Das nennt man glückliche Umstände: Der Bub kam seinerzeit in Burglauer an einem Sonntag, Punkt zwölf Uhr, zur Welt. Draußen war's sonnig, die Kirchenglocken läuteten und im Haus Nummer 15 (damals gab’s in Burglauer noch keine Straßennamen) machte die Familie Hausmusik. So pflegte Fridolin Kaidels Mutter Agatha später stets die Geburt ihres Stammhalters am 24. Januar 1932 zu schildern.
"Ich hatte eine schöne Kindheit", sagt der heute 90-Jährige, den alle zeitlebens einfach Friedel nennen, im Hinblick darauf, dass er bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 erst sieben Jahre alt war. Sein Vater Joseph und dessen drei Brüder mussten damals in den Krieg. Sein Onkel Lothar kam nicht zurück.
Kindheit zu Kriegszeiten
Kaidel war schon in der Volksschule, als eines Morgens seine Lehrerin Frau Neugier vor die Klasse trat und sagte: "Ab heute ist Krieg." "Wir wussten damals gar nicht genau, was das bedeutet", sagt Kaidel. Erst als später die Nachrichten von Gefallenen in Burglauer eintrafen, hätten auch er und die anderen Kinder geahnt, wie schlimm Krieg ist.
Ob er ein Lausbub oder ein Streber war? "Ich war brav", sagt Kaidel schmunzelnd und lässt eine lange Pause entstehen. "Ja, doch, wir haben den Leuten im Dorf schon auch mal einen Streich gespielt", gibt er schließlich zu. Ab 1942, also noch mitten im Krieg, ging er ins Gymnasium nach Münnerstadt. 1950 hatte er die Mittlere Reife in der Tasche und begann bei der Firma Preh in Bad Neustadt eine Lehre als Industriekaufmann.
Ausbildung bei den Bayern im Preh
Zuvor hatte Kaidel zwar ein Praktikum bei der Firma Siemens gemacht. Aber sein Vater hatte einen ganz pragmatischen Spruch zur Berufswahl parat: "Bei Siemens sind die Preußen, bei Preh die Bayern." Und damit sei glasklar gewesen, wo er seine Lehre macht.
Nach drei Jahren bei Preh ging’s von 1954 bis 1957 nach Bremen, wo sich für den damals 22-Jährigen eine interessante Stelle im Einkauf bei der Firma Nordmende auftat. Er begann ein Fernstudium der Volkswirtschaft. Von 1957 bis 1959 war Kaidel bei der Firma Philips in Hamburg in der Einkaufsleitung tätig.
In dieser Firma lernte Kaidel auch seine spätere Frau Jutta kennen, die ebenfalls bei Philips arbeitete. "Wir waren uns öfter während der Pausen auf dem Gang begegnet, wenn man sich einen Kaffee holte", erinnert er sich an die ersten Flirts. Beim Betriebsfest zu Fasching habe es dann richtig gefunkt.
Heirat in Hamburg und Münnerstadt
Geheiratet wurde im November 1958. Die standesamtliche Trauung fand in Hamburg statt, die kirchliche in der Münnerstädter Klosterkirche. Schwierig wurde es , als das junge Paar in Hamburg auf Wohnungssuche ging, denn viele Häuser waren 13 Jahre nach dem Krieg noch nicht wiederaufgebaut.
Weil der Kontakt zur Bad Neustädter Firma Preh nicht abgerissen war, fragte Kaidel damals kurzerhand nach einer Stelle – mit Erfolg. 1959 stieg er dort als Verkaufsgruppenleiter für Norddeutschland ein, und die Firma bot dem jungen Ehepaar eine Wohnung in Bad Neustadt an. Kaidel blieb bis 1965 in der Firma. In diesen sechs Jahren kamen die drei Kinder Matthias, Wolfgang und Barbara zur Welt.
Von Lüdenscheid nach Nürnberg und dann nach Burglauer
Dann lockte Kaidel eine interessante Stelle als Produkt- und Marketing-Manager bei der Chemie-Firma Raschig (Sitz Ludwigshafen). Die Familie ließ sich aber 1965 im rund 300 Kilometer enfernten sauerländischen Lüdenscheid (Nordrhein-Westfalen) nieder. Von dort aus betreute Kaidel die Raschig-Kunden im Außendienst. 1970 kam Tochter Carola zur Welt.
Als Kaidel 1996 ins Rente gegangen war, beschlossen er und seine Frau, nach Nürnberg umzusiedeln, um dort Tochter Barbara mit ihrer Familie zu unterstützen. 2012 zogen die Beiden schließlich nach Burglauer, wo sie schon 1982 ein Haus gebaut hatten, das sie als Ferienwohnung nutzten. Doch leider starb Kaidels Frau bereits drei Jahre später.
Reisen, Sport und viel Musik
Wenn er sich an sie erinnert, fallen ihm dann auch immer mal all die Reisen quer durch Europa ein, die sie gemeinsam unternahmen. Neben dem Sport hielt Kaidel stets noch eine andere Leidenschaft in seinem Leben hoch: die Musik.
Wie es geht, die Menschen mit Musik fröhlich zu stimmen, lernte er nämlich beizeiten. Denn fast alle Männer der Großfamilie durchliefen eine Blitzkarriere in der "Kapelle Kaidel", die früher in Burglauer an Kirchweih und an Fasenacht zum Tanz aufspielte.
Das waren einstmals der Großvater Johann Kaidel an der Baßgeige, der Onkel Lothar (Posaune und Schifferklavier), der Vater Joseph (Geige) und sein Onkel Franz (Trommel). Später war auch der Jungspund Friedel mit von der Partie: "Ich spielte Klavier und Akkordeon und hab mit Großvater, Vater und Onkel Franz Musik gemacht."