Bis 1989 war Deutschland ein geteiltes Land. Die jüngere Generation kennt dies nur vom Erzählen. Eine 50-köpfige Reisegruppe aus Schwebheim (Landkreis Schweinfurt) machte sich jetzt auf Spurensuche zu diesem Teil deutscher Geschichte. Das Höchheimer Original Adolf Herda führte die Reisegruppe rund 60 Kilometer entlang der früheren innerdeutschen Grenze. Die Busfahrt führte von Höchheim zur ehemaligen Grenzübergangsstelle bei Eußenhausen und auf thüringischer Seite wieder zurück. Adolf Herda garnierte die Tour mit vielen Geschichten über das einstige Leben an der Grenze und die freudigen Ereignisse der Grenzöffnung.
Eine arme Zeit in den Wirren des Kriegs
Herda selbst kam 1934 im thüringischen Mendhausen auf die Welt und erlebte noch die Wirren des Zweiten Weltkriegs. Seine Mutter stammte aus dem fränkischen Höchheim und hatte 1930 nach Mendhausen geheiratet. Herdas Vater fiel im Zweiten Weltkrieg. Die Mutter musste die sieben Kinder alleine groß ziehen. "Es war eine arme Zeit", erinnert sich Adolf Herda zurück.

Nach Gründung der DDR übernahm die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) die Macht. Auch in Mendhausen sah man damals Autos der Parteifunktionäre mit der großen Aufschrift "SED". Herda, der scheinbar schon als 15-jähriger ein gutes Mundwerk hatte, interpretierte damals die drei Buchstaben als "Sicheres Ende Deutschlands". Solch freche Sprüche waren natürlich nicht geduldet und hätten zu Jugendarrest geführt. "Die Funktionäre sind mir nach - aber sie haben mich nicht erwischt", erinnert sich Herda augenzwinkernd.
Eine Route an den Zöllnern vorbei
In den ersten Jahren war es noch möglich, über die Grenze zu gelangen. Schließlich hatte man auch familiäre Beziehungen zwischen Thüringen und Franken. Adolf Herda wechselte als Teenager oft zwischen Mendhausen und Höchheim hin und her. Dabei galt es, auszukundschaften, wo die Polizisten gerade die Grenze bewachten. Dementsprechend musste man sich eine Route "an den Zöllnern vorbei" suchen. Herda brachte damals auch viele Menschen, die der jungen DDR den Rücken kehren wollten, illegal über die Grenze nach Bayern.

Die DDR-Grenztruppen bauten die Überwachung stetig aus und in den 50-er Jahren wurde es zunehmend schwierig, von Ost nach West zu kommen. Auch Adolf Herda beschloss damals im benachbarten Franken sein Glück zu suchen und kehrte seinem Geburtsort den Rücken zu und arbeitete zunächst als Knecht in Höchheim. 38 Jahre lang konnte er sein Elternhaus in Mendhausen nicht mehr betreten.
Der Grenzverkehr bei Eußenhausen
Die Reisegruppe machte auch einen Abstecher zur ehemaligen Grenzübergangsstelle bei Eußenhausen. Nach Einführung des innerdeutschen Reiseverkehrs in den siebziger Jahren konnte man über Eußenhausen in die DDR einreisen. Allerdings konnten sich die "Einreisenden" nicht uneingeschränkt bewegen. Mendhausen beispielsweise durfte nicht besucht werden, da es im sogenannten Sperrgebiet lag - also zu nahe an der Grenze. Wenn Herda seine Verwandten besuchen wollte, mußte man sich in Meiningen treffen.
An der ehemaligen Grenzübergangsstelle bei Eußenhausen sind nur noch einige wenige Gebäuderuinen anzutreffen. Während man auf bayrischer Seite lediglich den Ausweis vorzeigen musste, kontrollierten die Ostpolizisten sehr genau, erinnert sich Herda. Dass ein Auto halb auseinandergelegt wurde, war keine Seltenheit.
Originalteile der DDR-Grenze liegen noch herum
In einem Waldstück zwischen dem thüringischen Behrungen und dem fränkischen Rothausen findet man noch Teile der originalen Grenzlinie. Dazu zählen ein Wachturm, ein Drahtzaun und ein Grenzerhäuschen. Solche Mahnmale sollten auch erhalten bleiben damit die Nachwelt erahnen kann, welch unmenschliche Grenze zwischen Ost und West verlief.

Auch in Mendhausen sah sich die Reisegruppe um. Adolf Herda hat sich nach der Wende in seinem Heimatort dafür stark gemacht, dass ein Denkmal mit den Namen der gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs errichtet wird. Für dieses Projekt sammelte er damals Spenden und engagierte sich unermüdlich. Erst die Wende machte es möglich, dass sich Herda, der in Schweinfurt arbeitete, in seinem nur zwei Kilometer entfernten Heimatort bewegen und engagieren kann.
Kirchweih in Irmelshausen mit den Mendhäusern
Er hat viel erlebt und kann jede Menge Geschichten über die Grenze erzählen. Am liebsten erzählt er natürlich von der Grenzöffnung und den bewegenden Momenten der Wendezeit. Als 1989 die Grenze öffnete, war gerade in Irmelshausen Kirchweih. Viele Mendhäuser ließen es sich damals nicht nehmen und nahmen den 65 Kilometer langen Umweg über die Grenzübergangsstelle Eußenhausen in Kauf, um ins zwei Kilometer entfernte Irmelshausen zu gelangen und dort Kirmes mitzufeiern. "Wir sind froh, dass diese unmenschliche Zeit der Grenze vorbei ist und wir heute mitten in Deutschland liegen", so Adolf Herda.

Selbst die Landschaften verbinden die Thüringer mit den Franken. So gibt es beispielsweise einen fränkischen und einen thüringischen Milzgrund. Und auch das Grabfeld erstreckt sich über Thüringen und Franken. Das Flüsschen Milz entspringt am Großen Gleichberg im benachbarten Thüringen. Im Anschluss an die Rundfahrt kehrten die Teilnehmer im Höchheimer Burggut ein. Das altehrwürdige Gebäude wurde so für wenige Stunden wieder mit Leben erfüllt.