Das ist ein Küchenhandtuch, oder?“, flüstert eine ältere Dame und schaut ihre Begleiterin zweifelnd an. „Sieht so aus“, flüstert die zurück. Ja, es ist ein blau-kariertes Küchenhandtuch, das sich Rolf Sachs wie ein elegantes Seidentuch um den Hals drapiert hat. Der 58-Jährige liebt Schals und Halstücher in allen möglichen und manchmal auch sehr witzigen Variationen. Sie sind sein Markenzeichen. Als Künstler arbeitet er oft mit Gegenständen des Alltags, gibt ihnen eine neue Funktion, stellt sie in einen neuen Zusammenhang. Warum also nicht ein Handtuch als Halstuch.
Rolf Sachs ist am Freitag noch einmal für ein paar Stunden in Schweinfurt. Kurz vor Ende der Ausstellung „Die Sammlung Gunter Sachs“ will er seinem Sohn Philipp die Kunstwerke des Großvaters in den Räumen zeigen, die Philipps Urgroßvater Ernst Sachs den Schweinfurtern einst als Hallenbad geschenkt hat. Danach, so hat Rolf Sachs angeboten, macht er eine Führung für einen kleinen Kreis, quasi als stellvertretendes Dankeschön an die fast 60 000 Besucher der letzten Monate. 25 Karten hat die Kunsthalle verlost, am Ende des Rundgangs drängen sich mindestens 60 bis 70 Menschen um Rolf Sachs, die sich der Gruppe einfach angeschlossen haben und ihm mit ihren Handys und Fotoapparaten teilweise ziemlich dicht auf die Pelle rücken.
Rolf Sachs nimmt es gelassen. Als Spross einer bekannten Familie, als Sohn eines der am meisten fotografierten Männer seiner Zeit und als erfolgreicher Künstler ist er Rummel gewohnt. Gleich zu Beginn stellt er klar, dass er keinesfalls eine kunsthistorische Einführung geben wird. Sein Zugang zu vielen Künstlern in dieser Ausstellung ist eher ein emotionaler. Vor den abstrakten Gemälden des Jean Fautrier saß er schon als kleiner Junge staunend. Den Bildhauer César hat er mit seinem Vater im Atelier besucht und gesehen, wie der französische Künstler am berühmten „Pouce“ arbeitete, einem Abdruck des Daumens von Gunter Sachs, der nun in Schweinfurt zu sehen ist.
Unterschiedliche Bettüberwürfe
Zur Pop Art in der Großen Halle erzählt er nicht viel. Die Geschichten vom Apartment seines Vaters im Palace Hotel von St. Moritz, in dem viele der Arbeiten hingen und standen, sind in den vergangenen Monaten in der Presse oft beschrieben worden. Die will er wohl nicht wiederholen. Und die eine Frage, die Besucher der Ausstellung immer wieder gestellt haben, kann er leider nicht beantworten: Warum die beiden Bettüberwürfe, die Roy Lichtenstein für jenes Apartment gefertigt hat, unterschiedlich lang sind. Da platzt eine Dame mit der Bemerkung heraus: „Die eine war eben für Vati, die andere für Mutti“.
Die Umstehenden lachen, Rolf Sachs lächelt höflich, während sein Sohn Philipp ebenso höflich einem älteren Herren zuhört, der ihm irgendetwas erzählt. Inzwischen ist die Gruppe auf mehr als das Doppelte angewachsen. Viele Besucher, die den Mann mit dem Halstuch erkennen, schließen sich einfach an. Das verlangsamt das Tempo beträchtlich und Rolf Sachs muss immer wieder warten, bis alle beisammen sind. Nur die Geschwindigkeit, mit der er in dieser Zeit seine Brille in der Hand dreht, verrät seine Ungeduld. Schließlich hat er noch eine Signierstunde versprochen und anschließend steht ein Besuch in der ehemaligen Firma der Familie an. Über manche Künstler weiß Rolf Sachs nicht viel und sagt es auch offen. Die meisten Teilnehmer sind vermutlich ohnehin eher wegen der persönlichen Geschichten gekommen. Im Raum mit der Graffiti-Kunst erzählt Rolf Sachs, dass sein Vater noch als 70-Jähriger nach New York gefahren ist, um die jungen Sprayer kennenzulernen.
Es klingt sehr respektvoll, wie der 58-Jährige von „dem Vater“, spricht, der immer am Puls der Zeit geblieben sei, der sich auch im Alter für die Avantgarde interessiert und junge Künstler gefördert habe. Was er anschließend zu den Fotografen sagt, die Gunter Sachs gesammelt hat, ist doch eher allgemeiner Natur. Für längere Ausführungen ist es auch viel zu eng in den kleinen Kabinetten, dann drängen sich noch zwei Fotografen und der Kameramann vom Lokalfernsehen zwischen die Zuhörer. Vor der Aufnahme von Thomas Ruff, einem der bekanntesten deutschen Fotografen, kann Kuratorin Andrea Brandl eine kleine Anekdote beisteuern. Kürzlich kam eine Aufsicht recht aufgeregt und erzählte, ein Mann würde mit einer großen Kamera in der Ausstellung fotografieren. Es stellte sich heraus, dass dieser Besucher Thomas Ruff war.
Ein Mann stellt Rolf Sachs die Frage, ob es in absehbarer Zeit noch einmal eine so große Ausstellung mit den Fotografien seines Vaters geben wird, wie sie 2008 in Leipzig zu sehen war. „Sicher irgendwann, wir arbeiten gerade das gesamte Fotowerk auf“, sagt der 58-Jährige. Vielleicht werden Fotografien von Gunter Sachs eines Tages in der Kunsthalle zu sehen sein. Oder auch Arbeiten von Rolf Sachs. „Ich kann mir das vorstellen“, antwortet der Möbeldesigner und Objektkünstler auf die Frage der Reporterin und erwähnt, dass seine Ausstellung mit dem Titel „typisch deutsch“ im Museum für Angewandte Kunst in Köln so erfolgreich ist, dass sie um zwei Monate verlängert wurde und bis 9. Juni zu sehen ist.
Rolf Sachs zeigt Lieblingsbilder
Gegen Ende der Führung zeigt Rolf Sachs noch ein paar seiner Lieblingsbilder. Ein kleines abstraktes Gemälde von Hans Hartung, das auch Kunsthallenchef Erich Schneider sehr gut gefällt, gehört dazu, wie schon erwähnt die Fautriers und am Ende, im letzten Raum mit den Surrealisten, eine Collage von Kurt Schwitters. Der herzliche Applaus ist noch nicht verklungen, als sich einige Damen vorwagen, die die ganze Zeit den Katalog zur Ausstellung mit sich herumgeschleppt haben und nun um ein Autogramm bitten.
Die Ausstellung ist nur noch bis 30. März zu sehen.