im Gedenken an ihn fanden sich Freunde und Anhänger seiner poetischen Erzählkunst auf dem Kreuzberg ein.
Äußerlich war alles wie in den Jahren zuvor – zumindest auf den ersten Blick – die Menschen stiegen mit Iso-Matten, Decken, Schlafsäcken und Proviantkörben die Stufen zu den drei Kreuzen empor, lagerten auf der Wiese und ließen den Blick in die Ferne schweifen. Die Rhönberge präsentierten sich im roten Schein der untergehenden Sonne. Die Silhouette der Kreuzigungsgruppe hob sich dunkel gegen den Himmel ab.
Und doch war alles anders. Nachdenklicher als sonst, besinnlicher und trauriger dieser Abend auf dem Gipfelplateau des Kreuzbergs. Ein Bild von Rudolf Herget erinnerte an ihn, strahlend mit Rosen in den Händen, so kannten ihn seiner Poesiefreunde, wenn er in den Sommermonaten auf die Rhönberge zu den Nächten der Poesie einlud. Rosen lagen vor seinem Bild, und es wurden immer mehr.
Herget schien anwesend - Im Herzen und in der Erinnerung seiner vielen Anhänger, die zum Kreuzberg gekommen waren, um sich ein letztes Mal in der „Nacht der Poesie“ von der Atmosphäre, der Stimmung und der Stimme des großen Erzählers gefangen nehmen zu lassen.
Vielleicht lag es daran, dass die Nacht der Poesie stets von seiner Stimme lebte. Bewusst hatte er alle eingeladen die Augen zu schließen, den Berg zu spüren, durchaus auch zu schlafen und sich nur auf die Worte der großen Dichter, Denker und Künstler einzulassen. So fiel es auch diesmal nicht schwer den Worten zu lauschen, sich innerlich darauf einzulassen, in die Ruhe zu finden und die Gedanken schweifen zu lassen.
Und doch, es war anders. Unter dem Blickwinkel, dass der große Erzähler der Nacht seine letzte Reise angetreten hatte, wirkten viele der Gedichte anders. Die eine oder andere Träne stieg auf. Die Vergänglichkeit des Menschen wurde mehr als deutlich. Wie dankbar die Menschen Rudolf Herget sind, wurde auch im Gedenkbuch festgehalten.
„Danke für die schönen Nächte der Poesie“, Gabriele Schneider aus Rossbach bei Bad Brückenau brachte eine Rose, verweilte vor dem Bild von Rudolf Herget und blätterte durch das Gedenkbuch. „Ich habe eine Rose zum Gedenken mitgebracht. Er hat das immer so wunderschön gemacht“. Zehn Mal war sie am Kreuzberg dabei gewesen, so war es selbstverständlich, auch zur Gedenkveranstaltung zu kommen. „Ich hoffe, dass es nicht zum letzten Mal war.“
Dass es weitergehen wird, das hoffen weitere Anhänger von Rudolf Herget. Christine Schüller und Erika Dietz aus Großbardorf sind seit 2003 auf den Kreuzberg gekommen. „Es wäre schön, wenn wir weiterhin jedes Jahr zum Kreuzberg kommen könnten, um Nächte der Poesie erleben zu können.“
Bischofsheims Tourismusreferent Gerhard Nägler und Klaus Schenk vom Haus der Schwarzen Berge erklärten auf Nachfrage, dass es künftig keine Nacht der Poesie mehr geben wird, bei der Bandaufnahmen von Rudolf Herget gespielt werden. Dennoch soll die Nacht der Poesie nicht sterben.
„Wir wollen versuchen, am Kreuzberg eine Nachfolgeveranstaltung im Sinne Hergets aufzuziehen, das heißt freie Rezitation unter freiem Himmel. Ob es uns gelingt, steht in den Sternen“, so Nägler.
Die wohl letzte Nacht der Poesie auf dem Kreuzberg endete mit „Der kleine Prinz“. Viele hatten die Augen geschlossen und lauschten ergriffen: „Es wird aussehen, als wäre ich tot; aber das wird nicht wahr sein. Und wenn du in der Nacht zum Himmel aufsiehst, so wird es sein, als lachen alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen bin, weil ich auf einem von ihnen lache.“ Und der kleine Prinz verabschiedete sich mit „Je me souviens! Ich werde mich erinnern!“