Arme Würstchen? Für Familien, die am 8. Mai das Stadtwerke-Jubiläum im Bad Neustädter Triamare besuchten, ging es in den Augen von Leserbriefschreiber Klaus-Peter Eschenbach um die Wurst: Für Familien, schrieb er wörtlich in einem offenen Brief an diese Redaktion, seien die Verzehr-Preise "nicht zu finanzieren" gewesen.
Eschenbach sprach in diesem Leserbrief unter anderem von "Abzocke" und "Gier". Die ausrichtenden Vereine hatten für ein 0,4 Liter-Bier beispielsweise 3,50 Euro, für alkoholfreie Getränke und die Bratwurst 3 Euro verlangt. Auf Nachfrage dieser Redaktion wollten sich die Vereins-Verantwortlichen zur Preisgestaltung aktuell nicht äußern.
"3 Euro für die Wurst ist doch Standard", schreibt ein Kommentator als Reaktion auf den Leserbrief
Einigen Lesern war die Empörung des Leserbriefschreibers aber gar nicht wurst: Bei manchem stieß Eschenbachs Position auf Unverständnis. "3 Euro für die Wurst ist doch Standard", lautete einer der Gegen-Kommentare. Anlass für diese Redaktion, sich im Landkreis umzuschauen: Wie viel zahlt man in Rhön-Grabfeld für die Wurst? Wie setzt sich deren Preis zusammen? Und wie war die Teuerung seit 2019?

Wichtigster Wurst-Wissender im Landkreis ist wahrscheinlich Metzger Christian Düring aus Saal. Der Facheuropameister der Fleischer erhielt 2022 den Goldenen Bratwurstpokal, ein Preis, der nur alle zehn Jahre vergeben wird.
Weshalb die Dürings und andere Metzger Zukunftssorgen haben
Bei den Dürings, Christian und seine drei Geschwister betreiben gemeinsam die gleichnamige Metzgerei und Gaststätte in Saal, geht es um die Wurst. "In zehn Jahren sind wir verreckt", Düring wurde gleich zu Beginn des Pressetermins sehr deutlich. Der 57-Jährige bezog sich damit gar nicht in erster Linie auf die Familienmetzgerei in Saal, für die er derzeit keinen Nachfolger in Aussicht hat, sondern auf die gesamte Fleischer-Branche.
Als Düring 1982 bei seinem Vater lernte, habe es an die 50 Metzger-Kollegen in Rhön-Grabfeld gegeben, inzwischen seien es unter 15 Innungsmitglieder. 2011 gab es deutschlandweit noch rund 15.000 eigenständige Meisterbetriebe im Fleischerhandwerk, 2021 nur noch etwa 10.900. "Da müssen doch die Alarmglocken schrillen."
Der Personalmangel und hohe Auflagen machen den Metzgern das Leben schwer
Seit über zehn Jahren habe er keinen Lehrburschen mehr gefunden, zum Personalmangel und seinen 16-Stunden-Tagen kämen laut Düring Umbrüche in der Landwirtschaft ("Wirkliches Qualitäts-Fleisch wird knapp.") sowie hohe Auflagen, die ihn 2014 dazu bewegten, die hauseigenen Schlachtungen aufzugeben.
Dabei lieben die Dürings ihren Betrieb. "Wir machen das mit Herzblut." Auf dem Sterbebett hätten sie der Mutter versprochen, das Erbe weiterzuführen, erzählt Christians Schwester Mariette, die im Verkauf arbeitet. "Und trotzdem weiß ich nicht, wie lange ich das noch packe und gesundheitlich standhalte", so Christian Düring.
So verteuerte sich die Bratwurst seit 2019
12,50 Euro kostet das Kilo Bratwurst während der derzeit laufenden Bratwurst-Wochen bei den Dürings. Bei einer 100-Gramm-Wurst sind das etwa 1,25 Euro Kosten für die reine, ungegrillte Wurst. 2019 lag der Preis laut Christian Düring noch bei 9,50 Euro pro Kilo. Die Teuerung beläuft sich also auf etwa 36 Prozent.

Über die Düring'sche Metzger-Theke geht die Bratwurst im Brötchen (plus 48 Cent), je nach Gewicht für etwa 2 Euro das Stück. "Vereinen rate ich aber zu einem Preis von 3 Euro pro Bratwurst", sagt Mariette Düring offen. Erst anlässlich der Maifeier in Saal sei sie diesbezüglich um Rat gefragt worden. Neben dem Brötchen fallen für Vereine schließlich noch Energiekosten, eventuell Holzkohle, Senf und Ketchup, Alufolie oder Servietten an.
"Verkaufen wir unser Zeug nicht richtig, legen wir drauf", so Christian Düring
Die Bratwurst-Produktion kommt die Dürings im Jahr 2023 inzwischen deutlich teurer als es noch 2019, vor Corona und dem Ukraine-Krieg, der Fall war. Allein der Fleischpreis sei um zwischen 90 und 100 Prozent gestiegen. So koste das Kilo Bauchfleisch inzwischen 4,80 Euro plus Steuer, 2019 waren es laut Düring 2,40 Euro plus Steuer gewesen. Beim"schieren" also puren Fleisch ohne Knochen, Fett oder Sehnen, ist der Kilopreis um 90 Prozent teurer als 2019 und liegt inzwischen bei 4,95 Euro plus Steuern.

Teuerungen gab es auch bei den übrigen Bestandteilen der Bratwurst: Die Dose Schafdärme koste aktuell 21 Prozent mehr als 2019, das Kilo Salz 47 Prozent mehr, das Kilo Bratwurstgewürz komme 13 Prozent teurer, bei Phosphaten liege die Erhöhung bei 54 Prozent. Ein Brötchen, das er früher für 33 Cent erwarb, koste ihn mittlerweile 48 Cent (Anstieg von 45 Prozent). Die Personalkosten beziffert Christian Düring mit 15 bis 20 Prozent. Die Kilowattstunde Strom komme die Familie auf 49 Cent, 2019 waren es 25 Cent (plus 96 Prozent). "Und bei uns laufen viele Maschinen mit Starkstrom", so Mariette Düring.
In einem sind sich die Geschwister einig: "Verkaufen wir unser Zeug nicht richtig, legen wir drauf!" Im Wurst-Streit fällen sie ein klares Urteil: "3 Euro für die Bratwurst sind berechtigt und absolut angemessen."