Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Rhön-Grabfeld
Icon Pfeil nach unten
Bad Neustadt
Icon Pfeil nach unten

Bad Neustadt: Ärzte fehlen auch in der Rhön: Welche Gründe Sorin Toma sieht und wie er Nachfolger für seine Praxis gefunden hat

Bad Neustadt

Ärzte fehlen auch in der Rhön: Welche Gründe Sorin Toma sieht und wie er Nachfolger für seine Praxis gefunden hat

    • |
    • |
    Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Sorin Toma aus Bad Neustadt macht für den Ärztemangel das System verantwortlich – und die Ärzte selbst, die seiner Meinung nach trotz schlechter Arbeitsbedingungen nicht aufbegehrt haben.
    Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Sorin Toma aus Bad Neustadt macht für den Ärztemangel das System verantwortlich – und die Ärzte selbst, die seiner Meinung nach trotz schlechter Arbeitsbedingungen nicht aufbegehrt haben. Foto: Torsten Leukert

    Ohren reinigen, blutende Nasen versorgen, Halsschmerzen lindern: All das gehört seit vielen Jahren zum Alltag des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. Sorin Toma. Mehr als 30 Jahre lang führte er zusammen mit Dr. Peter Christ die Hals-Nasen-Ohren (HNO)-Praxis in der Berliner Straße in Bad Neustadt und arbeitete als Belegarzt an der früheren Kreisklinik Bad Neustadt.

    Inzwischen ist der gebürtige Rumäne Sorin Toma, der seit 47 Jahren in Deutschland lebt, 71 Jahre alt und seit sechs Jahren im Ruhestand – eigentlich. Sein Partner Peter Christ ist nicht mehr in der Praxis aktiv, Toma behandelt wegen des Ärztemangels aber immer noch Patientinnen und Patienten.

    Frage: Sie haben 1991 ihre eigene Praxis in der Rhön eröffnet. Warum?

    Sorin Toma: Zu dem Zeitpunkt war es noch relativ attraktiv, sich in einer eigenen Praxis niederzulassen. Ich habe in Erlangen studiert und dort meine Facharztausbildung gemacht. Dann bot sich in der Rhön die Möglichkeit einer eigenen Praxis. Auch weil mich die Landschaft ein wenig an meine Heimat in Siebenbürgen erinnert hat, habe ich es gewagt. Dafür musste ich einen Kredit von einer Million aufnehmen – zu 9,5 Prozent Zinsen.

    War der Alltag als selbständiger Arzt so, wie Sie ihn sich vorgestellt haben?

    Toma: Zwei Jahre führte ich die Praxis allein und baute zusätzlich die HNO-Belegabteilung an der Kreisklinik Bad Neustadt auf. Als junger Mensch will man arbeiten und etwas auf die Beine stellen. Im Umkreis von 70 Kilometern gibt es keine Hals-Nasen-Ohren-Klinik, zwischen Bad Neustadt und Würzburg verlief damals auch noch keine Autobahn. Das hatte zur Folge, dass ich selbst operativ tätig und rund um die Uhr erreichbar sein musste. Ich habe dann zwei Jahre praktisch Dienst am Stück gemacht. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.

    Haben sie einmal daran gedacht, die Praxis aufzugeben?

    Toma: Gerade in den ersten Jahren habe ich oft überlegt, alles zu verkaufen und irgendwo anders hinzugehen, in die Schweiz oder nach Kanada. Aber weil meine Kinder noch klein waren, wollte ich ihnen das nicht antun. So habe ich versucht, meiner Verantwortung gerecht zu werden und das Level gehalten – mit immer mehr Arbeit.

    Wurde es besser, als Peter Christ mit in Ihre Praxis kam?

    Toma: Ab da hatte jeder von uns "nur noch" 180 Tage Dienst an der Klinik, später mit Dr. Köcknitz-Steffen, einem niedergelassenen Arzt einer anderen Bad Neustädter Praxis, immer noch 120 – zusätzlich zu den Sprechstunden in der Praxis wohlgemerkt. Um die Schulden abzubezahlen, haben Peter Christ und ich sehr viel gearbeitet. Im Schnitt hatten wir zwölf Angestellte, ihre Gehälter und andere Kosten mussten bezahlt werden. Das hat aber niemanden interessiert, in den Köpfen vieler Patienten sind wir die Gutverdiener, die "Wohlstandskaninchen" mit dem großen Haus und dem teuren Auto.

    Sie meinen, dass viele Patienten ein falsches Bild von Ärzten im Kopf haben?

    Toma: Ja. Wie viel wir Ärzte arbeiten und welches Risiko wir tragen, wissen die Patienten nicht. Und sie verstehen auch nicht, warum ein Privatpatient eher einen Termin bekommt als ein Kassenpatient und finden das ungerecht. Aber ist es gerecht, wenn ein Kassenpatient viermal im Quartal zu mir in die Praxis kommt und ich kriege dafür nur einmal eine Pauschale? In einem Kassenbeitrag ist oft die ganze Familie versichert, wie soll sich das finanziell rechnen? Das ist lächerlich.

    Das System ist also ein Grund für den Ärztemangel?

    Toma: Genau, ich sehe hier die Kassen und die Politik in der Pflicht. Wo gibt es das in der freien Wirtschaft, dass man als Selbstständiger vorgeschrieben bekommt, was man abrechnen darf und was nicht und es dafür dann auch noch immer weniger Geld gibt? Wer gute Arbeit leisten soll, muss ordentlich entlohnt werden und gute Arbeitsbedingungen haben. Das ist wie bei der Kuh: Wenn die zwanzig Liter Milch geben soll, musst du sie entsprechend füttern. 

    Haben sich zu viele Mediziner mit diesen Bedingungen abgefunden?

    Toma: Ja, ich sehe es auch als Schuld der Ärzteschaft insgesamt, weil sie nicht als Einheit protestiert hat. Stattdessen haben sich die Ärzte gespalten: Fachärzte gegen Hausärzte, niedergelassene gegen Klinikärzte. Die sagen dann zu uns: 'Ihr verdient zu viel Geld'. Dass sie im Vergleich aber auch nur ein Drittel arbeiten, interessiert sie nicht. 

    Wie schwierig war es, Nachfolger für Ihre Praxis zu finden?

    Toma: Mit 65 Jahren hatte ich einen bösen Skiunfall, ab da war es vorbei mit der Dynamik. Dr. Christ, der die letzten 20 Jahre ärztlicher Leiter war, weil ich mich nicht mehr mit dem Papierkram auseinandersetzen wollte, und ich haben mehrere Jahre lang versucht, Nachfolger zu finden. Aber siehe da, man findet keine. Wir haben alles probiert, sogar einen Suchdienst engagiert und Kollegen aus Fulda angesprochen – erfolglos.

    Trotzdem arbeiten nun drei junge Ärzte in Ihrer Praxis in Bad Neustadt. Wie ist das gelungen?

    Toma: Wir haben in den letzten Jahren verstärkt mit der Klinik in Suhl zusammengearbeitet. So hat sich die Möglichkeit ergeben, die Praxis zu verkaufen und ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) daraus zu machen. Aus Suhl sind die ehemaligen Oberärzte Dr. Christoph Böttcher als ärztlicher Leiter und Dr. Roswitha Hartmann nach Bad Neustadt gekommen. Als Ersatz für Peter Christ fungiert Kristin Küpper. Die Ärzte sind angestellt, wollen nicht am Gewinn beteiligt werden und die Arbeitszeit nach ihren Wünschen gestalten.

    Wünschen sich Ärzte heute generell ein anderes Arbeitsumfeld?

    Toma: Ja. Die jungen Ärzte haben gesehen, was man mit uns gemacht hat und wollen das nicht mehr. Sie sind up-to-date, fleißig und machen ihre Arbeit gut. Aber sie wollen auch mal Zeit für ihre Familie haben. Christoph Böttcher behandelt an drei Tagen in Bad Neustadt und operiert an einem Tag in Suhl. Roswitha Hartmann arbeitet ebenfalls an drei Tagen in Bad Neustadt, Kristin Küpper an zwei Tagen. Sie befindet sich derzeit im Erziehungsurlaub. Obwohl ich nach einem Radunfall im April ziemlich lädiert bin, halte ich die Stellung und arbeite weiter an zwei Tagen.

    Wenn Sie noch einmal entscheiden könnten: Würden Sie wieder eine eigene Praxis eröffnen?

    Toma: Nein, denn das ist eine Beleidigung meines Intellekts. Ich habe wirklich geschuftet, schon um mir mein Studium zu verdienen. Als Arzt musste ich oft nachts um 3 Uhr zur Nachblutung in die Klink und dann um 7.30 Uhr schon wieder in den OP oder um 8 Uhr in die Praxis. Dazu noch die Dienste, die die Kassenärztliche Vereinigung vorschreibt: Zum Beispiel samstags und sonntags morgens und nachmittags. Und dann gab es tatsächlich Patienten, die sich beschwert haben, dass über Mittag kein Arzt erreichbar war. Als Angestellter hat man es leichter, bekommt zum Beispiel nach einem Nachtdienst einen freien Tag. Wenn man selbstständig ist, schützt einen kein Arbeitsschutzgesetz.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden