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Egon Friedel: Ein Leben für die Preh-Familie

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Egon Friedel: Ein Leben für die Preh-Familie

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    _ Foto: Egon Friedel

    Geschichten von langen Karrieren beginnen gerne mit dem Satz „Ich habe das nie machen wollen“. Also lassen wir die Geschichte von Egon Friedel, der 50 Jahre zur Preh-Familie zählt und 32 Jahre davon als Betriebsratsvorsitzender wirkte, mit dem Satz beginnen: „Ich habe das nie machen wollen“.

    Egon Friedel wollte eigentlich Koch werden. Seine Mutter Veronika hatte bei ihm die Leidenschaft geweckt. Braten, Klöße oder Kuchenbacken: Egon Friedel schaute schon als Kind in Schmalwasser seiner Mutter über die Schultern und sog begierig den Küchenduft ein. Sie half viel im Dorfgasthaus „Zum Hirschen“ von August und Luise Schäfer aus und arbeitete auch in der Preh-Kantine.

    „Aber es gab keine Busverbindung nach Bad Kissingen. Ich hätte dort wohnen müssen, also suchte ich etwas anderes“, erzählt Egon Friedel im Sitzungszimmer des Preh-Betriebsrates. An der Tafel steht der Zeitplan für die nächsten Betriebsratswahlen im April, oben auf dem Schrank griffbereit das Megafon, sollte sich die Arbeitervertretung Gehör verschaffen müssen.

    Weil aus der Kochlehre also nichts wurde, bewarb sich Egon Friedel, 14 Jahre jung, in der Bad Neustädter Industrie. Von Preh bekam er zuerst eine Zusage. „Eigentlich wollte ich was mit Elektrik machen, das konnte man ja für Zuhause gebrauchen. Aber da gab es keinen Bedarf, also wurde ich Feinmechaniker“, erinnert sich Friedel. Eine Entscheidung mit Folgen: „Das feingliedrige, präzise Arbeiten verlernt man nicht. Das macht sich aber auch bei Arbeiten zuhause bemerkbar, da wird man vielleicht übergenau“, schmunzelt der Mann.

    Gute Zeiten: Deutschland wird Fernsehnation

    Gute Zeiten waren das damals noch. Deutschland wurde eine Fernsehnation und Preh baute Bedienteile für das Bildschirmvergnügen. Zwei Fernsehprogramme gab es damals. Weil ab Herbst 1967 sogar vier Stunden Farbfernsehen übertragen werden sollten, erwarte man einen weiteren Boom.

    3700 Mitarbeiter hatte Preh, davon 2000 in Bad Neustadt. Zu Bestzeiten waren 6000 Preh'ler weltweit beschäftigt. Es gab mehrere Zweigwerke in der Umgebung. Es waren die großen Zeiten des Familienunternehmens, das von Patriarch Walter und Rosemarie Preh geführt wurde. Griechische Gastarbeiterinnen wurden angeheuert, für Babys gab es eine Baby-Grundausstattung zur Geburt. Preh war eben ein Familienunternehmen.

    1970 wurde Egon Friedel zum Vorsitzenden der Jugendvertretung bei Preh gewählt. „Es war die Zeit, in der die Krisenjahre bei Preh begannen“, blickt Friedel zurück. Der Job des Jugendvertreters sei ihm damals als eine Art „besserer Klassensprecherposten“ schmackhaft gemacht worden, schmunzelt er.

    Der Weg in die Arbeitnehmervertretung ging weiter. 1975 wurde er Ersatzmitglied des Betriebsrats, 1981 stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, 1985 dann freigestellter Betriebsratsvorsitzender. Bis heute bekleidet er dieses Amt.

    „Es war eine Entscheidung 1985, mit der ich mir sehr schwergetan habe“, sagt das Preh-Urgestein im Rückblick. Friedel war 28 Jahre jung, arbeitete als Feinmechaniker in der Versuchswerkstatt. „Es war kreativ und es gab keinen Zeitdruck durch Aufträge“, erzählt er. Diesen Job zu tauschen mit einem Betriebsratsamt, in das man wie ein Bürgermeister gewählt wird, das musste überlegt sein. Im Falle des Falles. Wer würde einen Betriebsrat einstellen?

    Die tiefe Preh-Krise: Entlassene mit Suizidgedanken

    Und Preh befand sich in dieser Zeit in einer tiefen Krise. Die Produkte für die Elektronikindustrie verkauften sich nicht mehr, eine große Entlassungswelle rollte schließlich über das Unternehmen. „Wenn ein junger 25-jähriger Familienvater mit neugebautem Haus entlassen wird und er dir sagt, dass er sich aus Verzweiflung erhängen möchte, dann hat man zu schlucken gehabt“, erzählt Friedel.

    Preh war noch nie eine anonyme Fabrik. Den Familiencharakter hatten auch Jakob Prehs Sohn Walter und Frau Rosemarie gepflegt. „Einmal hat Walter Preh einer Betriebsversammlung beigewohnt. Er hatte Cognac und Zigarren mitgebracht. Für mich als Jugendlichen gab es nichts, der ganze Raum war verqualmt“, erzählt Friedel.

    Auch die Geschichte, als Walter Preh einmal von einem neuen Pförtner keinen Einlass bekam, weil er keinen Ausweis vorzeigen konnte – der Pförtner wurde für diese klare Haltung belobigt – lässt Friedel nicht unerwähnt.

    Unvergessen für ihn auch Rosemarie Preh, die in der schwierigsten Phase des Unternehmens in den Achtzigerjahren einen beträchtlichen Teil ihres Privatvermögens in das Unternehmen steckte, um den Namen Preh zu retten. „Ein Sanierer stand schon vor der Tür, um das Unternehmen für eine D-Mark zu kaufen. Ohne sie gäbe es heute die Firma Preh nicht mehr“, ist sich Friedel sicher.

    „Zwischen 1980 und 1989 habe ich an elf Sozialplänen mitgewirkt“, listet Friedel aus seinem Archiv auf. „Das Wichtigste war dabei immer, Kompromisse einzugehen, um Arbeitsplätze zu erhalten“, sagt Egon Friedel. „Das waren mitunter auch Einbußen für die Arbeitnehmer, aber man konnte es für den Erhalt des Arbeitsplatzes in Kauf nehmen“, so der Preh-Betriebsratsvorsitzende.

    In den ersten Jahren waren es immer die unteren Ränge, die gehen mussten. „Bei der großen Krise 1989 setzten wir durch, dass in allen Hierarchie-Ebenen zehn Prozent der Angestellten gehen mussten“, schwingt bei Friedel durchaus etwas Stolz mit. Für ihn war das nur gerecht. „Und dieses Gerechtigkeitsempfinden habe ich zuhause in Schmalwasser gelernt. Wir waren nicht reich, mein Vater Max war krank aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt. Aber wenn Besuch kam, wurde jeder satt, es wurde immer geteilt“, so Friedel, dessen Geschwister noch in Schmalwasser leben.

    Keine politischen Ambitionen: Trotzdem Kreisrat geworden

    Politische Ambitionen hatte Egon Friedel eigentlich nicht. Irgendwann kam die SPD auf ihn zu auf der Suche nach einem Kandidaten aus der Arbeiterschaft. „Dann habe ich mich halt einmal aufstellen lassen“, erzählt er. So wurde er Gemeinderat in Wollbach, ab 1994 Kreistagsmitglied für die SPD. Gedankenspiele, einmal für den Landratsposten zu kandidieren, lehnte Friedel für sich jedoch ab.

    Mit den 90er-Jahren kehrten die besseren Zeiten für Preh zurück. Die Besinnung auf Zuliefer-Teile für die Automobilindustrie und Tastaturen war ein Glücksfall. Auch die Entwicklung innovativer Mantagelinien lieferten Beiträge für die Erfolgsgeschichte.

    Dazu gehörten immer wieder Umwandlungsprozesse. 1993 übernahm die Rheinmetall AG die Kapitalmehrheit an Preh, zehn Jahre später erfolgte die Übernahme durch die Deutsche Beteiligungs-GmbH, noch einmal zwei Jahre später verstarb Rosemarie Preh im Alter von 84 Jahren.

    Es folgte die Finanzkrise 2008 und 2011 als letztes großes Kapitel der Firmengeschichte die Übernahme durch die Joyson-Group des Chinesen Jeff Wang mit Sitz in Ningbo. „Ich habe in meinem Berufsleben wahrscheinlich 30 bis 40 Geschäftsführer erlebt“, zählt Friedel auf, „und bei allen hatte ich Bauchschmerzen“. Das war auch bei der Übernahme durch den chinesischen Investor Jeff Wang so.

    Keine betriebsbedingten Kündigungen seit 1993

    Doch das Bauchgrimmen hat sich schnell beruhigt. „Das Wachstum ist ungebrochen, fast geht alles schon ein wenig schnell“, sagt Friedel. Mit dem chinesischen Kapital habe Preh Investitionen tätigen können, die unter anderen Vorzeichen nicht möglich gewesen wären.

    Im April 2018 geht Egon Friedel in den Ruhestand, er will noch eine Betriebsratswahl ordentlich über die Bühne bringen. In ein paar Tagen wird Friedel mit den Preh-Jubilaren wieder auf Tagesreise gehen, diesmal nach Würzburg. Friedel war immer derjenige, der die Jubilare gewürdigt hat. „Diesmal bin ich selbst dran und kann mich entspannt zurücklehnen“, lächelt Egon Friedel – mit einem Schmunzeln und einer Ahnung von Wehmut über einen baldigen Abschied von Preh.

    Was ihm die größte Genugtuung bereitet? „Seit 1993 hat es keine betriebsbedingte Kündigung mehr gegeben bei Preh, das macht mich zufrieden“, zieht Friedel Resümee. Für die Firma wünscht er sich, dass der familiäre Charakter erhalten bleibt. Firmeninterne Sportgruppen, das eigene Werksorchester und viele Dinge stehen für diesen persönlichen Charakter des großen Bad Neustädter Arbeitgebers.

    „Was den Betriebsrat angeht, so wünsche ich immer eine Persönlichkeitswahl, keine anonyme Gewerkschaftsliste wie in der Großindustrie“, fügt Friedel an.

    Wenn er in den Ruhestand geht – ein Jahr vor dem 100-Jahr-Jubiläum bei Preh – will er sich Zeit nehmen für ein paar mehr Fahrradtouren. Ich würde gerne einige größere Flüsse wie Donau, Rhein, Elbe, Weser, Inn oder Main abradeln und mich etwas mehr als bisher um meinen kleinen Schrebergarten kümmern“, so die Träume des langgedienten Preh-Betriebsrates. Im Garten kann er dann bestimmt die eine oder andere Küchenzutat züchten.

    Die Leidenschaft fürs Kochen ist bei Egon Friedel bis heute geblieben. Und seine Arme dehnen sich weit, wenn er sein Regal mit Kochbüchern beschreibt. „Das Beste kommt aber heraus, wenn man in den Kühlschrank schaut und überlegt, was man daraus zubereiten könnte“, gibt er eine Weisheit weiter.

    Wenn man, wie Egon Friedel, Jahrzehnte für die Preh-Familie im Einsatz ist, dann kennt man so seine Erfolgsrezepte.

    Stationen und Ämter Egon Friedel wurde am 13. August 1953 in Schmalwasser geboren. 1. September 1967: Eintritt in die damalige Preh GmbH ein. 1971-1975: Facharbeiter/Versuchswerkstatt 1975-1981: Siebdrucktechniker/Forschungsabteilung 1980-85: Weiterbildung zum Refa-Techniker 1981-1985: stellv. Betriebsratsvorsitzender 1985 bis heute: Betriebsratsvorsitzender 1993-2003: Mitglied Konzernbetriebsrat Rheinmetall 1997-2011: Mitglied versch. Aufsichtsräte 2011 bis heute: Aufsichtsratsmitglied Preh GmbH/Joyson. 1982-2004: Ehrenamtlicher Richter Arbeitsgericht Schweinfurt 2004 bis heute: Ehrenamtlicher Richter beim Landesarbeitsgericht Nürnberg 1985 bis heute: Mitglied IG-Metall Ortsverwaltung Schweinfurt 1994 bis heute: Mitglied des Kreistages 1978 bis heute: Lizenzierter Übungsleiter Fußball, über 25 Jahre als Übungsleiter tätig.

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