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BAD NEUSTADT: Auf Schatzsuche im Stadtarchiv

BAD NEUSTADT

Auf Schatzsuche im Stadtarchiv

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    In der Schatzkammer: Thomas Künzl und Sylvia Schmidt im Stadtarchiv.
    In der Schatzkammer: Thomas Künzl und Sylvia Schmidt im Stadtarchiv. Foto: Foto: Ines Renninger

    Bad Neustadt hat einen Schatzsucher mehr. Bislang wühlte sich Stadtarchivar Ludwig Benkert auf ehrenamtlicher Basis durch die Tiefen der Stadtgeschichte. Und brachte, etwa mit seiner Bad Neustädter Stadtchronik, einige Perlen zutage. Weil Benkert momentan aus gesundheitlichen Gründen ausfällt, betreut seit September der 41-jährige Thomas Künzl aus Bad Kissingen Bad Neustadts Stadtarchiv. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter besetzt er eine Teilzeitstelle. Unterstützt wird er nach wie vor von Mitarbeiterin Sylvia Schmidt.

    Eine Reihe von Kostbarkeiten hat der Magister der Soziologie, Geschichte und Philosophie in der kurzen Zeit schon aufgetan: Besonders stolz ist Künzl auf ein Glasplattenarchiv mit 500 bis 600 historischen Bildern, auf das er beim Durchsehen der Materialien in einem der Stadtarchiv-Regale stieß. Eines der Fotos zeigt eine Seiltänzerin auf dem Bad Neustädter Marktplatz. „Das Bild müsste im Kaiserreich entstanden sein“, vermutet Künzl. Hinweise darauf geben der Matrosenanzug eines Jungen und die Hüte der Damen.

    Ein anderes Bild zeigt Bad Neustadts Marktplatz im Dritten Reich. Auf einem Foto, wohl um das Jahr 1910 aufgenommen, sieht man einen Heuwagen, Salzburg und Bahndamm im Hintergrund. Woher die Fotos stammen, ist nicht endgültig geklärt, einige wurden wohl vom Rhönklub an eine Bad Neustädter Schule und von dieser wiederum dem Archiv übergeben. Auch über 200 Fotos aus dem Ersten Weltkrieg sind aufgetaucht. Sie wurden auf dem Dachboden des Rathauses Mühlbach gefunden und dem Archiv übergeben.

    Fotomaterial gerettet

    Einige der Fotos auf Glasplatte, die Künzl in die Hände fielen, waren durch Bakterienfraß beschädigt. Künzl, der nach seinem Studium jahrelang bei einer Softwarefirma in Bad Kissingen arbeitete, bevor er freiberuflich für Main-Post, Jüdische Allgemeine und Rötter Verlag tätig wurde, hat viele der Fotos retten können: Indem er sie digitalisierte, retouchierte, aufhellte, Kontrast zugab.

    Denn Künzl sieht nicht nur die Auswertung der historischen Materialien als seine Aufgabe an, entscheidend sei auch der Punkt: „Wie erhalte ich verfallende Bilder und Dokumente?“ Digitalisierung sei in dem Zusammenhang zwar ein schönes Schlagwort, aber nicht die Lösung aller Probleme. So fände sich im Panzerschrank des Archivs zwar ein Ablassbrief aus dem Jahre 1373, die Haltbarkeit einer Festplatte sei aber mit rund zehn Jahren recht begrenzt, so Künzl.

    „Ein Stadtarchivar ist nicht der nette Geschichtenonkel“, so Künzls Definition seines Aufgabenfeldes. Vielmehr gehe es darum, Suchabläufe zu optimieren und möglichst schnell Informationen zur Verfügung zu stellen. Er sehe sich eher als Verwalter von Wissen. Und das nicht nur behördenintern, sondern auch für die Öffentlichkeit.

    Von Interesse für die Öffentlichkeit ist wohl eine weitere Rarität, auf die Sylvia Schmidt im Archiv stieß: 50 Karteikarten aus der Zeit des Nationalsozialismus, auf denen jüdische Deportierte aus dem Raum Bad Neustadt mit Bild verzeichnet sind. „Nur eine junge Dame aus dieser Kartei hat wohl überlebt“, so Künzl. Mittlerweile hat er die Karten digitalisiert. Aus Israel hätten sich bereits Interessenten gemeldet. Auch in die Ausstellung „Wir wollen uns erinnern“, die von der Stadt Würzburg und Shalom Europa organisiert wird, sollen die Materialien aufgenommen werden.

    Ab November soll das Stadtarchiv, das im selben Gebäude wie die Stadtbibliothek untergebracht ist, jeden Mittwoch von neun bis zwölf Uhr geöffnet sein. Künzl kann sich vorstellen, dass Bürger mit Familien- sowie Haus- und Grundstücksanfragen zu ihm kommen, auch Historiker, die recherchieren möchten. Er plant außerdem, eng mit den Schulen zu kooperieren. Die Stiftung des Bundespräsidenten beispielsweise habe einen Schüler-Geschichtswettbewerb zum Thema Skandale ausgeschrieben. Laut Künzl könne man da sicher auch in Neustadt einiges recherchieren.

    Ein gut gepflegtes Archiv müsse sich dem 41-Jährigen zufolge jede ernst zu nehmende Stadt leisten: Wer die Gegenwart verstehen wolle, müsse seine Vergangenheit kennen. „Die gesellschaftlichen Probleme haben tiefe Wurzeln im historischen.“ Die Stadt Bad Neustadt sieht das genauso. Ziel sei es, gemeinsam mit Künzl, die Öffentlichkeitsarbeit auszubauen und verstärkt in Richtung Publikationen zu arbeiten, so Michael Weiß, der geschäftsführende Beamte der Stadt.

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