100 Jahre besteht der TSV Aubstadt, 25 Jahre sein einziger, der "1. Fanclub Widerwärtig": Eine echte Rarität in der Fußballszene. Wie lange noch, das lässt sich absehen. Sein Sprecher Manfred Schubert sieht es so: "Wir werden nicht jünger, sondern immer tappeliger." Man könnte auch sagen älter oder schwerfälliger.
Schimpfen über Spieler, Trainer, Gott und die Welt
Logisch: Unter 74 ist keiner mehr von den älteren Herren, die, als sie um die 50 oder knapp drüber waren, bei jedem Heim- und Auswärtsspiel ihres TSV Aubstadt zuschauten, damals in der Landesliga Nord: zusammen und bei den Heimspielen immer am selben Fleck hinter der Bande. Dabei räsonierten sie, wie man auf Abschterisch sagt, schimpften über Gott und die Welt, natürlich auch über das Spiel, die Spieler und den Schiedsrichter – und den Trainer. Und sahen dabei ein, dass sie ganz schön widerwärtig waren. Als sie auf die Idee kamen, einen Fanclub zu gründen, und nach einem Namen suchten, waren sie sich schnell einig. Sie bedachten dabei freilich nicht, dass "widerwärtig" irgendwann mal von Google mit "abscheuerregend, abscheulich, abstoßend und unausstehlich" umschrieben werden sollte.
Das sind sie nämlich ganz und gar nicht. Alles andere als randalierende Hooligans der Fußball-Neuzeit. In Aubstadt ist "widerwärtig" eigentlich nichts Schlimmes. Damit nimmt man sich mitunter sogar selbst auf den Arm. Für sie gilt: "Wo der Spaß aufhört, beginnt der Humor." Bald hatten sie ein Banner, das in der ehemaligen BOL, der Landes-, Bayern- und Regionalliga bekannt wurde. Mit dem Aufstieg mussten sie umziehen, Platz machen für Werbebanden. Da waren sie zuerst schon etwas widerwärtig. Dafür haben sie nun eine fest installierte Bande an ihrem inzwischen neuen Platz in der Nord-West-Kurve des NGN-Stadions. "Und a Bänkle. Mancher kann nimmer so lang steh´."
Der große Auftritt bei der Kadervorstellung
Bei der traditionellen Kadervorstellung hatten sie ihren alljährlich großen Auftritt. Da prämierten sie vor Saisonbeginn den Torschützenkönig und die von ihnen gewählten drei wertvollsten Spieler der vergangenen Saison. "Wir achten da schon immer drauf, dass möglichst jeder mal dran kommt", verrät Manfred Schubert. Die Vier wurden dabei immer mit abgestuften Geld-Prämien belohnt und mit einer Laudatio, die früher Hans Rippel vortrug, inzwischen Manfred Schubert. In den Kreis der ehemals sieben Gründungs-Mitglieder wurde nie ein achtes aufgenommen. Inzwischen leben nur noch fünf: Wolfgang Kleinert, Albert Scheller, Hans Rippel, Helmut Schubert und Manfred Schubert. Verstorben sind bereits Arthur Eppler und Walter Scheller. "Wenn nix Jüngeres nachdrängt, werden wir uns eines Tages auflösen", prophezeit Manfred Schubert. "Ich weiß aber nicht, ob jemand wirklich widerwärtig genug ist, dass wir ihn aufnehmen."
Für die diesjährige Kadervortsellung hatten sie ein Problem. Die zwei Mal wegen Corona unter- und schließlich abgebrochene, auf zwei Jahre verlängerte Saison, war, wenn auch die beste in der Vereinsgeschichte als Regionalliga-Fünfter, so zerrissen und von eigentlich zweierlei Kadern bestritten, dass man mit gleich welcher Wahl keinem gerecht geworden wäre. "Also haben wir uns entschieden, die Trainer zu ehren." Die Laudatio fand bei der Kadervorstellung statt. Weil aber die Prämien, drei Brotzeit-Platten, aus Urlaubsgründen da noch nicht verfügbar waren, konnten sie erst nach dem Saisoneröffnungsspiel gegen Unterhaching an die drei Trainer überreicht werden.
Sogar der DFB-Interimspräsident Dr. Rainer Koch war da
Das Gute daran: In die Übergabe schaltete sich sogar der amtierende DFB-Interimspräsident und Präsident des Bayerischen Fußballverbands Dr. Rainer Koch mit ein. Der war zum Saisonauftaktspiel der Aubstadter Elf in der Regionalliga gegen Unterhaching in die NGN-Arena gekommen. Das Schlechte: Von den Fünf waren an dem Tag zwei "nicht so gut drauf" und deshalb nicht mit drauf auf dem Bild. Aber auch von den Trainern kam nur Cheftrainer Victor Kleinhenz drauf. Der Co-Trainer André Betz war nach dem Spiel einfach nicht aufzutreiben, weil abgetaucht unter den 1000 Zuschauern. Und Josef Francic, von Schubert zum "Jahrhundert-Trainer gekürt und inzwischen zum Sportdirektor befördert, war in Urlaub. So musste mindestens eine Brotzeit zurück in den Kühlraum. Dass Schubert deshalb "nur a bisserla widerwärtig" war, hat damit zu tun, "weil mir Widerwärtiche ach amal en Spaß vertroche. Dafür sen mer nachher wieder widerwärtich."