Hotel ist nicht gleich Hotel. Nicht nur der Sterne wegen. Vier an der Zahl hat das Haus von Matthias und Christa Schulze Dieckhoff, das als Turm am südlichen Stadteingang eine markante Figur abgibt. Das Hotelier-Ehepaar aber will mehr und hat deshalb mit großem Engagement die Weichen für eine nachhaltige Weiterentwicklung gestellt. Mit Erfolg: Das Hotel Sturm zeigt Flagge – als Bio-Hotel. Es hat im Januar dieses Jahres als erstes Hotel in der Rhön und weit darüber hinaus in ganz Nordbayern die Anerkennung als Bio-Hotel erhalten – zertifiziert durch die Öko-Kontrollstelle ABCert.
Wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin. Ganz auf diese Philosophie setzt nun das Hotel Sturm. Angefangen im Innern des Hauses, als die 47 Gästezimmer Zug um Zug renoviert und beispielsweise frühere konventionelle Materialien durch Naturhölzer aus der Region ersetzt wurden. Weitergeführt über die Küche, dem Kernstück des Bio-Hotels, die unter Küchenchef Hartwig Buß ausschließlich Lebensmittel verarbeitet, die aus ökologischer Landwirtschaft stammen. Besonderer Wert wird darauf gelegt, Obst, Gemüse, Eier, Fleisch und Milch von Bio-Höfen direkt aus der Rhön zu beziehen. Das heißt: Regionale Produkte werden bevorzugt. Aber auch Kaffee, Tee, Gewürze und Getränke sind Bio-zertifiziert.
Der „Bio-Faden“ spinnt sich weiter in dem mehrere Hektar großen Garten, in dem ein ökologischer Schwimmteich sowie Blockhäuser für Sauna und Ruhebereich entstanden sind. Und setzt sich ganz selbstverständlich fort im Wellness- und Spa-Bereich.
Den Gedanken, mit einem Bio-Hotel zu punkten, haben Matthias und Christa Schulze Dieckhoff schon seit längerem verfolgt. „Mit der Zertifizierung sind wir zu 100 Prozent ein Bio-Hotel“, freuen sich die Inhaber, die erst jetzt mit diesem Prädikat breiter in die Öffentlichkeit gegangen sind. „Vorher haben wir den Ball bewusst flach gehalten“, macht das Hotelier-Ehepaar beim Gespräch deutlich, zumal sich die Phase der Umstellung als logistische Herausforderung erwiesen hatte.
Ein besonderes Lob verdiente sich dabei Küchenchef Buß, der „sofort Feuer und Flamme für die Sache war und sich voll eingebracht hat“. Ein Umdenken in vielfacher Hinsicht war gefragt. Einfach den Hörer in die Hand zu nehmen und die Ware zu bestellen, ist nicht mehr. „Wir brauchen eine Woche und länger Vorlauf, um die Produkte zu ordern“, sagt Christa Schulze Dieckhoff. Da kann ein Lebensmittel, das gerade zur Neige geht, schon einmal zum Problem werden. Das kann zum Beispiel beim Ankauf von Bio-Fisch der Fall sein. Da es keine zertifizierten Teichwirte in hiesigen Gefilden gibt, müsste Fisch aus Wildfang auf den Teller. Und das in entsprechender Menge. Für die Spezialität Wild auf dem Speisezettel reicht der Nachweis, dass das Tier in der Rhön erlegt worden sein muss.
„Das Bio-Hotel war unsere beste Idee, das Biker-Hotel die zweitbeste.“
Hotelier-Ehepaar Schulze Dieckhoff
Wenn auch die Umstellung auf Bio „mit extrem viel Arbeit und auch Papierkrieg verbunden“ war, so habe das Ganze doch auch Spaß gemacht, ist sich das Ehepaar Schulze Dieckhoff einig. Sie sind „mit Herzblut dabei“, wie sich an der neuesten Errungenschaft im weiten Feld des Gartens beweisen lässt: Mit der Idee eines Naschgartens schlägt das Bio-Hotel Sturm nach den Worten seiner Inhaber „eine Brücke zum Biosphärenreservat Rhön“. Auf einer Fläche von über 2000 Quadratmetern wurde der ehemalige Bolzplatz in einen Naschgarten verwandelt.
Ein Verdienst der beiden Gärtnerinnen Barbara Horsch und Susanne Oertel, die die Anlage mit großer Leidenschaft – bei freier Hand – flux umgesetzt haben. „Die beiden sind ein Volltreffer“, lobt das Ehepaar, das die Naschkatzen unter den Gästen einlädt, sich an Obst und Beeren zu laben. Sie haben die freie Wahl zwischen Holunder, Erdbeeren, Stachelbeeren, Brombeeren, gelben Himbeeren, Johannisbeeren, Quitten, Aprikosen und Pfirsichen.
Damit nicht genug. Als Nächstes wird ein Kräutergarten auf rund 1000 Quadratmetern angelegt, ehe ein Blumengarten das Gartenareal abrundet. Damit sind der Hotelchefin aber längst nicht alle Ideen ausgegangen, wie sie nebenbei verraten hat.
Nun waren in dieser Woche drei Tage lang zwei „Testpersonen“ im Hause: Frank Corsten (27) aus Deutschland und Valentina Bosia (21) aus dem schweizerischen Tessin, die als Teilnehmer eines 22-köpfigen Teams von Youth Food Movement die Idee einer „Biodyssey“ umsetzen. Der Absolvent und die Studentin der von Slow Food-Gründer Carlo Petrini aufgebauten Universität der Gastronomischen Wissenschaften in Italien hatten im Bio-Hotel Sturm alle Freiheiten für den Blick hinter die Kulissen und so auch über den eigenen Tellerrand hinaus.
Matthias und Christa Schulze Dieckhoff sind überzeugt, dass die Entscheidung für „Bio“ die richtige war. Denn auch „Biker mögen Bio“, haben sie festgestellt, schließlich ist die Anerkennung als Motorbike-Hotel seit 1993 eine weitere Trumpfkarte des Hauses. So spricht es für das Hotel Sturm, dass Gäste im Buchungsportal „HolidayCheck“ das Mellrichstädter Haus so positiv bewertet haben, dass es weltweit unter 332 ausgezeichneten Häusern im oberen Drittel rangiert. „Das macht uns richtig stolz“, so der Inhaber.
Übrigens: Mit der Zertifizierung hört die Kontrolle des Bio-Hotels nicht auf. Prüfer sind das Jahr über inkognito unterwegs, ein Nachlassen im Qualitätsstandard hat Strafgebühren bis hin zum „Kick off“ zur Folge. Das fürchten Matthias und Christa Schulze Dieckhoff nicht: „Das Bio-Hotel war unsere beste Idee, das Biker-Hotel die zweitbeste.“
„Biodyssey“: 180 Tage in Bio-Hotels
Der Verein „Die Bio-Hotels“ wurde 2001 gegründet. Um das zehnte Jahr der Vereinigung der Bio-Hotels zu feiern, gab es eine verlockende Ausschreibung: 180 Tage Urlaub in rund 50 Hotels vor allem in Österreich und Deutschland – fast umsonst! Die „Bezahlung“: Geschichten aus den und rund um die besuchten Häuser. Dafür beworben hatte sich auch ein 22-köpfiges Team, allesamt Mitglieder beim Youth Food Movement, der Jugendbewegung von Slow Food. Mit dem Konzept einer „Biodyssey“, bei der nicht ein Dauerurlauber umherreist, sondern sich die 22 jungen Leute die 180-Tage-Reise teilen, gewann die multikulturelle Truppe die Ausschreibung. Von ihren Erlebnissen berichten die Teilnehmer in einem Blog, über Twitter und auf der „Biodyssey“-Fanseite bei Facebook. So wissen Frank Corsten und Valentina Bosia laut eigenen Angaben nur Gutes über das Bio-Hotel Sturm zu berichten, zeigten sich beeindruckt vom „Auge fürs Detail“ und von der Aufmerksamkeit der Angestellten. Dem Lob für die Küche schlossen sie den Wunsch an, die Speisekarte verstärkt mit saisonalen Gerichten zu bereichern.