Die Spinde und Schreibtische der Artilleristen in Wildflecken sind noch nicht leergeräumt. Die Anzeichen für das Aus für das Panzerartilleriebataillon 355 mehren sich jedoch. Entgegen den Hoffnungen der Militärs vor Ort will das Verteidigungsministerium die Einheit offenbar der Bundeswehr-Strukturreform opfern.
Das Bataillon steht auch auf einer neuen Streichliste. Das berichtete gestern der CDU-Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner. Er erinnerte Verteidigungsminister Scharping in einer Pressemitteilung an seine öffentliche Zusicherung, "der Personalabbau bei der Bundeswehr könne mit der Auflösung von Kleinstandorten bewältigt werden, größere Standorte, wie zum Beispiel Bataillonsstandorte würden davon nicht betroffen."
Trotz der geplanten Auflösung des Artilleriebataillons bleibt Wildflecken ein wichtiger Standort für die Bundeswehr. Die virtuelle Kampfführung am Computer soll weiter ausgebaut werden. Das Verteidigungsministerium spreche gar von Nato-weiter Bedeutung für Wildflecken, so Lintner.
Erreicht werden soll das über den Ausbau des Gefechtsübungszentrums Guppis. Die Bundeswehr will in der Rhön offenbar sämtliche computergestützten Simulationszentren konzentrieren.
Lintner geht daher davon aus, dass Wildflecken nicht alle rund 470 Soldaten des Panzerartilleriebataillons verliert. Zur Aufrechterhaltung der Versorgung des Standortes wäre mindestens eine Stabskompanie oder -batterie mit mehr als 100 Mann notwendig.
In einer solchen Einheit könnte ein großer Teil des Personals der ersten Batterie weiter Verwendung finden. Schwieriger sähe es für die Artilleriespezialisten aus. Die derzeit nächsten Artilleriestandorte sind Tauberbischofsheim, Hessisch-Lichtenau und Homberg/Efze. Die ostdeutschen Artillerie-Standorte Frankenberg und Weißenfels bei Leipzig dürften die Strukturreform wahrscheinlich überleben.
Nur knapp 200 Soldaten des Panzerartilleriebataillons sind Zeit- und Berufssoldaten. Der größere Teil sind Wehrpflichtige. Sie kommen aus Unterfranken, Hessen und Thüringen. Bei der Bundeswehr geht man davon aus, dass eine Auflösung nicht über Nacht erfolgen kann. Bei der Umgliederung 1993, als das Bataillon eine dritte schießende Batterie neu aufbaute, dauerte der Prozeß rund ein Jahr. Außerdem dürfte die Bundeswehr bestrebt sein, Regelungen für Härtefälle zu treffen.
Im Verteidigungsministerium in Berlin war man nicht bereit, die Pläne zur Auflösung des Bataillons zu bestätigen. Die Entscheidung werde erst Ende Januar verkündet nach den Gesprächen mit den Bundesländern, sagte ein Sprecher. "An den Indiskretionen, die seit Wochen und Monaten in Umlauf gebracht werden, wird sich im Ministerium niemand beteiligen."