(mik) Wenn Steine sprechen könnten, was würden sie erzählen? Die Steine der ehemaligen Kinderbewahranstalt von Hendungen, heute das Vereinsdomizil des örtlichen Kleintierzuchtvereins, haben bewegte Jahre hinter sich.
Im Jahr 1921 wurde das Gebäude mit Hilfe der ganzen Gemeinde erbaut. Viel freiwillig geleistete Arbeit wurde investiert, um für die Dorfkinder einen Kindergarten zu haben. Die Einrichtung ermöglichte den Bauernfamilien, ihre Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren tagsüber in die Obhut von Ordensschwestern zu geben. So hatten sie mehr Zeit für Feld und Hof.
Im Winter boten die Nonnen auch Handarbeits-, Koch- und Nähkurse für Mädchen aus Hendungen und den Nachbarorten an. Außerdem war eine ambulante Krankenstation in der Kinderbewahranstalt untergebracht. Dies war für die Bevölkerung von großem Nutzen, da nur wenige krankenversichert waren und Kranke sich oft den Gang zum Arzt nicht leisten konnten. Eine in Krankenpflege ausgebildete Schwester kümmerte sich um die Patienten und versorgte auch die, die nicht oder nicht mehr zur Krankenstation kommen konnten.
Ein halbes Jahrhundert lang spielten, aßen und schliefen fast täglich zahlreiche Kinder im Fachwerkhaus am Hirtenberg. Früher begann der Tag im Kindergarten mit einem Gebet, wie in einer Chronik vermerkt ist. Bis zum Mittagessen spielten die Kinder dann zusammen. Beliebt waren Kreisspiele, man backte Sandkuchen oder baute Burgen im Sandkasten. Bei bis zu 60 Kindern war wohl immer etwas los. Der Giebel des Hauses, der den ganzen Hof des Kindergartens überblickt, wird in den Jahren viel gesehen haben: Es wurde gerauft, Fangen gespielt oder auch mal gestritten.
Neben fröhlichen, unbeschwerten Stunden erlebten die Mauern des Kindergartens aber auch andere Zeiten. Dass das Gebäude einen großen Saal besaß, machten sich die Anhänger der NSDAP zur Zeit des Dritten Reichs zunutze. Während dieser eigentlich den Schlafsaal der Kinder darstellte, wurde er für die Partei zu Feierstunden zweckentfremdet, beispielsweise am Muttertag oder für Gefallenengedenken, wie sich ältere Hendunger erinnern. Es war schlichtweg der einzige Saal im Dorf, der so viele Leute fasste.
1965 gab es für die Kinderbewahranstalt eine Änderung. Die Franziskaner-Schwestern wurden zurück nach Oberzell zu ihrem Orden berufen. Von da an übernahmen Erzieherinnen die Leitung des Kindergartens. Als in den Jahren 1972 und 1973 der neue Kindergarten nebenan gebaut wurde, war die Kinderbewahranstalt überflüssig. Doch lange standen die Räume nicht leer, anstelle der Kinder zogen nun Kaninchen, Tauben und Hühner ein. Die Kleintierzüchter schlugen hier ihr Lager auf. Bereits ab 1973 nutzte der Verein den „alten Kindergarten“ für Ausstellungen.
Die fast 90 vergangenen Jahre waren dem Haus in jüngster Zeit deutlich anzusehen. Abgeblätterter Putz an der Fassade, schiefe, eingesackte Wände mit Rissen und Schimmel sowie kaputte Böden und Fenster zeigten, dass der Zahn der Zeit tüchtig am Haus genagt hat. Und so stand der Verein vor der Wahl – neues Domizil oder aufwändige Renovierung?
Das seit 1976 gepachtete Gebäude war dem Verein ans Herz gewachsen, also entschloss man sich mit finanzieller Unterstützung durch Denkmalschutzprogramme (Amt für ländliche Entwicklung, Dorferneuerung, Bayerisches Amt für Denkmalpflege), die Renovierung anzugehen. Im Juli 2009 begann die Generalsanierung. Seitdem wurden viel Arbeit, Schweiß und Zeit in das alte Haus investiert. Wie schon bei seiner Entstehung wurde auch hier viel in Eigenleistung bewerkstelligt. Und es hat sich gelohnt: Das Gebäude ist ein Schmuckstück geworden.
Am diesem Wochenende wird die Bauzeit mit einer offiziellen Eröffnungsfeier und dem Tag der offenen Tür am 1. Mai abgeschlossen. Ab 10 Uhr zeigen die Züchter am Sonntag stolz ihr neugestaltetes Vereinsheim.