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Den Toten einen würdigen Raum geben

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Den Toten einen würdigen Raum geben

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    Das Menzel-Zimmer im Regentenbau, Gesprächsraum der evangelischen Kur- und Reha-Seelsorge.
    Das Menzel-Zimmer im Regentenbau, Gesprächsraum der evangelischen Kur- und Reha-Seelsorge. Foto: FOTO Susanne Wahler-Göbel

    Es nimmt der Augenblick, was Jahre gegeben. Diesen Satz formulierte Johann Wolfgang von Goethe. Der unwiderrufliche Augenblick, der einem Menschen sein Leben nimmt, ist der Tod. Zurück bleiben trauernde Angehörige, die Abschied nehmen müssen. Das geschieht sehr individuell und ist geprägt von der Beziehung, die die Angehörigen zu dem Verstorbenen hatten. Einem verstorbenen Menschen Raum geben, das lässt sich auf zweifache Weise deuten: einerseits ganz konkret und andererseits eher symbolisch.

    „Hier ist absolute Ruhe“, sagt Rüdiger Fehr, Bestattermeister aus Bad Kissingen. Der 40-Jährige hat einen eigenen Verabschiedungsraum in seinem Firmenanwesen eingerichtet. In der freundlichen und mit warmen Farben gestalteten Halle können Trauernde ganz ungestört und bei angenehmen Temperaturen von ihren Verstorbenen Abschied nehmen.

    Rund 50 Sitzplätze bietet der Raum, der von Trauernden auch nach ihren Wünschen gestaltet werden kann. „Wir machen das nicht aus kommerziellen Gründen“, betont Fehr. Die Idee entstand eher aus einem Manko, das dem Bestatter schon seit Jahren negativ aufstößt: „Die Leichenhalle am Parkfriedhof ist für kleine Trauergemeinden zu groß und für große zu klein.“

    Und, sagt Fehr, der als neuer Stadtrat ion Bad Kissingen um die knappe Finanzlage der Kurstadt weiß: „Sie ist nicht mehr im besten baulichen Zustand, was wir aber durch schöne Trauerdekorationen auszugleichen versuchen.“

    Manchmal verweilten Angehörige in dem Verabschiedungsraum mehrere Stunden vor ihrem Verstorbenen, ist Fehrs Erfahrung. „Der eine oder andere kann auf diese Weise mit seinem Angehörigen Frieden schließen, wenn er noch mal zwei Stunden mit ihm allein ist.“ Der Verstorbene bleibe so lange in dem Raum aufgebahrt, wie dies von Verwandten gewünscht werde.

    Aber Fehr kennt auch Beispiele, in denen ein Verstorbener eben keinerlei Raum mehr im Leben der Angehörigen hat. Dementsprechend wird auch kein konkreter Abschiedsraum gewünscht. „Dann ist es den Leuten egal, dass die Oma noch fünf Tage im Kühlfach liegt.“

    Die Gründe für ein solches Verhalten seien unterschiedlich, meint der Bestatter. „Heutzutage führen Lebenswege Generationen häufig auseinander, die emotionale Bindung lässt nach. Nachbarschaftliche Bande funktionieren nur noch auf dem Land.“

    Wie unterschiedlich das Abschiednehmen von einem Sterbenden oder Gestorbenen ist, erfährt auch Wolfgang Schöller, Klinikseelsorger im St.-Elisabeth-Krankenhaus. „Manche sind beim Eintritt des Todes dabei und bleiben danach noch eine Weile beim Verstorbenen.“ Andere wiederum könnten es nicht mit ansehen, wie ein Angehöriger auf der Intensivstation liege, „scheinbar der Technik ausgeliefert“ und bräuchten behutsame Begleitung.

    „Das Krankenhaus ist auch ein Ort der Toten, weil ärztliche Kunst ihre Grenzen hat, genauso wie das Leben selbst. In einem Haus, das für Kranke da ist, werden diese Grenzen eben auch erreicht“, sagt Schöller. „Unsere Zeit tut sich immer noch schwer mit dem Tod, obwohl es mittlerweile durch die Hospizvereine oder die Palliativstationen viele gute Ansätze gibt.“

    Liegt ein Patient im Elisabeth-Krankenhaus im Sterben, spendet Pfarrer Georg Kisitzky das Sakrament der Krankensalbung, falls dies vom Patienten oder den Angehörigen gewünscht wird. Stirbt ein Patient, „bemühen wir uns, den Toten in ein Einzelzimmer zu verlegen, damit die Angehörigen Abschied nehmen können“, so Pastoralreferent Schöller.

    Das sei aber je nach Auslastung des Hauses nicht immer möglich. Wie sich der Abschied vollziehe, sei sehr unterschiedlich und liege immer mehr auch an den Religionen und Kulturen der Patienten. „Muslimische Verwandte zum Beispiel trauern gänzlich anders als wir es aus unserem Kulturkreis kennen.“

    Bestimmte Rituale, wie sie früher die Ordensschwestern nach dem Tod eines Patienten ausgeführt hätten, gebe es mittlerweile im Elisabeth-Krankenhaus so nicht mehr, sagt Schöller. „Immer mehr Patienten sind konfessionslos, da wird dann beispielsweise auch kein Kreuz oder Heiligenbild neben dem Bett gewünscht.“ Auch eine Kerze dürfe aus feuerschutztechnischen Gründen nicht angezündet werden.

    Nach den erforderlichen Todesbescheinigungen werde der Leichnam in die so genannte Prosektur des Krankenhauses gebracht und dort gekühlt aufbewahrt, bis er vom Bestattungsunternehmen abgeholt werde, erläutert der Klinikseelsorger.

    Die mit einem Kreuz und blauen Glasfenstern gestaltete Prosektur liegt weitgehend abgeschieden im Keller- beziehungsweise Wirtschaftsbereich des Krankenhauses – eine Tatsache, die Schöller nicht gefällt, wie er gesteht. „Aber wir haben eben keine anderen räumlichen Kapazitäten.“

    Schöller betont, das Haus lege viel Wert darauf, dass ein Toter symbolisch einen würdevollen Raum bekomme. „Das Pflegepersonal arbeitet sehr sorgsam an einem Toten, beispielweise, wenn eine Kanüle gezogen werden muss.“

    An die Verstorbenen werde monatlich in den Klinikgottesdiensten gedacht, „sie werden beim Namen genannt, denn das Krankenhaus ist auch ein Ort der Erinnerung.“

    Die Prosektur des Elisabeth-Krankenhauses kann ein Bestatter über einen Seiteneingang erreichen. Das Abholen eines Leichnams geschieht also weitgehend unbemerkt für Besucher und Patienten. Eine solche Situation kennt Rüdiger Fehr auch von vielen Alten- und Pflegeheimen. „Doch warum soll ein Leichenwagen nicht vor dem Haupteingang halten“, fragt der 40-Jährige und beantwortet die Frage indirekt selbst: „Der Tod gehört zum Leben, das ist keine Floskel, das ist einfach so.“

    Einem Toten einen würdigen Abschiedsraum zu geben, hält Pfarrer Edwin Ziegler von der St. Elisabeth-Kirche im Stadtteil Garitz für „grundsätzlich wichtig und notwendig“. Ziegler sieht allerdings eine „Tendenz, Trauer mehr und mehr zu privatisieren“. Eine Abschiedsfeier in einer Trauerhalle wie bei Bestatter Fehr ist nach Ansicht des Geistlichen „zumindest in kirchlichem Verständnis kein Ersatz für einen Friedhofsgang oder die Totenmesse in der Kirche.“ Über die Gründe einer solchen „Privatisierungstendenz“ könne er nur spekulieren, sagt Ziegler. „Eine allgemeine Kirchenferne spielt sicher eine Rolle und der schwierige Umgang mit dem Thema Tod.“

    Claudia Weingärtler, evangelische Kur- und Rehaseelsorgerin in Bad Kissingen, nennt Trauer und Abschied „die häufigsten Themen, mit denen Menschen zu mir kommen“. Im Menzel-Zimmer, einem Raum im Regentenbau, den die Staatsbad GmbH der Kurseelsorge zur Verfügung gestellt hat, nimmt sich die 42-Jährige Zeit für Gespräche. „Oft realisieren Menschen erst aus einem gewissen Abstand heraus, was sie mit dem Verlust eines Angehörigen alles unwiederbringlich verloren haben. Vor allem ältere Menschen fallen dann in ein Loch.“

    Weingärtler ist dankbar, mit dem Menzel-Zimmer einen Raum mit einer stimmigen Atmosphäre anbieten zu können. „Der Raum ist mittlerweile erfüllt von den vielen Gedanken und Gefühlen, die Menschen hier geäußert und zugelassen haben.“

    Momente des Todes, der Trauer und des Abschiednehmens gestalteten sich individuell sehr verschieden, ist eine Erfahrung der Theologin. Letztlich, sagt Claudia Weingärtler, sei das ein Thema, das sich durch das ganze Leben ziehe. „Bei Trauer- und Abschiedsprozessen ist alles erlaubt, was einem in so einem Moment gut tut.“

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