Ostern kommt der Osterhase, das weiß jedes Kind. Tatsächlich gibt es viele Ortschaften im Grabfeld und einigen angrenzenden Gegenden, in denen vor 100 Jahren stattdessen in der Regel noch der Storch kam. Erst später setzte sich bis auf wenige Ausnahmen der Osterhase durch.
Mitautor des „Grabfeld-Kochbuchs“
Jan Schöppach aus dem thüringischen Queienfeld und Mitautor des „Grabfeld-Kochbuchs“ hat sich mit diesem Thema beschäftigt. Beim Stöbern in alten Zeitschriften fand er Aufzeichnungen von Carl Kade aus Römhild. Kade war um 1900 ein hochangesehener Apotheker und engagierter Heimat- und Steinsburgforscher. Zudem war er Mitbegründer des Vereins der „Steinsburgfreunde“ und ein begabter Mundartdichter mit Werken wie „Mei Römmeld“ oder „Die neu Remelder Schul“.

In einem Aufsatz um 1910 beschäftigte sich Carl Kade mit der Frage: Kam schon immer der Osterhase hier im Grabfeld und den angrenzenden Regionen oder war hier früher auch der Storch zu Hause? Nach Kades Recherchen war der Storch damals verbreiteter als der Osterhase. Was eigentlich auch einleuchtet, ein Hase kann keine Eier legen, ein Storch schon. In einer Karte hat Kade die Ortschaften aufgelistet, in welchen damals der Osterhase und in welchen der Storch kam.
In Milz kommt heute noch der Storch
Ausgerechnet die Milzer, die die Tradition bis heute bewahrt haben, sind auf der Karte nicht vertreten. Die Karte ist aber auch nur eine Momentaufnahme der damaligen Zeit. Milz ist heute eine der wenigen Ortschaften, die sich die Tradition bewusst gemacht und diese wieder mit Leben erfüllt haben. Der Storch soll aber auch zu Ostern in Orte gekommen sein, die noch nicht aufgelistet sind. Dies sollen Hendungen, Herbstadt, Großbardorf, Rothausen, Sulzfeld, und die Ostheimer Gegend gewesen sein, wie Reinhold Albert, Heimatpfleger aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld, weiß. Bis auf Milz und Ostheim ist die Osterstorch-Sitte heute aber weitestgehend verschwunden.

Wenn man aber ältere Bürger der Gegend befragt, können sich einige wenige noch an die Zeit erinnern, als im Grabfeld der Storch zu Ostern kam. So schrieb Kade, dass in Coburg, wo jetzt der Hase kommt, früher der Storch die Eier brachte. Nach Aufzeichnungen von Kade kamen aber noch andere Tiere als österliche Geschenkbringer in Frage. So sollen zur damaligen Zeit im Gebiet zwischen den Gleichbergen und Coburg der „Grüne Hase“ und unterhalb von Coburg der „Rote Hase“ gekommen sein. Der Fuchs, der Hahn, die Henne, der Enterich, der Kranich, ja sogar Auerhahn, Kuckuck und Lerche waren österliche Boten, die in anderen Gegenden in Erscheinung traten, um nur einige der Tier zu nennen.
Trockenes Gras gezupft
Auch mussten die Kinder nicht bis Ostern auf Gaben warten. Im Grabfeld kam der Storch oder Hase schon am Gründonnerstag und in manchen Dörfern, die nahe der Gleichberge liegen, sogar schon am Mittwoch. Dort wurden dann schon am Dienstag von den Kindern trockenes Gras und Moos gezupft, um daraus niedliche Nester für die Ostereier zu bauen. Darin fanden die Kinder am nächsten Morgen die Osterpräsente, die waren aber viel einfacher gehalten als heute. Zum Beispiel eine Brezel (aus Weckteig), Abbildungen der jeweiligen Osterfigur als Backwerk und natürlich die Eier.
Osterwasser aus dem Brunnen
Ein anderer Brauch war es, das Osterwasser an einen der vielen Grabfelder Brunnen zu schöpfen. Dies geschah am Ostermorgen vor Sonnenaufgang oder gar um Mitternacht. Meist wurde von den Mädchen, vereinzelt auch von den Männern das Osterwasser geschöpft. Dabei durfte zur Wasserquelle und bis nach Hause kein Wort über die Lippen kommen. Durch das Wasser sollte man schöner werden, und Sachen, die damit übergossen wurden, sollten länger haltbarer sein.