Die Pianisten Jörg Hegemann und Patrick Ziegler sehen so aus, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Dieser Eindruck ändert sich spätestens dann, wenn sie sich ans Klavier setzen. Die Beiden spielen Boogie Woogie. Besser gesagt, sie spielen nicht nur, sie zelebrieren es. Und das in einem Tempo, dass es das Publikum fast von den Stühlen reißt.
Es gibt eine Legende um den Boogie Woogie, die besagt, dass die drei Musiker Albert Ammons, Pete Johnson und Meade Lux Lewis im Jahre 1938 gemeinsam in der Carnegie Hall in New York spielten und dabei ihre Zuhörer derart in Ekstase versetzten, dass man diese am Ende des Konzerts von den Kronleuchtern des altehrwürdigen Saales herunterbitten musste, wohin sie vor lauter Begeisterung geklettert waren. Eine Legende, sicherlich, doch wer beim Konzert von Hegemann und Ziegler im Bildhäuser Hof zugegen war, wird dieser Ekstase beim Zuhören von sensationellem Boogie Wooge nachfühlen können.
Ein irrwitziges Tempo
Kann ein einzelner Mensch so schnell Klavier spielen? Man kann. Zumindest wenn man Jörg Hegemann und Patrick Ziegler heißt. Was die beiden einen Abend lang im Bildhäuser Hof auf Einladung der Kulturwerkstatt an Klangkunst ablieferten, ist beinahe unbeschreiblich. Eine irrwitzige Show in teils irrwitzigem Tempo. Boogie Woogie in Reinkultur.
Zugegebenermaßen ist der Boogie Woogie derzeit nicht wirklich in Mode. Die Stilrichtung, deren Wurzeln im Jazz der 1920er-Jahre begründet liegen, speist sich aus bekanntem, amerikanischen Liedgut der Zeit, das fleißig mit Improvisationen überarbeitet und garniert wird. Das macht jedes einzelne Werk des Boogie Woogie bei jedem Spiel einzigartig. Der Pianist folgt einer Grundidee, der Rest entsteht beim Spiel. Vorausgesetzt sind hierfür aber technische Fähigkeiten, die beileibe nicht jeder Musiker mitbringt.
Vom ersten Moment an lassen Hegemann und Ziegler keinen Zweifel daran, wohin die Reise geht. Die Pianisten bringen die Tasten des Flügels wie eines Keyboards zum Glühen. Nach schnellen Stücken muss Hegemann vor der Moderation erst mal nach Luft schnappen, bevor er in klaren Sätzen das Publikum auf die nächste Improvisation vorbereiten kann.
Doch die beiden Tastenzauberer haben so einen Spaß am Spiel, dass sich diese Grundstimmung sehr bald über die Zuhörer legt, die begeistert Beifall spenden. „Wir spielen jeden Abend immer was Neues“, sagt Patrick Ziegler, für den der Boogie Woogie „pure Instrumentalfreiheit“ bedeutet.
Um etwas runterzukommen – die Pianisten genauso wie das Publikum – gibt es ein paar Bluesnummern zwischendurch, teils aus eigener (Ziegler-) Feder. Doch kaum hat das Publikum mental ein wenig Atem geschöpft, schon legen Hegemann und Ziegler wieder los.
Boogie Woogie in allerfeinster Qualität. So hat man das Publikum im Bildhäuser Hof selten jubeln sehen.