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Meiningen: Bertolt Brechts Dreigroschenoper am Meininger Theater: Der Mensch ist einfach nicht schlecht genug

Meiningen

Bertolt Brechts Dreigroschenoper am Meininger Theater: Der Mensch ist einfach nicht schlecht genug

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    So hat man Michael Jeske und Christine Zart noch nicht gesehen: Als Bettlerkönig Jonathan Jeremiah Peachum und Gattin Celia.
    So hat man Michael Jeske und Christine Zart noch nicht gesehen: Als Bettlerkönig Jonathan Jeremiah Peachum und Gattin Celia. Foto: Christina Iberl

    Es gab Zeiten am Meininger Theater, da war man nach dem Besuch einer Faust-Inszenierung geneigt, mit seinem zerfledderten Reclamheft in die Welt zu gehen, um bei jeder Gelegenheit zum Wohle der Menschheit ein passendes Zitat zum Besten zu geben. Nun sehen sich die Freunde der Hochkultur wieder einmal mit einer Herausforderung konfrontiert: mit den Songs aus der "Dreigroschenoper".

    Harmonisch unharmonische Töne

    Das legendäre Stück aus der Feder Bertolt Brechts und seiner Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann, zur mitreißenden Musik von Kurt Weill, läuft gerade in einer Inszenierung von Georg Schmiedleitner. Die Songs werden vom Ensemble so leidenschaftlich ins Publikum geschleudert, dass man sie am liebsten memorieren würde, um sie aufklärungsbedürftigen Mitmenschen zu präsentieren. Mit wahren Worten und harmonisch unharmonischen Tönen stehen sie einem Faust-Zitat in nichts nach.

    Wen wollte man nicht schon einmal mit der Ballade vom angenehmen Leben beglücken, mit der Moritat von Mackie Messer, mit dem Kanonenbootsong und, vor allem, mit dem Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens? "Denn für dieses Leben / ist der Mensch nicht schlecht genug. / Doch sein höh'res Streben / ist ein schöner Zug."

    "Recht hat er, der Brecht"

    Pastor, Polizeichef, Gangster – im Gangsta's Paradise lässt's sich vergnüglich leben (von links) Renatus Scheibe, Stefan Willi Wang, Jan Wenglarz, Vivian Frey, Emma Suthe, Leo Goldberg, Marcus Chiwaeze, Yannick Fischer).
    Pastor, Polizeichef, Gangster – im Gangsta's Paradise lässt's sich vergnüglich leben (von links) Renatus Scheibe, Stefan Willi Wang, Jan Wenglarz, Vivian Frey, Emma Suthe, Leo Goldberg, Marcus Chiwaeze, Yannick Fischer). Foto: Christina Iberl

    Es ist auch ein schöner Zug des Meininger Publikums, dass es immer wieder in dieses fürchterlich kriminelle Milieu von Soho zieht, um sich auf kunstvolle Weise einzureden: "Mackie Messer ist inzwischen sicher Aufsichtsratsvorsitzender einer multinationalen Großbank." Erstmals war das 1958 so, in der spektakulären DDR-Erstinszenierung durch Fritz Bennewitz, die dazu führte, dass die begeisterte Helene Weigel das halbe Ensemble nach Berlin holte.

    Doch die Gelegenheiten, in denen Moralisten die Menschen aus ihrer Unmündigkeit befreien, sind rar geworden. Das Lehrstückhafte und das Spiegel-Vorhalten wirken nicht mehr im Sinne der Schöpfer. Das friedliche Publikum im Meininger Theater könnte es sich heute in den Sesseln bequem machen und räsonieren: "Recht hat er, der Brecht, aber ein Hund war er scho!"

    Brecht/Weill – das ist heute Unterhaltung auf hohem Niveau für Bürger und Bürgerinnen, die dem Genuss nicht ganz abgeneigt sind. "Die Kunst versüßt den Untergang" war in anderem Zusammenhang in der Süddeutschen Zeitung kürzlich zu lesen.

    Accessoires eines drohenden Untergangs

    Da fühlt man sich doch an die unheile Welt erinnert, für die der Mensch nicht schlecht genug und dem Genuss trotzdem nicht abgeneigt ist. Das Ensemble beherrscht die Kunst dieser Unterhaltung so, dass man nur rufen wollte: "Chapeau!".

    Es bespielt die von Stefan Brandtmayr als eine Art Kabarett-Theater ausgestattete Drehbühne – mal Bar, mal Bordell, mal Peachums Büro, mal Gefängnis – mit den Accessoires eines drohenden Untergangs. Im Orchestergraben sitzt die Band unter Leitung der Multiinstrumentalistin Bettina Ostermeier und musiziert mit einer Souveränität, die an das Salonorchester auf der sinkenden Titanic erinnert.

    Ziemlich nah am Publikum: Säge-Robert Yannick Fischer.
    Ziemlich nah am Publikum: Säge-Robert Yannick Fischer. Foto: Christina Iberl

    Die Musik hält die Handlung bis zum Ende zusammen, denn die Menschen sind in Mimik und Gestik fein gezeichnete Charaktermasken, Stereotypen, die keinen Raum für Identifikation bieten. Kostümbildnerin Cornelia Kraske und das Team der Maske haben sich ganz schön ins Zeug gelegt, um die Figuren so zu karikieren, als gehörten sie zu einer exzentrischen Commedia dell'arte-Truppe.

    Dieser Truppe stiehlt so schnell niemand die Show

    Und dieser Truppe stiehlt so schnell niemand die Show: Michael Jeske (Peachum), Christine Zart (Celia), Emma Suthe (Polly), Leo Goldberg (Mackie Messer), Vivian Frey (Polizeichef), Carmen Kirschner (Nancy), Anja Lenßen (Jenny), Renatus Scheibe (Pastor) und Yannick Fischer, Stefan Willi Wang, Jan Wenglarz und Marcus Chiwaeze - die unschlagbaren Vier von Mackies Bande.

    Nicht zu vergessen die Statisterie, die als Huren und Bettler durchaus die Krönung von Queen Victoria hätten aufmischen können. –Ein Abend, an dem nur eines stört: Die vermaledeiten Mikroports an den Künstlern, die die Töne zwar bis in die letzten Nischen tragen, aber dem Publikum die räumliche Zuordnung der Stimmen erschweren.

    Nächste Vorstellungen: 27. Mai, 3., 10., 17. Juni im Großen Haus. Theaterkasse: (03693) 451 222, www.staatstheater-meiningen.de

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